Lebendrind: Jetzt long gehen?
In unserer letzten Analyse des Rindfleischmarkts von Mitte Juli billigten wir den Lebensrind-Notierungen mittel- bis längerfristiges Aufwärtspotenzial zu...,
... wiesen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass ein Test des zentralen Supports bei 80 US-Cents nicht ausgeschlossen werden kann. Nach den zuletzt recht deutlichen Kursrückgängen wurde die genannte Marke fast in Angriff genommen. Für uns ist diese Entwicklung Grund genug, den Markt erneut „unter die Lupe“ zu nehmen.
Rückläufige US-Produktion
Ausweislich der neusten Schätzungen des US-Landwirtschaftsministeriums wird die Rindfleisch-Produktion in den Vereinigten Staaten in den nächsten beiden Jahren rückläufig ausfallen. Für 2009 erwarten die Experten ein Minus von drei Prozent (bis dato sind es vier Prozent) und im kommenden Jahr sollen nochmals zwei Prozent weniger erzeugt werden. Dass diese Prognosen durchaus ernst zu nehmen sind, ergibt sich vor allem aus der Anzahl der Tiere, die sich gegenwärtig in den Mastbetrieben befinden. 101,8 Millionen Stücke bedeuten gegenüber dem Vorjahr eine Reduzierung um 1,45 Prozent. Gleichzeitig ist das der niedrigste Wert seit sage und schreibe 36 Jahren. Auch wenn der am 1. September veröffentlichte letzte Cattle-on-Feed-Report mit 9,882 Millionen Tieren lediglich ein Minus von 1,2 Prozent aufwies und damit über den Markterwarten lag, kann man die Angebotssituation bei Lebensrind als durchaus angespannt bezeichnen.
Steigender Konsum wahrscheinlich
Im Hinblick auf den amerikanischen Konsum sind wir demgegenüber optimistisch, dass dieser in den bevorstehenden Monaten tendenziell zunehmen sollte. Traditionell verzehren die Bürger im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ in den Wintermonaten eher Rind- als Schweinefleisch. Darüber hinaus dürfte das Ende der Rezession dafür sorgen, dass bei den Amerikanern wieder vermehrt das hochwertigere aber auch teurere Rindfleisch auf den „Tisch des Hauses“ kommt, zumal die Preisunterschiede nach den Kursanstiegen bei Magerschwein und der gleichzeitigen Korrektur bei Lebensrind mittlerweile nicht mehr so hoch sind wie noch vor einigen Wochen. Insgesamt besteht damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die amerikanische Nachfrage steigt, was angesichts der geringeren Produktion klar für anziehende Notierungen spricht.
Export schwächelt
Dass es dazu bislang noch nicht gekommen ist, liegt in erster Linie an den enttäuschenden Exportzahlen. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres gingen die Ausfuhren um vier Prozent zurück, nachdem sie 2008 noch um bemerkenswerte 35 Prozent in die Höhe schnellten. Diese Nachricht sorgte unzweifelhaft für eine gewisse Enttäuschung unter den Händlern, zumal man sich nach dem Ende des Einfuhrverbots auf Grund einiger BSE-Fälle in der Vergangenheit in wichtigen asiatischen Märkten (Japan und Südkorea) doch erheblich mehr erwartet hatte. Unserer Ansicht nach handelt es sich bei dem Rückgang der Ausfuhren allerdings um ein vorübergehendes Phänomen, welches seine Ursache in den schweren globalen Wirtschaftskrise hatte. Denn zuletzt mussten nicht nur die Bürger der westlichen Welt sondern auch viele Asiaten sparen. Grundsätzlich jedoch dürfte der weltweite Rindfleisch-Konsum weiter anziehen und damit auf Sicht von einigen Monaten auch die amerikanischen Ausfuhren.
CoT-Daten klar „bullisch“
Außerordentlich „bullisch“ präsentieren sich zur Stunde die CoT-Daten für Lebendrind: Die für gewöhnlich gut informierten kommerziellen Händler befinden sich mit mehr als 23.000 Kontrakten netto auf der Long-Seite. Das spricht dafür, dass diese Gruppe ein nicht zu unterschätzendes Absicherungsbedürfnis gegen steigende Kurse sieht. Zudem sind die genannten gut 23.000 Kontrakte nicht allzu weit vom Höchststand im Bebreich von etwa 27.000 Kontrakten im Juni entfernt. Im Anschluss kam es zu deutlichen Kurszuwächsen bei Lebendrind. Unsere Einschätzung nach stehen die Chancen nicht schlecht, dass es demnächst wieder so kommt.
Charttechnik noch ohne Kaufsignal
Dennoch muss insbesondere unter technischen Gesichtspunkten von einem übereilten Long-Einstieg momentan noch abgeraten werden. Bisher gibt es nämlich von der technischen Seite aus noch kein wirkliches Kaufsignal. Der Abwärtstrend im maßgeblichen Oktober-Future seit Sommer dieses Jahres ist unverändert intakt und die Notierungen liegen erkennbar unter der 18-Tage-Linie. Gleichzeitig generieren sowohl der MACD als auch die Stochastik und der RSI Verkaufssignale. Zwar weist der letztgenannte Indikator auf eine überverkaufte Situation hin, was jedoch nicht bedeutet, dass der Markt bereits in Kürze nach oben dreht. Positiv zu vermerken ist lediglich, dass der zentrale Support bei gut 80 US-Cents aus Dezember 2008 bislang gehalten hat. Wir gehen auch nicht davon aus, dass diese Niveau unterschritten wird. Dennoch sollten Anleger vor einem Long-Einstieg eine nachhaltige Bodenbildung und den Beginn einer Trendwende nach oben abwarten. Zur Stunde käme der Aufbau von Long-Positionen in Lebensrind einem Griff in das sprichwörtlich fallende Messer gleich. In jedem Fall aber gehört der Markt auf die interne „Watchlist“ eines jeden Rohstoff-Anlegers.
Marc Nitzsche ist Chefredakteur des Rohstoff-Trader Börsenbriefs. Der Börsenbrief ist ein Spezialist für Rohstoffe und bietet konkrete Kaufempfehlungen mit Analysen und Kursprognosen. Mehr Infos unter: www.rohstoff-trader.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.