"Wir kaufen alle Policen"
In den Lebensversicherungs-Zweitmarkt kommt mit zusätzlichen Anbietern neuer Schwung. Marcus Simon, Vorstand des Policen-Aufkäufers Winninger, zu den aktuellen Entwicklungen.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Euro am Sonntag: Warum trennen sich Kunden vor Ende der Vertragslaufzeit überhaupt von gut verzinsten Kapitallebensversicherungen?
Marcus Simon: Gründe dafür sind vor allem überraschend geänderte Lebensumstände und ein damit verbundener akuter Geldbedarf - etwa bei Scheidungen, Arbeitslosigkeit und wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
Um welche Größenordnungen geht es beim Handel mit gebrauchten Policen?
Im vergangenen Jahr haben Versicherungsgesellschaften ihren Kunden 13 Milliarden Euro für vorzeitig beendete Verträge ausgezahlt. Demgegenüber wurden nur für etwa 175 Millionen Euro Verträge an Unternehmen wie Winninger verkauft. Das zeigt, dass vielen Versicherungsnehmern die Möglichkeit des Verkaufs an Dritte nach wie vor unbekannt ist. Die Einführung einer gesetzlichen Informationspflicht hat die Versicherungs-Lobby bisher verhindert.
Sind Policen-Aufkäufer für veräußerungswillige Interessenten eine echte Alternative?
Wir bieten Verkaufs-Interessenten zwei bis fünf Prozent Aufschlag auf den Rückkaufswert ihrer Police. Wir gehen davon aus, dass alle Versicherer in der Lage sein werden, ihre Garantien zu erfüllen. Daher differenzieren wir im Ankauf nicht zwischen den einzelnen Anbietern und kaufen alle Policen, die unsere wenigen Ankaufskriterien erfüllen.
Wann sehen die Lebensversicherungs-Kunden ihr Geld?
Wegen unseres weitgehend online-basierten Geschäftsprozesses können sie nach etwa vier bis sechs Wochen mit der Auszahlung rechnen. Nach Eingabe seiner Daten bekommt der Kunde unmittelbar ein verbindliches Vertragsangebot, dass er in Ruhe prüfen und innerhalb von 14 Tagen annehmen kann. Dafür muss er uns nur die unterschriebenen Verträge und seinen Original-Versicherungsschein zusenden. Die weitere Abwicklung findet in der Regel elektronisch statt.
Gibt es vertragliche Einschränkungen?
Die Lebensversicherung sollte einen Mindestrückkaufswert von 10000 Euro und eine Restlaufzeit von drei Jahren oder mehr aufweisen. Derzeit kaufen wir nur deutsche Kapitallebens- und Rentenversicherungen. Für Direktversicherungen, fondsgebundene Lebensversicherungen sowie Riester- und Rürup-Verträge können wir keine Angebote machen.
Könnten bald weitere Lebensversicherungs-Märkte dazu kommen?
Die Ausdehnung unserer Kauf-Angebote nach Österreich ist naheliegend, die Schweiz hat dagegen bei Lebensversicherungen andere Tarif-Systeme. Grundsätzlich nicht in Frage kommen die Policen-Märkte Großbritannien und USA.
Wie rechnet sich das Geschäftsmodell für Policen-Aufkäufer?
Da die Fremdfinanzierungskosten gering sind, ist die Rendite für Policen-Käufer attraktiv. Die Zinsmarge ist ähnlich hoch wie auf dem bisherigen Höhepunkt in den Jahren 2006 und 2007. Damals wurden Policen im Volumen von 1,1 bzw. 1,4 Milliarden Euro jährlich gekauft.
Warum kam es danach zum Geschäftseinbruch?
Die Finanzkrise hat den Modell-Rechnungen der Investoren den Boden entzogen. Die stark rückläufigen Erträge der angekauften Policen reichten kaum mehr aus, um die fälligen Kreditzinsen zu bedienen. Dazu kam eine lang andauernde Unsicherheit, wie die stillen Reserven in den Verträgen behandelt werden. Bis zum Lebensversicherungsreformgesetz 2014 mussten Versicherer diese in einem deutlich höheren Maß als heute an ausscheidende Kunden ausschütten - das machte die Preiskalkulation für Policen-Käufer sehr schwierig. Unter dem Strich war dadurch eine ganze Kundengeneration für den Lebensversicherungs-Zweitmarkt verloren.
Setzen Sie bei der Wiederbelebung des Marktes auch auf Versicherungsvermittler?
Wir setzen künftig mit unserer hohen Ankaufsquote und der schnelleren Abwicklung stark auf die Initiative von Vermittlern. Obwohl sie auch an einem Verkauf verdienen können, haben diese aber Policen-Käufer in der Vergangenheit häufig kritisch gesehen. Gründe dafür waren, dass bis 2014 nur geringer Anteil der angebotenen Versicherungen tatsächlich verkäuflich und der Auszahlungsprozess oft langwierig war.
Zur Person: Marcus Simon ist Allein-Vorstand des neu gegründeten Anbieters Winninger, der dieses Jahr in der Unternehmensgruppe Policen im Volumen von bis zu 40 Millionen Euro ankaufen wird. Zuvor war er Finanzvorstand der börsennotierten cash.life AG.
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