Wann ist der Fiskus dran?

Steuern: Beamte haften für ihre Fehler

aktualisiert 21.06.14 22:24 Uhr

Streit mit dem Fiskus ist nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer. Die Amtshaftung hilft Steuerzahlern, kostspielige Prozesse durchzustehen. Doch sie lohnt sich nicht immer.

von Sophie Brandt, Euro am Sonntag

Es ist ein offenes Geheimnis: Jeder zweite Steuerbescheid ist falsch. Das wissen nicht nur die Steuerberater oder Lohnsteuerhilfevereine. Auch die Finanzverwaltung weiß das - sagt es aber nicht laut. Die Behördenleiter geben lediglich zu, dass nach Einsprüchen viele sogenannte Abhilfebescheide ergehen.

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Diese seien allerdings nicht immer ein Indiz, dass der Finanzbeamte auch wirklich einen Fehler gemacht habe, heißt es. Oft habe der Steuerzahler selbst erst mit seinem Einspruch vergessene Belege eingereicht oder dann seine Erklärung abgegeben, nachdem seine Einkünfte geschätzt wurden. Auch häuften sich derzeit die Fälle, in denen Arbeitgeber falsche Elstam-Daten überspielt haben.

In den zu führenden und jährlich veröffentlichten Statistiken sähen Abhilfen aber immer nach falschen Bescheiden und damit nach Fehlern bei der Veranlagung aus. Am Ende ist es egal, wer an einem falschen und oft zu hoch angesetzten Steuerbescheid schuld ist: Er kann nur durch Einspruch korrigiert werden. Das bedeutet: Der Steuerzahler muss selbst aktiv werden, nur dann darf er darauf hoffen, dass er weniger zahlen muss.

Doch mit Einsprüchen ist das so eine Sache. Oft finden sich nur Steuerberater in der Abgabenordnung zurecht und das kostet. Was der Mandant zahlen muss, richtet sich nach dem Streitwert. Dabei handelt es sich um die Summe, die ursprünglich beantragt wurde, nicht das, worauf sich der Steuerzahler letztlich mit seinem Bearbeiter geeinigt hat.

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Das heißt aber nicht, dass Steuerzahler auf ihren Kosten sitzen bleiben. Freiwillig beteiligt sich das Finanzamt zwar nicht an den angefallenen Kosten. So will es ein Anwendungserlass zu Paragraf 347 der Abgabenordnung (AO). Hier heißt es: Das Einspruchsverfahren ist kostenlos, und jeder muss für seine Kosten im Verfahren selbst aufkommen.

Doch es gibt einen Ausweg - die Amtshaftung. Aber Vorsicht: Auch die kann teuer werden. Es gilt, genau die Chancen und Risiken abzuwägen. Denn freiwillig wird das Finanzamt nie zahlen. Im Zweifel hilft nur eine Klage vor dem Landgericht.

Wann ist der Fiskus dran?
Grundsätzlich gilt: Haben Steuerpflichtige selbst einen Fehler gemacht, der dann durch einen Einspruch korrigiert wurde, müssen sie die Kosten tragen. Auch für völlig offensichtliche Fehler, wie vom Bearbeiter versehentlich nicht eingetragene Versicherungsbeiträge, sollte man kein aufwendiges Amtshaftungsverfahren anstrengen. Hier genügt ein Anruf beim Finanzamt, und es folgt meist umgehend und pro­blemlos ein Änderungsbescheid.

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Anders ist es, wenn ein Steuersachverhalt vom Steuerzahler völlig anders beurteilt wird als von der Behörde. Ein Beispiel: Der Bearbeiter will einfach nicht einsehen, dass die Zweitwohnung am Arbeitsort des Steuerzahlers der doppelten Haushaltsführung dient oder dass etwa ein Arbeitsgerichtsprozess nötig war, um in Lohn und Brot zu bleiben. Wer hier einen Steuerberater einschalten musste, kann dem Fiskus über die Amtshaftpflicht die Kosten aufbürden.

"Kurz nach Einführung der Abgeltungsteuer hatten wir beispielsweise mehrere Amtshaftpflichtverfahren bei unserem Finanzamt", berichtet eine Steuerinspektorin, die anonym bleiben will. Das Computerprogramm konnte die Verlustvorträge noch nicht verarbeiten. "Wir haben Steuern auf Kapitalerträge festgesetzt ohne Verlustausgleich oder mussten die Erklärungen über Monate liegen lassen", so die Inspektorin. Beides stieß bei vielen Steuerzahlern auf Unmut. Schließlich war die Oberfinanzdirektion sogar freiwillig bereit, die Beraterkosten zu übernehmen, wenn sich die Beschwerden häuften.

Immer wieder machen auch Fälle die Runde, in denen es um bis zu fünfstellige Summen geht. So stritt vor Jahren ein Unternehmer auf Erstattung seiner Steuerberatungskosten von 75 000 Euro und gewann, nachdem das Finanzamt die Gewerbesteuer um einige Millionen Euro zu hoch berechnet hatte (Landgericht Potsdam, 4 O 220/04). Auch Carsten Maschmeyer, ehemaliger Chef des Finanzvermittlers AWD, bemühte ein Amtspflichtverfahren und erstritt sich so Schadensersatz von 60 450 Euro beim OLG Celle (16 U 9/12). Ihm hatte das Finanzamt Vorauszahlungen falsch berechnet.

Meist geht es aber nur um einige Hundert Euro. Für manchen Steuerzahler dennoch viel Geld. Die Oberfinanzdirektionen genehmigen, dass das Finanzamt die Kosten auch bei kleineren Beträgen übernimmt. Hierfür muss der zuständige Bearbeiter allerdings klar gegen einen eindeutigen Gesetzeswortlaut verstoßen, höchstrichterliche Rechtsprechung nicht beachten, Gesetze falsch anwenden oder von Verwaltungsanweisungen und Richtlinien abweichen.

Ob es sich nur um ein scheinbares Versäumnis eines Bearbeiters handelt oder tatsächlich um einen Fehler, ist nicht immer leicht zu beweisen. Hat sich der Bearbeiter beim Zusammenrechnen der Spendenbelege lediglich vertippt, so kann der Betroffene ihn nicht dafür haftbar machen. Streicht er aber die Kosten für ein Studium, obwohl aktenkundig ist, dass es sich um eine Zweitausbildung handelt, kann die Sache schon anders aussehen.

Grundsätzlich wird es für die Finanzsachbearbeiter in den Ämtern von Jahr zu Jahr schwieriger, nach Recht und Gesetz zu veranlagen. Das Personal wird weniger, die Gesetze und Verordnungen dicker, für Fortbildungen und die Lektüre von Fachliteratur reicht die Zeit nicht aus.

Warum manche Berater kneifen Eigentlich müssten danach Hunderte von Amtshaftungsverfahren bei den Gerichten anhängig sein. Sind es aber nicht. Viele Berater raten ihren Mandanten sogar ab. Zum einen weil jedes Verfahren wie angesprochen auch teuer werden kann. Zum anderen geht meist viel Zeit ins Land. Und zuletzt wollen sich viele Berater und Anwälte mit den Finanzämtern in ihrer Gegend ungern anlegen. Wenn das Verhältnis stimmt, drücken die Beamten auch mal ein Auge zu oder gucken nicht so genau hin, so die landläufige Meinung.