Wege aus der Gaskrise: Wie es gelingt
Gas ist für ein Industrieland wie Deutschland ein Schlüsselrohstoff. Doch der weitaus größte Anteil am Verbrauch entfällt auf die privaten Nutzer. Trotz der horrenden Preissteigerungen gibt es auch erste Anzeichen für eine Entlastung.
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von Thomas Benedix, Gastautor von Euro am Sonntag
Mit der teilweisen Wiedereröffnung der Gaspipeline Nord Stream 1 nach der wartungsbedingten Pause Mitte Juli hat sich die Lage am europäischen Gasmarkt zwar teilweise entspannt, aber in Sicherheit wiegen sollte sich trotzdem niemand. Denn mit Blick auf die kommenden Monate dürfte der russische Präsident Wladimir Putin nun versuchen, die Unsicherheit in den Importländern möglichst lange hochzuhalten. Knapp gesagt: Je mehr Sorgen sich die Bevölkerung in Europa um mögliche Lieferengpässe macht, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Solidarität in den EU-Mitgliedsstaaten bröckelt.
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Plus500: Beachten Sie bitte die Hinweise5 zu dieser Werbung.Effektiver als mit einem einmaligen Schock über den kompletten Lieferstopp funktioniert das, indem Putin die Höhe der Gaslieferungen steuert, um den Abnehmern einen harten Winter zu bereiten. Die Füllstände der Gaslager in den Abnehmerländern sind somit die Zielgröße Moskaus und die Gaslieferungen schlichtweg ein geopolitisches Instrument. Die angekündigte, erneute Wartung einer Kompressorstation für Nord Stream 1 Ende August ist genau einer dieser Nadelstiche - deswegen wird uns dieser Themenkomplex auch in den nächsten Monaten beschäftigen.
Gaspreis am Terminmarkt hat sich seit Januar verfünffacht
Konjunkturell lässt sich festhalten, dass Deutschland aufgrund der Energieengpässe eine Rezession droht. Dass die Politik aktuell emsig nach Alternativen sucht, ist richtig, wird aber nichts daran ändern, dass der Winter je nach Wetterlage zumindest schon mal schwierig und teuer wird. Gas ist derzeit fünfmal so teuer wie vor einem Jahr, neunmal so hoch wie vor der Pandemie. Gut 230 Euro kostet derzeit eine Megawattstunde. Auch der Terminmarkt zeigt, dass die Marktakteure mit weiter hohen Preisen rechnen. Der Dezember-2023- Kontrakt liegt derzeit bei 200 Euro - er hat sich seit Jahresbeginn mehr als verfünffacht.
Ein bisschen Abhilfe schaffen die geplanten LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel: Denn erst kürzlich haben die Bundesregierung und vier große deutsche Gasimporteure eine Vereinbarung getroffen, diese zu beliefern. Bis zum Jahresende sollen an beiden Orten die ersten Spezialschiffe für den LNG-Import in Betrieb genommen werden. Möglicherweise legen aber weit weniger Schiffe an als erhofft. Denn in den Wintermonaten ist das Gas häufig schon über die Kontrakte vergeben, während im Sommer ein größerer Teil des verfügbaren Gases frei kaufbar ist. Was droht, ist dann ein Preiswettkampf mit anderen Abnehmern, vor allem in Asien, um die Gaskapazitäten, die noch frei am Kassamarkt verfügbar sind. Das könnte den Preis ähnlich wie bei einer Auktion weiter in die Höhe treiben.
Neue Gasumlage der Regierung trifft Endkunden
Für die Verbraucher kommt es womöglich noch dicker, weil die Bundesregierung Anfang August die Gasumlage auf den Weg gebracht hat. Die erlaubt es den Energiekonzernen, die Gas zu hohen Preisen importieren, die Mehrkosten einfach auf die Kunden umzulegen. Das bedeutet: Die Unternehmen können den Rohstoff quasi ohne Rücksicht auf den Preis erwerben, den Schwarzen Peter haben dann die Verbraucher.
So weit, so düster. Es gibt aber durchaus auch Nachrichten, die Hoffnung machen. Nicht nur, aber auch wegen der Gasumlage füllen sich derzeit die Lager schneller als zunächst erwartet. Gleichzeitig sind die Importe gestiegen und die Exporte - denn Deutschland ist zugleich Gasimporteur und -exporteur, etwa an Tschechien, Österreich und die Schweiz - etwas gesunken.
Und schlussendlich mehren sich die Anzeichen, dass der Verbrauch in Deutschland etwas sinkt. Der Gasverbrauch im August liegt bislang 23 Prozent unter dem Vorjahreswert. Das eröffnet die Möglichkeit, mit ausreichend Puffer in den Winter zu gehen. Klar ist: Kalt duschen und weniger heizen allein wird die Gaspreise nicht senken. Die werden vermutlich hoch bleiben, bis Europa weit genug ist, um einen beträchtlichen Teil seiner Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen.
Das Sparen beim Gasverbrauch würde aber dabei helfen, Engpässe zu vermeiden. Denn wenn es wirklich so weit kommen sollte, dass Gas im Winter rationiert und zugeteilt werden müsste, dann wäre der Schaden für die Bürger, aber auch für die gasintensiven Industrien wie etwa den Chemiesektor und den Grundstoffbereich immens.
Thomas Benedix
Senior Portfolio Manager Commodities bei Union Investment
Benedix verantwortet die Fundamentalanalyse sowie die Entwicklung der Investmentstrategien im Rohstoffsektor. Seine Preisprognosen und Investmentsignale dienen als Inputfaktor u. a. für die Rohstofffonds. Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Mit aktuell rund 416 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen ist sie einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.
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Bildquellen: Union Investment, Schroders