Kasse, wechsel’ dich - Worauf es ankommt
Wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag fordert, müssen die Versicherten sich nicht einfach mit abfinden. Welche Wechselmöglichkeiten es gibt.
von Claudia Marwede-Dengg, Euro am Sonntag
Die wenigsten gesetzlich Krankenversicherten dürften sich so über Post von ihrer Kasse gefreut haben wie die Mitglieder der hkk. Sie erhalten für 2009 eine Bonuszahlung über 60 Euro und die gute Nachricht, dass sie auch im kommenden Jahr mit einer Rückzahlung in gleicher Höhe rechnen dürfen. Die hhk ist damit eine der wenigen Kassen mit Rückerstattung.
Viele andere GKV-Mitglieder sind da wesentlich schlechter dran und müssen jetzt für ihre Krankenversicherung tiefer in die Tasche greifen: Weil ihre Kasse mit den Beiträgen, die sie aus dem Gesundheitsfonds erhält, nicht auskommt, zahlen sie einen Zusatzbeitrag. Und die Zahl der Betroffenen, da sind sich die Experten einig, dürfte im Laufe des Jahres noch steigen.
Doch nirgendwo steht geschrieben, dass die Versicherten den Zusatzbeitrag einfach schlucken müssen. Denn wenn eine Kasse mehr Geld fordert, gilt ein Sonderkündigungsrecht. Die Arbeitnehmer können dann nicht erst nach einer Mindestmitgliedschaft von 18 Monaten, sondern sofort kündigen und wechseln. Das gleiche gilt, wenn die Kasse einen bereits erhobenen Zusatzbeitrag erhöht oder wenn eine Rückerstattung reduziert beziehungsweise ganz einstellt.
Beim Sonderkündigungsrecht gilt allerdings auch der Grundsatz „Keine Regel ohne Ausnahme“. Versicherte, die einen Wahltarif abgeschlossen haben, sind in jedem Fall für drei Jahre an ihre Kasse gebunden: Sie haben kein Sonderkündigungsrecht, wenn ein Zusatzbeitrag erhoben wird. Auf das Sonderkündigungsrecht muss die Kasse spätestens einen Monat vor der erstmaligen Fälligkeit des Zusatzbeitrags schriftlich hinweisen. Versäumt sie das, verlängert sich automatisch die Kündigungsfrist – wie bei der ordentlichen Kündigung sind das in der Regel zwei Monate zum Monatsende.
Das Sonderkündigungsrecht gilt bis zu dem Zeitpunkt, an dem die neue Vertragslage erstmals eintritt – das heißt, wenn der Zusatzbeitrag erstmals fällig wird, wenn er erhöht wird, oder wenn die bisherige Erstattung reduziert beziehungsweise beendet wird. Spätestens dann muss der Versicherte gekündigt haben.
Ganz wichtig ist der feine Unterschied zwischen Erhebungszeitpunkt und Fälligkeit: Die Kasse kann bestimmen, wann – monatlich, vierteljährlich oder einmal im Jahr – der Zusatzbeitrag fällig ist und bezahlt werden muss. Dieser Termin ist unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem der zum Zusatzbeitrag ersten Mal erhoben wird. Eine Kasse kann den Zusatzbeitrag auch rückwirkend einführen, vorausgesetzt, sie hat dafür grünes Licht von ihrer Aufsichtsbehörde gekommen. So oder so gilt jedoch: Wer gekündigt hat, muss den neuen Beitrag nicht zahlen.
Wer die Frist für die außerordentliche Kündigung trotz allem versäumt, bleibt nicht auf immer und ewig seiner Kasse verpflichtet. Er kann nach 18 Monaten ordentlich kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende. Wer also beispielsweise bis Ende dieses Monats kündigt, kann ab Juni zu einer andern Kasse wechseln. Die Kündigung muss in jedem Fall schriftlich erfolgen. Auf der sicheren Seite sind nach den Empfehlungen der Verbraucherschützer diejenigen, die das Kündigungsschreiben persönlich – gegen eine entsprechende schriftliche – Bestätigung abgegeben oder per Einschreiben mit Rückschein schicken. Alternativ ist auch die Übermittlung per Fax möglich. Die Kasse kann die Kündigung nicht hinauszögern, sondern ist verpflichtet, diese innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des Kündigungsschreibens zu bestätigen. Ohne diese Bestätigung ist der Wechsel zu einer neuen Kasse nicht möglich.
Wem der Wechsel zu einem anderen Versicherer zu kompliziert ist, sollte zumindest prüfen, ob er nicht bei seiner bisherigen Kasse in einen anderen günstigeren Tarif wechselt. Seit 2007 können die Kassen beispielsweise so genannte Wahltarife anbieten, die den gesetzlich vorgeschriebenen GKV-Leistungsumfang mit zusätzlichen Komponenten bündeln. Diese Wahltarife gibt es zum Beispiel mit einem Selbstbehalt, mit einer Prämie bei Leistungsfreiheit, mit Kostenerstattung oder auch für Selbständige und Freiberufler mit der ausschließlichen Komponente Krankengeld.
Welche Möglichkeiten gibt es nun beim Kassenwechsel? Das hängt ganz vom Status des einzelnen Versicherten ab. Pflichtversicherte, also alle Angestellten, die mit ihrem sozialversicherungspflichtigen Brutto einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie weiterer regelmäßiger Zahlungen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze von 4162,50 Euro pro Monat beziehungsweise unter 49950 pro Jahr liegen, haben nur eine die Möglichkeit: Sie können innerhalb des GKV-Systems wechseln.
Für freiwillig Versicherte beschränkt sich dagegen der Wechsel der Kasse nicht auf die Welt der Gesetzlichen Krankenversicherung. Zu dieser Kategorie zählen diejenigen, die mit ihren Bruttobezügen über der Pflichtversicherungsgrenze liegen. Wer im Jahr 2007 auf mindestens 47700 Euro, 2008 auf mindestens 48100 Euro und im vergangenen Jahr auf mindestens 48600 Euro kam, kann alternativ auch zu einem privaten Krankenversicherer wechsel, denn er erfüllt die dreijährige Wartezeit. Die hatte die Große Koalition im Rahmen der Gesundheitsreform 2007 eingeführt. Vorher reichte es für den Wechsel, in einem Jahr über der Pflichtgrenze zu liegen.
In Zukunft könnte der Wechsel von der GKV-Welt in die Welt der privaten Kassen wieder einfacher werden. Der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb sieht beim Thema Gesundheit unter anderem vor, die geltende Versicherungspflichtgrenze auf die Beitragsbemessungsgrenze abzusenken. Die Beitragsmessungsgrenze legt fest, bis zu welchem Betrag vom Einkommen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung berechnet und abgeführt werden. Wenn die Absenkung kommt, könnten Angestellte bereits ab einem monatlichen Brutto von 3750 Euro beziehungsweise einem Jahres-Brutto von 45000 Euro zu einer privaten Krankenkasse wechseln. Außerdem soll die geltende Drei-Jahres-Wartefrist wieder wie früher auf ein Jahr reduziert werden.