Schwarzgeld

Steuerflüchtlinge: Wohin mit dem Geld?

aktualisiert 14.10.11 14:45 Uhr

Obwohl die Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein vielen als zu lasch gelten, wird es für Steuersünder immer enger und teurer – nun auch für Luxemburg-Anleger.

von Markus Hinterberger, €uro am Sonntag

Im Windschatten des Steuerabkommens mit der Schweiz planen Fahnder eine der größten Steuerrazzien der Nachkriegsgeschichte gegen rund 3.000 Anleger, die Geld diskret über die Privatbank HSBC Trinkaus bei HSBC in Luxemburg anlegten. Hintergrund ist die Auswertung einer Daten-CD, die Nordrhein-Westfalen vor über einem Jahr für vier Millionen Euro kaufte.

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Das alarmiert. Über drei Jahre ist es her, dass Klaus Zumwinkel frühmorgens von der Steuerfahndung abgeführt wurde. Seit der Affäre Zumwinkel ist das Thema Steuerhinterziehung ein Dauerbrenner. Mehr als 50.000 Selbstanzeigen und über 120 Millionen Euro an nachgezahlten Steuern sprechen für sich.

Noch sollen bis zu 140 Milliarden deutsches Geld unversteuert in der Schweiz und Liechtenstein liegen. Nachdem sein Vorgänger Peer Steinbrück wahlweise mit der Kavallerie oder der Peitsche gedroht hatte, verhandelt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Auch wenn die Ergebnisse vielen Oppositionspolitikern nicht weit genug gehen, stehen Steuerhinterzieher nun am Scheideweg.

Beispiel Schweiz: Nachdem bislang nur über den Inhalt des Vertrages mit Deutschland gemutmaßt werden konnte, liegen nun Fakten auf dem Tisch: Wer bei den Eidgenossen unversteuertes Geld liegen hat, muss auf sein Vermögen zwischen 19 und 34 Prozent Steuern zahlen. Was der Kunde genau schuldig ist, errechnet die Bank und überweist das Geld am 31. Mai 2013 an den deutschen Fiskus. Auf die Erträge des Vermögens fallen ab 2013 jährlich 26,375 Prozent Abgeltungsteuer an. Der Vorteil: Der Kontoinhaber bleibt weiterhin anonym.

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Allerdings muss er weiter zittern. Denn viele vergessen, dass das Abkommen mit der Schweiz, sofern es auch vom deutschen Bundesrat genehmigt wird, erst ab 2013 gilt. „Bis dahin können deutsche Steuerfahnder sämtliche Listen mit Bankdaten deutscher Kunden auswerten und Verfahren einleiten“, sagt Tom Offerhaus, Anwalt und Geschäftsführer bei der WTS Steuerberatungsgesellschaft. „Wer Beträge etwa im sechsstelligen Eurobereich hinterzogen hat, bekommt in einigen Bundesländern sogar eine Art ‚Einladung‘ zur Selbstanzeige“, weiß Offerhaus. Die Steuerfahnder informieren dann über ein Vorermittlungsverfahren. Wer sich offenbart, zahlt – wie bei der Selbstanzeige Usus – die angefallenen Steuern nebst Überziehungs­zins und Bußgeld nach.

Als Faustregel für die Abgeltungsteuer gilt: Wer lediglich Zinsen und Dividenden nicht deklariert hat, für den rechnet sich meist die Selbstanzeige. Wer sein Vermögen schon seit Jahrzehnten in der Schweiz liegen hat, wobei es sich zudem um eine nicht deklarierte Erbschaft oder Schenkung handelt, wird bei der Selbstanzeige kräftig zur Kasse gebeten. Bei Schenkungen etwa bekommt der Staat im schlimmsten Fall die Hälfte der Summe.

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Also abwarten? Für Tom Offerhaus ist das der schlechteste Rat. „Es ist sinnvoller, reinen Tisch zu machen“, sagt er. Denn die Steuerfahnder werden auch nach 2013 nicht ruhen. Immerhin gestattet ihnen das Abkommen mit der Schweiz jährlich 500 Anfragen. Wer dann nachträglich auffliegt, bei dem wird ganz genau geprüft, etwa wenn der Verdacht besteht, dass das einst in der Schweiz geparkte Geld Schwarzgeld war. „Ich glaube sogar, dass Deutschland nach 2013 die Selbstanzeige mehr oder weniger abschaffen wird“, sagt der Autor Hans-Lothar Merten, ein intimer Kenner von Steueroasen. Ebenfalls interessant: Die Kosten für eine Selbstanzeige konnten vor 2009 noch abgesetzt werden. Da mit der Abgeltungsteuer in Deutschland der Werbungskostenabzug weggefallen ist, geht das nun nicht mehr.

Die Schweizer Banken versuchen indes, das Geld mit allen Mitteln im Land zu halten. So können Deutsche bei einigen Häusern keine größeren Summen mehr abheben. Einige Banken haben inzwischen Niederlassungen in Singapur eröffnet. Denn das Abkommen mit Deutschland greift nur bei Schweizer Zahlstellen.

In Liechtenstein sind es die Treuhänder der über 40.000 Stiftungen, die das Weite suchen. „Viele verlagern die Stiftungen nach Panama, wo sich noch niemand darum schert, wer hinter der Stiftung steckt“, sagt Merten. Das Fürstentum unterstützt deutsche Steuerfahnder seit 2009, sofern sie einen Namen und eine Konto­nummer nennen können. Das Bankgeheimnis ist hier also passé.

Aber damit nicht genug. Neu ist, dass der deutsche Staat jetzt auch zum Beispiel ein Konto in Liechtenstein wegen Steuerrückständen vollstrecken darf. Bisher galt das Fürs­tentum als „Vollstreckungswüste“, erklärt Thomas Olbing, Steuerrechtler beim Deutschen Anwaltverein. Auch vermögensverwaltende Holdings und Familienstiftungen werden neu besteuert – allerdings nur minimal höher. Bis jetzt zahlten diese in Liechtenstein lediglich eine Steuer in Höhe von 1.000 Schweizer Franken im Jahr. Ab 2013 werden 1.200 Schweizer Franken fällig. Wer ganz legal die Vorteile des liechtensteinischen Steuersystems mit seinem Spitzensteuersatz von gerade einmal 21 Prozent nutzen will, müsste seinen Hauptwohnsitz ins Fürstentum verlegen und dürfte in Deutschland allenfalls einen Zweitwohnsitz behalten. Dieser Schachzug funktioniert nur bei solchen Ländern, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen hat.

Noch ist unklar, wie die Stiftungen vom deutschen Fiskus behandelt werden. Die wichtigste Frage lautet: Welche Position hat der Stifter inne? Hat er das Sagen, wird die Stiftung wie ein Depot behandelt. Das heißt, der Stifter muss die Erträge per­sönlich versteuern. Ist er nur der Begünstigte und hat keinen Einfluss auf die Arbeit der Stiftung, gilt die Stiftung als steuerlich intransparent. „In diesem Fall gilt die Dotierung als Schenkung und kann erhebliche Schenkungsteuern auslösen“, warnt Offerhaus.

Am Ende muss jeder Steuersünder selbst entscheiden, welchen Weg er wählt. Fakt ist: Verschuldete Staaten werden bei der Suche nach hinterzogenen Steuern immer energischer – und die Steueroasen kooperationsbereiter.