DDV-Kolumne Lars Brandau

Schrecken mit oder ohne Ende?

29.06.16 10:04 Uhr

Schrecken mit oder ohne Ende? | finanzen.net

Die Börsianer leiden. Die weitreichende Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union auszutreten, hat die Marktakteure hart getroffen.

Die Handelsplätze in aller Welt gingen auf Tauchstation. Allein der DAX büßte in den zurückliegenden Tagen rund 1000 Punkte ein. Umgerechnet auf die Marktkapitalisierung der 30 DAX-Werte ein Gegenwert von circa 95 Milliarden Euro. Auch der EuroStoxx 50 verzeichnet noch ein dickes Minus. Mittlerweile verbucht der EuroStoxx 50 aufs Jahr gesehen bereits einen Verlust von mehr als 16 Prozent. Dabei traf es vor allem und zum wiederholten Mal die Finanzinstitute. Dunkelrote Vorzeichen, wohin das Auge blickt. Der europäische Branchenindex ESTX BANKS stürzte regelrecht ab und notierte zu Wochenbeginn um nahezu 25 Prozent unter dem Stand vor dem britischen Referendum.

Nun ist wohl erst einmal Durchatmen angesagt. Die unterschiedlichen Lager müssen sich erst einmal sortierten. Das trifft im Kern zunächst auf Großbritannien zu. Die Bevölkerung ist tief gespalten. Die Jüngeren votierten mehrheitlich für den Verbleib in der EU, die Älteren eher dagegen. Ähnlich sieht die Verteilung bei Stadtbewohnern versus ländlichen Gegenden aus. Interessanterweise hat der FTSE 100, der wichtigste Index in Großbritannien, vergleichsweise etwas weniger Federn lassen müssen. Allerdings war seine Performance in der Vergangenheit nicht ansatzweise so gut wie die des DAX. Schwerer könnte wiegen, dass die Ratingagentur Standard & Poor's Großbritannien das Triple A-Rating, die Bestnote der Kreditwürdigkeit, abgenommen hat und das Land somit um zwei Einheiten herunter stufte. In der Summe lässt sich durchaus resümieren, dass die europäischen Börsen die größten Verluste seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 erlebten. Berater und Kunden verharrten in Schockstarre. So zwang der Brexit einige Onlinebanken vorübergehend in die Knie. Kunden konnten sich wohl nicht einloggen, Aufträge standen still oder wurden erst mit Verzögerung ausgeführt.

Dieses Marktbeben hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass es für die meisten Finanzprodukte mehr oder weniger gute Argumente und Kaufzeitpunkte gibt. Dennoch ist die Angst vor vermeintlichen Verlusten bei den Anlegern allgegenwärtig. Insofern macht es durchaus Sinn, sich gerade in diesen Marktphasen, die eine eindeutige Richtung vermissen lassen, strukturierte Wertpapieren genauer anzuschauen. Adäquat verwendet können sie in jeder Marktphase positive Erträge erzielen. Natürlich werden auch etliche Schwellen gerissen worden sein; aber viele haben auch gehalten und machen deutlich, wie wichtig hohe Barrieren sind und wie schnell die Absicherung im Depot wirklich von Bedeutung sein kann. Aber es muss auch gesagt werden, dass wir an den Kapitalmärkten keine Weltuntergangsstimmung haben. Die Wogen glätten sich, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Der Brexit ist zweifellos eine Zäsur. Die Europäische Union verliert zwar kein Gründungsmitglied, dafür aber einen wichtigen und einflussreichen Partner. Darüber hinaus auch einen Nettozahler in der EU. Das "Raumschiff Brüssel" sollte nun mehr denn je die Mahnungen gegen zu viel Bürokratie und nationalistische Strömungen ernst nehmen. Ansonsten droht im schlimmsten Fall der Zerfall der europäischen Einheit. Damit wäre eine wünschenswerte einheitliche europäische Identität dahin. Diese gilt es aber zunächst einmal neu zu entwickeln und den Menschen verbindlich zu erklären. Ohne innere Reformen fehlt vielen das nötige Vertrauen in die Institutionen.

Der DDV ist die Branchenvertretung der führenden Emittenten derivativer Wertpapiere. Er fördert den Derivatemarkt und somit die Akzeptanz von Zertifikaten, Aktienanleihen und Optionsscheinen. Zu den Zielen zählen Anlegerschutz, Verbesserung der Verständlichkeit und Transparenz. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.