Nachgehakt bei

Zinsexperte Herbst: Wir sind noch viel zu verwöhnt

14.07.13 03:00 Uhr

Der Zinsexperte Max Herbst erklärt, warum trotz jüngster Steigerungen Baugeld weiter verhältnismäßig billig bleiben wird.

von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag

In den vergangenen Wochen haben sich die Zinsen von Baudarlehen so stark verteuert wie seit Monaten nicht. Viele Immobilienkäufer fragen sich, ob die Zeiten extrem günstiger Baukredite vorbei sind? Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung, beobachtet Kreditzinsen seit den 1990ern. Er glaubt nicht, dass die Zinsen rapide steigen.

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€uro am Sonntag: Herr Herbst, die Zinsen für Baudarlehen steigen, und Sie glauben nicht an eine Zinswende. Wie kommt das?
Max Herbst:
Wenn Sie die Umlaufrendite und andere Indikatoren betrachten, sehen Sie eher das Gegenteil. Es geht wieder leicht zurück. Zudem ist der Wettbewerb unter den Anbietern hart. Wer jetzt kauft oder baut, kann immer noch günstig finanzieren.

Aber woher kam denn der Anstieg?
Einerseits haben große Investoren viel Geld von Pfandbriefen und Anleihen hin zu Aktien bewegt, um auch noch etwas vom Börsenboom der vergangenen Wochen mitzubekommen. Auf der anderen Seite beobachte ich seit Jahren, dass im Sommer die Baugeldzinsen steigen, vielleicht weil die Banken viele Verträge abarbeiten müssen und viele Mit­arbeiter im Urlaub sind. Da macht man sich künstlich unattraktiv.

Das klingt aber ganz danach, als würden Sie zumindest mit kleineren Zinssprüngen rechnen.
Ja, natürlich. Wir sind schließlich viel zu verwöhnt.

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Warum?
Weil wir im Frühjahr so etwas wie einen Ausnahmezustand hatten: Die Zypern-Krise hat viele Investoren verunsichert, sodass sie in Staats­anleihen und Pfandbriefe geflüchtet sind. Das hat die Baugeldzinsen auf ein Rekordtief gedrückt. Durch die Steigerungen der vergangenen beiden Wochen wurde gerade einmal das Niveau von Juli 2012 erreicht.

Damals haben sich viele gefragt, wie tief die Zinsen noch sinken können. Wie sollten sich Immobilienbesitzer verhalten, die bald eine Anschlussfinanzierung brauchen?
Die Aufschläge für Forward-Darlehen, bei denen man sich den Zins von heute für ein bis fünf Jahre im Voraus sichert, sind in den vergangenen Wochen leicht gefallen.

Also abwarten?
Ja und nein. Forward-Darlehen sind auch eine psychologische Sache. Wer warten kann und die Zinssätze im Auge behalten will, sollte warten. Wer die Sache vom Tisch haben will, sollte abschließen. Dazu kommt, dass bei der Anschlussfinanzierung wesentlich höher getilgt wird.

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Das bedeutet?
Die Höhe des Zinses verliert etwas an Wichtigkeit.

Der EZB-Leitzins und der Euribor bewegen sind seit Monaten kaum. Sind variable Darlehen, die an einen dieser Referenzsätze gekoppelt sind, eine Alternative zu Krediten mit fester Zinsbindung?
Unbedingt. Ich rate jedem, der ein hohes Einkommen hat, zu einem variablen Darlehen. Hier liegen gute Zinsen um die zwei Prozent bei absoluter Flexibilität. Und es spricht wenig dafür, dass der Euribor oder der Leitzins schnell steigen wird.

Die Baugeldzinsen haben offenbar einen Boden gefunden. Was aber ist mit den Sparzinsen? Werden die auch weiter sinken?
Davon müssen Sie ausgehen. Die Zeiten, in denen etwa der durchschnittliche Tagesgeldzins über dem Leitzins der Europäischen Zentralbank lag, nähern sich dem Ende.