Widerrufsjoker - wie die Rechtsschutzversicherung ÖRAG / Bavaria Direkt sich vor einer Deckungszusage drückt
Beim Widerruf eines Baudarlehens können Verbraucher unter gewissen Umständen die Hilfe einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen.
Das bedeutet: Ist die finanzierte Immobilie kein Neubau und auch nicht vermietet, dann muss die Rechtsschutzversicherung für die Kosten des Rechtsstreits (Anwalt, Gerichtskosten) im Rahmen des Widerrufsjoker aufkommen.
Die Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) unterstützt private Verbraucher beim Widerruf von Immobilienkrediten und Lebensversicherungen. Wir haben bisher den Abschluss einer privaten Rechtsschutz beispielsweise bei der ÖRAG (bzw. deren Onlinevertrieb Bavaria Direkt) empfohlen, damit Kreditnehmer einen Rechtsstreit rund um dem Widerrufsjoker ohne Kostenrisiko umsetzen können.
Es ist möglich, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, bevor der Widerruf des Immobilienkredits erklärt wird. Hintergrund ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH), das klarstellt, dass der relevante Schadensfall erst dann eintritt, wenn das Kreditinstitut den Widerruf des Kunden ablehnt. Damit steht fest: die Rechtsschutzversicherung muss nicht bereits zu dem Zeitpunkt bestanden haben, zu dem der Kunde den Immobilienkredit abgeschlossen hat.
Bisher hat sich die ÖRAG auch vollkommen korrekt gemäß dieser Regelung verhalten und Deckungszusagen problemlos erteilt, auch wenn die Rechtsschutzversicherung erst wenige Wochen oder gar Tage alt war. Nun aber scheint die Zahl der Schadensfälle der ÖRAG zu viel zu werden. Denn wie uns mehrere Nutzer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) berichten, lehnt die ÖRAG seit einigen Tagen die Deckungszusage bei Widerrufsjoker-Fällen ab. Sie begründet das damit, dass die Rechtsschutzversicherung noch nicht zu dem Zeitpunkt bestanden hat, als der Darlehensvertrag abgeschlossen wurde.
Um es deutlich zu sagen: Diese Argumentation ist Unsinn. Das wissen höchstwahrscheinlich auch die Experten der ÖRAG, denn schließlich haben sie sich bis vor kurzer Zeit noch völlig anders verhalten und richtigerweise Deckungszusage erteilt, auch wenn die Rechtschutzversicherung erst wenige Tage vor dem Widerruf der Baufinanzierung abgeschlossen worden war. Offenbar handelt es sich hier um den Versuch, sich vor den (zugegebenermaßen nicht gerade niedrigen) Kosten, die für eine Rechtsschutzversicherung mit einem Widerrufsjoker-Fall verbunden sind, zu drücken.
Als Kunde der ÖRAG sollten Sie sich von diesem Vorgehen nicht einschüchtern lassen. Es ist relativ klar, dass die Versicherung hier letztlich die Kosten übernehmen muss. Wichtig ist aber, dass sie nicht versuchen, die Verhandlungen über eine Deckungszusage mit der Rechtsschutzversicherung selbst zu führen. Überlassen Sie das bitte ihrem Anwalt! Die Partneranwälte der IG Widerruf (www.widerruf.info) übernehmen das Einholen der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung in der Regel als kostenlosen Service. Als Experten lassen sich unsere Anwälte von den Rechtsschutzversicherungen auch nicht so einfach ins Bockshorn jagen. In nahezu allen Fällen ist es uns daher gelungen, eine Deckungszusage zu bekommen - auch wenn sich die Rechtschutzversicherungen zunächst geweigert haben.
Für Darlehen, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden und für die der Widerruf bislang noch nicht ausgesprochen wurde, bleibt der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, wie ich ihn in diesem Beitrag beschrieben habe, auch weiterhin eine attraktive und sinnvolle Lösung. Voraussetzung ist, dass die finanzierte Immobilie die Voraussetzungen erfüllt (kein Neubau, keine Vermietung) und dass die Widerrufsbelehrung im Rahmen einer anwaltlichen Prüfung als fehlerhaft eingeschätzt wurde. Es ist zwar in der Praxis etwas schwieriger geworden, eine Deckungszusage zu erhalten. Letztlich sind wir aber überzeugt davon, dass die Rechtsschutzversicherungen die Kosten übernehmen müssen.
Lassen Sie sich also von dem zickigen Verhalten einiger Rechtsschutzversicherung nicht davon abhalten, ihr gutes Recht mit dem Widerrufsjoker in Anspruch zu nehmen. Für den Widerruf kommen derzeit noch Baufinanzierungen infrage, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden. Auch in diesen Verträgen finden sich noch zahlreiche Fehler, die die Kredite angreifbar machen und Immobilienbesitzer zu einer Ersparnis von vielen Tausend Euro verhelfen können.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch "Wirtschaftliche Selbstverteidigung". Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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