Citi-Kolumne Dirk Heß

Silber hat (noch) mehr Glanz verdient

21.12.16 09:18 Uhr

Silber hat (noch) mehr Glanz verdient | finanzen.net

Mitgefangen, mitgehangen - getreu diesem Motto musste Silber im Sog des fallenden Goldpreises in den vergangenen Monaten Federn lassen. Dabei lohnt beim zweitwichtigsten Edelmetall eine differenzierte Betrachtungsweise.

Noch ist es zu früh, den Schlussstrich zu ziehen. Denn es bestehen noch Chancen, dass Silber zu den Siegern des Börsenjahres 2016 zählen wird. Per Mitte Dezember zeigte die Feinunze im Vergleich zum Vorjahresultimo ein Plus von ungefähr einem Fünftel. Gegenüber Gold resultiert daraus eine Outperformance von rund zehn Prozentpunkten - die insbesondere aus dem Kursrutsch bei Gold im November resultiert. Mitte des Jahres sah die Zwischenbilanz für Silber sogar noch weitaus positiver aus, bis die Geldpolitik für Verkaufsdruck sorgte. Nicht nur, dass die Wahrscheinlichkeit für eine im Dezember anstehende Zinserhöhung in den USA stetig zunahm. Hinzu kamen Zweifel daran, ob die Europäische Zentralbank dauerhaft bei ihrer ultralockeren Gangart bleibt.

Einen sprichwörtlichen Nackenschlag verpasste den Edelmetallen die überraschende Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten. Zwar schnellten die Notierungen in einer ersten Reaktion kräftig nach oben. Umso heftiger ging es aber wenig später wieder nach unten. Dabei kam einmal mehr die stark negative Korrelation von Gold und Silber mit dem US-Dollar respektive der Zinsentwicklung in den USA zum Tragen. In der Hoffnung, dass die Trump-Politik der größten Volkswirtschaft der Welt einen Schub verpasst, zog die Rendite 10-jähriger US-Treasuries innerhalb von drei Wochen um mehr als 60 Basispunkte auf 2,44 Prozent an. Da Edelmetalle selbst keine laufenden Erträge abwerfen, zerrt eine solche Entwicklung an der Attraktivität dieser Anlageklasse.

Gerade bei Silber greift es jedoch zu kurz, die Bewertung einzig am Stand der US-Währung respektive des Zinsniveaus festzumachen. Die Bedeutung des Metalls geht weit über den Status als sicherer Hafen oder Inflationsschutz hinaus. Der Grund: Silber kommt in zahlreichen industriellen Anwendungen zum Einsatz. Nach Angaben von GFMS Thomson Reuters entfiel 2015 mehr als die Hälfte der weltweiten Nachfrage auf diesen Bereich. Das Edelmetall ist ein hervorragender elektrischer Leiter, fungiert als Legierung beim Löten oder für Batterien und wird zudem in Photovoltaikzellen verbaut, um nur einige Beispiele zu nennen. Während der industrielle Einsatz 2015 insgesamt abnahm, zog die Nachfrage aus der Solarindustrie um mehr als ein Fünftel an. Die Analysten von GFMS Thomson Reuters rechnen damit, dass aus dieser Ecke weiterhin ein hoher Bedarf kommt. Gleichzeitig könnte der jüngste Preisrücksetzer bei Silber für Edelmetallfreunde eine Einstiegschance darstellen und die Nachfrage nach Barren und Münzen wieder in die Gänge bringen.

Insgesamt dürfte der Silbermarkt laut GFMS 2016 das vierte Jahr infolge mit einem Angebotsdefizit abschließen. Eine Wende ist nicht in Sicht. Vielmehr soll die Minenförderung gemäß den Prognosen des Branchendienstes nach einem starken Anstieg in den vergangenen Jahren ab 2016 langfristig abnehmen. Vor diesem Hintergrund rechnen die Experten damit, dass das globale Silberangebot weiterhin "chronisch" hinter der physischen Nachfrage zurückbleibt, was den Preis auf lange Sicht unterstützen sollte. Für höhere Notierungen beim zweitwichtigsten Edelmetall spricht auch die Gold-Silber-Ratio. Die von Analysten und Investoren viel beachtete Kennziffer setzt die Preise der beiden Edelmetalle ins Verhältnis zueinander. Aktuell steht die Ratio bei 71. Das heißt, es sind 71 Silberunzen nötig, um eine Unze Gold kaufen zu können. Auf Sicht von zehn Jahren beträgt die durchschnittliche Ratio 60. Im Klartext: An Hand dieser Kennziffer zeigt Silber gegenüber Gold eine markante Unterbewertung.

Interessant ist das Edelmetall vor diesem Hintergrund nicht nur für langfristig orientierte Anleger. Gerade auch für die Trader hat Silber wegen der mitunter heftigen Preisausschläge einen speziellen Reiz. Mit Hebelprodukten können sie auf temporäre Bewegungen setzen, ohne das Metall physisch erwerben zu müssen. Wegen des für diese Produkte typischen Hebeleffekts sind dabei überproportionale Gewinne möglich. Wobei der Erfolg natürlich davon abhängt, ob das zugrunde liegende Trading-Kalkül aufgeht. Egal ob long oder short: Beide Ausrichtungen sind mit Optionsscheinen und Mini Futures einfach und effektiv möglich.

Dirk Heß, Finanzexperte der Citigroup, schreibt zu aktuellen Markt- und Derivate-Themen. Als Co-Head EMEA Warrant Sales & Distribution bei der Citi besitzt er langjährige Expertise in allen Fragen rund um Börse und Investments. In seinem regelmäßigen Kommentar gibt Dirk Heß fundiertes Fachwissen weiter. Die Citigroup ist seit dem Jahr 1989 als Emittent von strukturierten Produkten permanent am deutschen Markt vertreten und feierte 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum.

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