Geplanter EU-Ausstieg aus russischem Gas: Experte bleibt kritisch - Deutsche LNG-Pläne überdimensioniert?
Den geplanten EU-weiten Ausstieg aus russischem Gas sieht der Wirtschaftsexperte Gabriel Felbermayr kritisch.
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Das Herunterfahren auf Null schaffe neue Abhängigkeiten, sagte der Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) der Deutschen Presse-Agentur. "Ein gewisses gemischtes Portfolio sollte es in einer dann hoffentlich herrschenden Nachkriegswelt sein und nicht eines, das sich nur auf amerikanisches Flüssiggas kapriziert", sagte Felbermayr, der von 2019 bis 2021 des Kiel Institut für Weltwirtschaft leitete.
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Österreich, das im Gegensatz zu Deutschland noch russisches Gas erhält, setze offenkundig auf Zeit und mittelfristig auf ein Ende des Krieges. "Viele hoffen, dass 2027 der Ukraine-Krieg längst vorbei ist und dass man einen neuen Modus Vivendi hat", sagte Felbermayr. Der Forscher hält es für falsch, Österreich angesichts hoher Importanteile von russischem Gas eine Abhängigkeit zu unterstellen. "Im Sommer 2022 hat das Land bewiesen, dass es seine Speicher ohne russisches Gas füllen kann."
Im vergangenen Januar lag der Anteil russischen Gases beim Import nach Österreich bei knapp 50 Prozent. "Was wir alle nicht wollen, ist, dass der Kreml mit dem Gasverkauf hohe Devisen einnimmt", sagte Felbermayr. Deshalb sei er nach wie vor für einen Import-Zoll auf russisches Gas, der den Rohstoff bei Neuverträgen mit Moskau unattraktiver machen würde.
Nicht zuletzt angesichts der EU-weit sehr gut gefüllten Gasspeicher - in Österreich sind die Speicher immer noch zu 67 Prozent gefüllt (März 2022: 12 Prozent) - sieht Felbermayr kaum eine Gefahr für rasant steigende Gaspreise. Das Preisniveau liege nur noch bei etwa dem doppelten Wert wie vor dem Ukraine-Krieg. "Viel weiter kann der Preis nicht mehr sinken, aber er wird auch keine ähnlichen Sprünge hinlegen wie 2022."
Experten: Ausbaupläne für deutsche LNG-Terminals überdimensioniert
Der geplante Ausbau deutscher Importkapazitäten für verflüssigtes Erdgas (LNG) ist nach Einschätzung des New Climate Institute zu groß geraten und droht das Erreichen der Klimaziele zu gefährden. Das Bundeswirtschaftsministerium unterschätze einerseits künftige Gasimporte aus Nachbarländern und überschätze auf der anderen Seite die Risiken saisonal schwankender Verbräuche, schreiben die Experten in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. Das Ministerium kalkuliere mit einem zu umfangreichen Risikopuffer.
"Die neuen und geplanten schwimmenden Terminals reichen bereits aus, um zwischenzeitliche Versorgungsengpässe auch in extremen Situationen mit Infrastrukturausfällen zu decken", so das Institut. "Onshore-Terminals sind zu keinem Zeitpunkt notwendig."
Das Wirtschaftsministerium setze Laufzeiten und Kapazitäten der LNG-Terminals zu gering an, bemängelt das New Climate Institute. Per Gesetz sei außerdem ein nahezu uneingeschränkter Betrieb der neuen und geplanten Terminals bis Ende 2043 möglich. "Sollten alle geplanten Anlagen mit hoher Auslastung betrieben werden, sind Deutschlands Klimaziele nicht zu erreichen." Eine geringe Auslastung wiederum würde zu wirtschaftlichen Verlusten führen.
Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass die LNG-Terminals künftig zur Einfuhr von klimafreundlichem Wasserstoff genutzt werden könnten. Wenn schwimmende Terminals nicht mehr benötigt würden, könnten sie als LNG-Transportschiffe verchartert werden.
Beide Punkte sieht das Institut kritisch. Der künftige deutsche Bedarf an Wasserstoff - insbesondere bei der Einfuhr über den Seeweg
- werde relativ gering ausfallen und lasse sich über Pipelines
decken. Zudem seien nicht alle Fragen zur technischen Machbarkeit geklärt. Ob die Terminals sich an andere Länder weitervermieten lassen, sei fraglich, weil der Gasverbrauch weltweit sinken müsse.
Der Einschätzung des Wirtschaftsministeriums, dass Deutschland einen größeren Umfang von Flüssiggas an andere europäische Länder weiterleiten werde, widersprechen die Experten: "Da der Gasverbrauch aller europäischen Länder im Einklang mit den europäischen Klimazielen stetig weiter fallen muss, ist ein Überangebot in Europa wahrscheinlich."
Umweltverbände: Kein Bedarf für weitere LNG-Terminals in Ostsee
Die Umweltverbände Bund, Nabu und WWF sehen keinen Bedarf für weitere LNG-Terminals in der Ostsee vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste. Deutschland habe bereits 2022 Flüssigerdgas (LNG) über Frankreich, die Niederlande und Belgien importiert und könne das auch zukünftig fortsetzen, teilten die in einer Ostseeallianz MV zusammengeschlossenen Verbände am Freitag mit.
Sie warnten vor dem geplanten Bau eines großen LNG-Terminals vor Rügen, einer damit verbundenen weiteren Gas-Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie Seetrassen durch die Ostsee. Sowohl der Bau als auch der langjährige Betrieb bedrohten empfindliche und geschützte Lebensräume. Meeressäuger würden einer Dauerbelastung ausgesetzt. Auch Fischwanderrouten und das bedeutendste Heringslaichgebiet der westlichen Ostsee im Greifswalder Bodden gerieten in Gefahr.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erneuerte ihre Kritik an den bisherigen Plänen des Bundes, etwa fünf Kilometer vor der Küste Rügens ein Flüssigerdgas-Terminal errichten zu lassen. Allerdings ging sie nicht so weit wie die Umweltschutzverbände, das Projekt gänzlich in Frage zu stellen.
"Ich glaube, dass noch andere Alternativen geprüft werden müssen. Zum Beispiel, dass man sehr, sehr weit rausgeht, wo es überhaupt niemanden stört - und dann vielleicht eine längere Leitung baut", sagte Schwesig im NDR-Fernsehen. Das Land stehe bereit, ab Lubmin das Gas einzuspeisen. Wie dies technisch geschehen könne, müsse der Projektträger prüfen, dabei aber den Tourismus und die Bevölkerung mitnehmen.
Auf der Insel Rügen, die maßgeblich von Urlaubern lebt, gibt es zahlreiche Proteste gegen das Vorhaben, für das ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren geplant ist. Im Landtag in Schwerin ist nächste Woche eine Debatte dazu vorgesehen.
Nach Ansicht Schwesigs kann nur der Bund die Frage beantworten, ob zusätzliche Terminals vor Rügen überhaupt noch erforderlich sind. Bundesregierung und Bundestag müssten erklären, was noch für eine gesicherte Gasversorgung benötigt werde und was es für die Versorgung und die Preise bedeute, wenn die Terminals vor Rügen nicht kommen.
Nach bisherigen Plänen sollen in der Ostsee vor Sellin im Südosten Rügens zwei schwimmende Flüssigerdgas-Terminals installiert werden. Das mit Tankschiffen angelieferte Flüssiggas soll dort wieder in Gas umgewandelt und per Pipeline nach Lubmin auf dem Festland transportiert werden. Lubmin als früherer Anlandepunkt für russisches Erdgas aus der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist bereits an das europäische Verteilnetz angebunden. Dort betreibt die Deutsche Regas seit Mitte Januar bereits ein LNG-Terminal.
WIEN/BERLIN/STRALSUND/SCHWERIN(dpa-AFX)
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