Mini-Futures vs. Faktor-Zertifikate
Hebel ist nicht gleich Hebel – der Unterschied liegt im Detail
Faktor-Zertifikate verbriefen wie Open-End-Hebelzertifikate (auch: Mini-Futures) ein gehebeltes Investment, mit dem Inhaber der Long-Variante von einem positiven bzw. bei der Short-Variante von einer negativen Entwicklung des zugrunde liegenden Basiswertes profitieren. Beide Gattungen sind frei von Volatilitätseinflüssen und ihre Einsatzmöglichkeiten sind äußerst vielseitig: Sie können kurzfristig wie langfristig zu Spekulations- wie auch Absicherungszwecken eingesetzt werden.
Bei allen Gemeinsamkeiten lohnt sich ein Blick auf Unterschiede in Struktur und Funktionsweise, die am Beispiel des meistgehandelten Basiswertes, des DAX-Index, nachvollzogen werden. Während Mini-Futures über einen fixen Basispreis (synonym: Finanzierungslevel oder Strike) verfügen und die absolute Bewegung (Indexpunkte) des nachvollziehen, verfügen Faktor-Zertifikate über einen festen Hebel und bilden die relative Entwicklung (Prozentpunkte) des Index ab.
Mini-Futures-Zertifikate zahlen die absolute Entwicklung bei festem Basispreis
Bei einem angenommenen aktuellen DAX von 6.800 Punkten kostet ein Long-Mini-Future mit einem Basispreis von 5.100 Punkten beim üblichen Bezugsverhältnis von 1:100 exakt 17,00 Euro. Die Stopp-Loss-Schwelle soll drei Prozent oberhalb des Finanzierungslevels, bei 5.253 Punkten liegen. Steigt der Index nun um ein Prozent auf 6.868 Punkte, gewinnt der Mini-DAX gemäß Bezugsverhältnis 68 Punkte, d.h. genau 0,68 Euro hinzu. Auf den investierten Betrag von 17,00 Euro bezogen, entspricht dies einer Steigerung von exakt vier Prozent, damit beträgt der Hebel des Instruments 4.
Am nächsten Tag werden die Finanzierungskosten für einen Tag dem Finanzierungslevel zugeschlagen. Diese Haltekosten reduzieren bei unverändertem Markt den Wert des Mini-Futures. Üblicherweise kommt dabei ein international anerkannter Referenzsatz wie EONIA (Euro Overnight Index Average) oder Euribor (Euro Interbank Offered Rate) zur Anwendung, bei der Long-Variante als Aufschlag zuzüglich einer Marge der Emittentin, bei der Short-Variante als Abschlag abzüglich dieser Marge. Da die Finanzierungskosten hier unterhalb von 0,01 Euro pro Tag liegen, werden sie zur Vereinfachung nicht berücksichtigt. Steigt der DAX dann um ein weiteres Prozent auf 6.937 Punkte, zieht auch der Mini-DAX um 0,69 Euro an – diesmal allerdings auf einen Einsatz von 17,68 bezogen, weshalb der Hebel nur noch bei 3,9 liegt. Grundsätzlich gilt für Mini-Futures: Je mehr der DAX sich in die für Investoren positive Richtung bewegt, desto geringer wird die Hebelwirkung.
Erreicht der Index dagegen nach einer deutlich negativen Entwicklung die Stopp-Loss-Schwelle, löst die Emittentin ihre Absicherungsposition auf und erstattet den Restwert. Der Abstand zwischen Stopp-Loss-Schwelle und Finanzierungslevel schützt die Emittentin vor dem sogenannten Gap-Risk. Damit wird das Risiko einer enormen Kursbewegung zwischen Schlussstand des Vortages und dem Eröffnungspreis des aktuellen Handelstages bezeichnet.
Faktor-Zertifikate zahlen die relative Entwicklung bei konstantem Hebel
Ein RCB DAX Faktor 4 Zertifikat (ISIN: AT0000A0SM09) mit dem konstanten Hebel von 4 bezieht sich nicht direkt auf den DAX-Index, sondern auf einen durch die Emittentin kreierten Index. In diesem finden sich zwei Komponenten: Eine vierfach gehebelte Indexkomponente (dynamische Gewichtung von DAX-Futures in Abhängigkeit vom Indexstand) sowie eine dreifache Finanzierungskomponente (Long-Version) bzw. dreifache Zinskomponente (Short-Version). Dies folgt aus der Logik des Produktes, bei dem Investoren vom Basiswert zwar vierfach profitieren, diesen jedoch nur einmal bezahlen, was eine dreifache Fremdfinanzierung erforderlich macht. Finanziert wird im Gegensatz zu den Minis jedoch nicht nur der Finanzierungslevel, sondern der komplette Positionswert.
Sollte der DAX ein Prozent zulegen, gewinnt das Faktor Zertifikat genau vier Prozent hinzu. Bei einem angenommenen Preis von 150 Euro entspricht dies einem Anstieg auf 156 Euro. Eigentümlich ist es nun an den Faktor-Zertifikaten, dass nach jedem Handelstag auf Basis des Schlusskurses eine Anpassung (Reset) erfolgt, die dazu dient, den Hebel konstant zu halten. In der Praxis bewirkt dies, dass Investoren in den nächsten Handelstag mit einem erhöhten Betrag starten, welcher komplett die Performance dieses Tages nachvollzieht. Sollte der Index abermals ein Prozent zulegen, steigt das Zertifikat auf 162,24 Euro – und damit überproportional im Vergleich zu Mini-Futures.
Wenn der Markt dagegen ein Prozent verliert, wirkt der Hebel entsprechend in die andere Richtung und drückt das Zertifikat auf 144 Euro. Wiederholt sich dies am nächsten Handelstag, fällt das Zertifikat auf 138,24 Euro: Bei Marktbewegungen entgegen der Erwartung verlieren Faktor-Zertifikate folglich relativ betrachtet jeweils weniger. Versierte Optionsscheinanleger vermögen hierin eine Art Gamma-Effekt zu erkennen. Für Märkte, die einem Trend folgen, sind Faktor-Zertifikate demnach gut geeignet – sogenannte „Sägezahn“-Märkte mit dauernden Auf- und Abwärtsbewegungen bekommen den Faktoren dagegen nicht gut. Nach zehn Prozent Verlust braucht man eben elf Prozent, um wieder auf Einstandskurs zu sein. Hier schneiden die Minis besser ab, da sie die Performance in Punkten nachbilden. Um zu verhindern, dass dramatische Kurseinbrüche Totalausfälle verursachen, sind auch die Faktor-Zertifikate mit einer Barriere ausgestattet, für das besprochene Produkt liegt sie bei 20 Prozent. Sobald der DAX innerhalb eines Tages diesen Verlust überschreitet, erfolgt eine außerplanmäßige Anpassung, indem ein Tageswechsel mit Reset simuliert und damit eine neue Ausgangsbasis definiert wird. Managementgebühren fallen bei diesen Strukturen nicht an, die Geld-Brief-Spanne beträgt bei RCB 15 Cent für DAX-, 1 Euro für ATX- sowie 50 Cent für alle EuroStoxx50-, Gold-, Silber- und Brent Crude Oil – Produkte, für Einzelaktien individuell an deren Spread orientiert.
ZertifikateReport-Fazit: Faktor-Zertifikate mit Hebeln von 2, 3 oder 4 in den Varianten Long und Short auf die wichtigsten und liquiden Basiswerte richten sich an Investoren, die mit einem konstanten und moderaten Hebel von der Entwicklung eines Basiswertes profitieren oder ein bestehendes Portfolio effizient absichern möchten.
Autor: Thorsten Welgen
Walter Kozubek ist Herausgeber des ZertifikateReports. Dieser kostenlose PDF-Newsletter erscheint zwei bis drei Mal im Monat. Zusätzlich ist Herr Kozubek auch Herausgeber des HebelprodukteReports, sowie einer der Betreiber des Internetratgebers www.geld.com
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.