Schufa: Erschreckende Selbsterkenntnis
Die Schufa hat die Finanzdaten von Millionen von Bürgern gespeichert. Doch viele Fakten der Auskunftei sind veraltet oder falsch.
von Claudia Marwede-Dengg, Euro am Sonntag
Einmal jährlich können Verbraucher von der Schufa eine kostenfreie schriftliche Auskunft über ihre Daten verlangen. Doch wer wissen will, was die Schufa über ihn gespeichert hat, muss einen digitalen Hürdenlauf hinter sich bringen, wie unser Selbsttest zeigt.
Das erste Hindernis befindet sich auf der Internetseite meineschufa.de. Der Menüpunkt „Unentgeltliche Selbstauskunft“ ist gut versteckt. Er verbirgt sich in der Rubrik „Produkte“. Über das Feld „Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz“ gelangt der Interessierte auf eine weitere Auswahl. Dort kann man zwar die Datenübersicht bestellen, doch Vorsicht: Optisch hervorgehoben in Blau ist nur die kostenpflichtige (!) Bonitätsauskunft für 18,50 Euro. Der Button für die Gratisauskunft ist dagegen in unscheinbarem Grau gehalten. Das Antragsformular muss heruntergeladen, ausgefüllt und zusammen mit einer Kopie des Personalausweises per Post an die
Schufa Holding AG, Postfach 61 04 10, 10927 Berlin, geschickt werden.
Dann beginnt das Warten.
Die Auskunftei ist stolz auf ihr „Datenuniversum“: Rund 66 Millionen Personen hat sie nach eigenen Angaben dort gelistet. Jeder Datensatz enthält neben der Kundennummer Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum und -ort sowie die aktuelle und eine frühere Adresse. Alles in allem summieren sich die Angaben auf mehr als 460 Millionen Informationen.
Die schiere Datenmenge sagt jedoch noch nichts über ihre Qualität aus. Eine Stichprobe der Stiftung Warentest vom Sommer dieses Jahres ließ eher Zweifel aufkommen: Danach waren rund 37 Millionen Datensätze veraltet und 4,6 Millionen sogar schlichtweg falsch. Es lohnt sich also, einen genauen Blick auf seine persönlichen Daten zu werfen.
Den Weg dazu machte im April 2010 eine Änderung im Bundesdatenschutzgesetz frei. „Seitdem haben 700.000 Verbraucher eine schriftliche Auskunft angefordert“, sagt Schufa-Sprecher Andreas Lehmann. Darüber hinaus nutzen 850.000 Menschen die Seite meineschufa.de. Sie bietet rund um die Uhr Zugriff auf die eigenen Schufa-Daten. Außerdem können sich Privatpersonen nun auch über ihr Scoring informieren. Score-Werte sind eine Prognose für die Zukunft, ob ein Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen vertragsgemäß nachkommen wird. Unternehmen nutzen diese Daten ständig: Ob beim Ratenkredit für die neuen Möbel, dem neuen Handyvertrag oder der Bestellung im Internet, stets spielt das Scoring eine Rolle.
Neun Tage, nachdem der Testantrag in die Post gegangen ist, liegt ein fünfseitiges Schreiben der Schufa im Briefkasten. Auf der ersten Seite befindet sich neben der Schufa-Kundennummer und den persönlichen Daten der Hinweis, dass unzutreffende Einträge „in Abstimmung mit dem einmeldenden Vertragspartner“ geprüft würden. Im Klartext: Beschwerde erwünscht. Die eigentlichen Schufa-Daten stehen auf der nächsten Seite: Bankverbindungen, laufende Kredite, alles fein säuberlich aufgelistet mit dem Datum der Einrichtung respektive dem Beginn der Laufzeit. Die wichtigste Information ist jedoch der ermittelte Basis-Score – also die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde den Kredit auch tatsächlich zurückzahlt.
Ein Score-Wert von 90 Prozent sagt aus, dass nach statistischen Erkenntnissen 90 von 100 Personen dieser Gruppe zuverlässig zahlen würden. Wer in die oberste Kategorie „besser als 97,5 Prozent“ fällt, kann sich freuen, denn dieser Wert bedeutet in Schufa-Deutsch: „sehr geringes Risiko“. Die Stufe darunter im Bereich bis mindestens 95 Prozent signalisiert „geringes bis überschaubares Risiko“, bis mindestens 90 Prozent folgt die Kategorie „zufriedenstellendes bis erhöhtes Risiko“. Je tiefer der Prozentsatz, desto unzuverlässiger der Schuldner. Unterhalb der Marke von 50 Prozent wird das Risiko „sehr kritisch“. Immerhin zahlt in dieser Gruppe rein statistisch jeder Zweite seine Schulden nicht zurück. Was das Papier verheimlicht: Bereits ab einem Wert von weniger als 90 Prozent wird es bei Neuverträgen, ganz gleich ob Handy, Kredit oder Konto, schwer.
Die detaillierten Angaben zum Thema Score-Wert sind auf einem eigenen Blatt zusammengefasst. Der erste Punkt enthält alle Anfragen von Unternehmen innerhalb des vergangenen Jahres. Punkt 2 listet die aktuellen Wahrscheinlichkeitswerte auf, die je nach Branche und Geschäftsart unterschiedlich sein können: Beim Selbsttest bewegten sich diese zwischen 98,96 Prozent bei Telekomunternehmen und 99,56 Prozent bei Auskünften an den Versandhandel. Daneben finden sich auch Angaben, ob die Anschrift des Kunden in dessen Score-Berechnung einbezogen wurde. Im dritten Punkt ist – recht unspektakulär – die Nummer des eigenen Festnetzanschlusses zu lesen.
Ist der Verbraucher mit diesen Angaben für Firmen ein offenes Buch, so kann er den Spieß umdrehen: Mit der Unternehmensauskunft der Schufa haben auch Privatpersonen die Möglichkeit, sich ein Bild von der Bonität ihres Geschäftspartners zu machen – nicht ganz unwichtig für Bauherren oder vor einem Jobwechsel in ein anderes Unternehmen. Die Information ist online für registrierte Nutzer des Internetportals meineschufa.de zugänglich und kostet pro Auskunft 28,50 Euro. Dazu kommen einmalig 18,50 Euro für die Registrierung.