Kopf der Woche

Janet Yellen: Die Herrin des Geldes

14.10.13 03:00 Uhr

Sie wird die erste Frau an der Spitze der US-Notenbank Fed. Wie tickt die künftig mächtigste Geldpolitikerin der Welt? Was bedeutet ihre Nominierung für die Finanzmärkte?

von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Ende August in Jackson Hole. Leise und sachlich, wie es ihre Art ist, leitet Janet Yellen die Diskussionen. Die wichtigsten Geldpolitiker der Welt lauschen der kleinen Person mit dem auffällig leuchtenden schlohweißen Pagenkopf. Der Grund: Eigentlich hält der Vorsitzende der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve im Sommer immer höchstpersönlich die Auftaktrede bei dem Gipfeltreffen der Banker. Doch Ben Bernanke schickt seine Stellvertreterin. Für viele Beobachter schon damals ein wichtiges Indiz: Präsident Barack Obama wird die 67-Jährige als Nachfolgerin nominieren.

Und seit Donnerstag ist es fix. Wenn Yellen im Februar 2014 das Zepter von Bernanke übernimmt, wird sie in der 100-jährigen Geschichte der US-Notenbank die erste Frau an der Spitze sein. Angesichts der Bedeutung der Fed wird sie zugleich zur mächtigsten Frau der Welt. Wer ist sie?
Janet Yellen gilt als vorsichtig. Ihre peinlich genau vorbereitete Auftakt­rede von Jackson Hole verliest sie Wort für Wort vom Blatt. Sie hat den Ruf, Stunden zu früh an Flughäfen anzukommen, um auf alle Fälle pünktlich zu sein. Sie gilt als menschliche Ökonomin - als eine, die hinter den Zahlen auch die Schicksale wahrnimmt. Für sie ist das Ziel der Vollbeschäftigung genauso ernst wie das des stabilen Geldwerts.

Die Ökonomin gilt als "Dove", als "Taube". Sie verficht zur Stärkung der Konjunktur eine lockere Geldpolitik. Doch eine Reduktion auf eine Frau, die im Zweifel Geld einfach druckt, wird ihr nicht gerecht.
Yellen ist eine herausragende Analytikerin der Wirtschaftslage. Sie warnte bereits 2005 vor einer Kreditblase am Immobilienmarkt und sorgte sich in den folgenden zwei Jahren um die geringere Sparquote der Amerikaner, die niedrigen langfristigen Anleihezinsen und die Rekordpreise für Immobilien. Eine andere Geldpolitik schlug sie allerdings nicht vor.

Die künftige Notenbankchefin stammt aus Bay Ridge, einem Mittelschichtviertel im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Ihr Vater war Arzt, ihre Mutter Lehrerin, die den Job aufgab, um sich um ihre Kinder Janet und John zu kümmern.

Schon in der Highschool fiel Yellen durch ihre Intelligenz auf: "Yellen ist kerzengerade, damals genau wie heute", sagt ihr früherer Klassen­kamerad, Charles Saydah. "Sie war ganz offensichtlich die Schlaueste in unserer Klasse - es kam ihr noch nicht einmal jemand nahe."

Der makellose Lebenslauf
Yellen studierte am Pembroke College für Frauen der renommierten Brown University. Sie hatte sich nach einer Vorlesung von James Tobin, der später den Nobelpreis erhalten sollte, für die Studienrichtung entschieden: "Tobins strenger Sinn für Moral und soziale Verantwortung beeindruckten mich", erinnerte sich Yellen 2012 gegenüber Reuters. ­Tobin wurde später Yellens Doktor­vater und Mentor.

Nach ihrer Dissertation lehrte Yellen zunächst in Harvard und wurde dann von der Fed abgeworben. Doch sie blieb nicht lange, denn hier lernte sie beim Mittagessen ihren Mann kennen, den Ökonomen George Akerlof, der später den Wirtschafts­nobelpreis erhielt. Die beiden verliebten sich und heirateten rasch, damit Yellen ihm nach London folgen konnte, wo er eine Professur an der School of Economics innehatte.

Später zogen beide nach Kalifornien, wo Yellen ab 1980 in Berkeley lehrte. 1994 berief Bill Clinton sie zur Notenbankgouverneurin in San Francisco, 1997 zu seiner persön­lichen Wirtschaftsberaterin. Seit 2010 ist Yellen die Stellvertreterin von Bernanke.

Yellen ist der Kopf hinter der drastisch veränderten Informationspolitik der Fed: "Die Zeiten von ‚niemals erklären, niemals entschuldigen‘ sind vorbei", erklärte Yellen im ­April vor einer Versammlung von Jour­nalisten.

Die entscheidende Waffe
Hatte der frühere Fed-Chef Greenspan zum Ziel, möglichst schwer verständliche, verklausulierte Äußerungen von sich zu geben, über die der Markt ­rätseln musste, besticht Ber­nanke durch klare Worte und das gezielte Management der Markterwartungen. Das ist auch Yellens Verdienst. Als Chefin des Kommunikationskomitees der Fed setzte sie größere Transparenz durch - wie im Januar 2012, als ein explizites Inflationsziel von zwei Prozent und ein Ziel für die Arbeitslosenquote von 5,2 bis 6,0 Prozent festgelegt wurde.

Beobachter erwarten, dass die Fed mit Yellen an der Spitze noch aggressiver kommunizieren wird. "Ich halte es für noch wichtiger, klar zu erklären, wenn die Zeit für erste Zinserhöhungen näher rückt", sagte Yellen im April.

Gerade aktuell, wo die Zinsen bereits extrem niedrig stehen und mit QE3 weiter künstliche Liquidität am Markt erzeugt wird, bleibt die Kommunikation eine wichtige Waffe zur Beeinflussung von Börsen und Stimmung in der Wirtschaft.

Den Hang zu Transparenz und Offenheit lebt sie auch im Alltag. Als sie 1994 zu einem der zwölf Gouverneure in den Aufsichtsrat der Federal Reserve berufen wurde, galt es als unziemlich, dass die Gouverneure mit den Angestellten in der Kantine aßen. Yellen scherte sich nicht darum und speiste regelmäßig mit ihren Untergebenen zu Mittag. "Ein bisschen ungewöhnlich ist das schon, weil die Fed ein relativ hierarchischer Ort ist", gestand Yellen damals einem Reporter. "Ich weiß nicht, warum, aber ich funktioniere nicht so."

Yellens langjährige Erfahrung in der Geldpolitik könnte ihr helfen, Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden. Sie war bereits im Amt, als der damalige Notenbankchef Alan Greenspan die Zinsen in kurzer Folge von drei auf sechs Prozent anhob. Yellen hatte für einen Zinsschritt um nur 50 Basispunkte plädiert, weil sie sich sorgte, dass die Zinsen stärker steigen könnten, als die Fed vorhersagte. Doch Greenspan setzte sich mit einer Erhöhung um 75 Basispunkte durch - er fand "eine gelinde Überraschung" für die Märkte hilfreich. Die Episode ging als "Bond-Schock" in die Geschichte ein, löste binnen eines Monats die Pleite der kalifornischen Gemeinde Orange County aus und zwang die mexikanische Regierung, den Peso abzuwerten.

Das hat Yellen nachhaltig ge­prägt. Beobachter der Notenbank glauben, dass Yellen dahintersteckt, dass die Fed die Anleihekäufe in Höhe von 85 Milliarden Dollar im Monat vor zwei Wochen doch noch nicht zurückgefahren hat.
Yellen gilt unregulierten Märkten gegenüber als skeptischer eingestellt. Das ruft Feinde auf den Plan. Gerade die "Hawks", die "Falken", die eine straffe Geldpolitik fordern, sehen in Yellen die Verkörperung einer ausufernden Inflation.
Bob Janjuah, Chef der Geldanlage für die japanische Investmentbank Nomura, äußerte sich zur bevorstehenden Nominierung Yellens: "Ein Kunde sagte mir kürzlich, wenn Karl Marx die Weltherrschaft hätte, wäre Janet Yellen seine Notenbank­chefin."

zur Person:

Taube mit perfektem Lebenslauf
Die kommende Notenbankchefin der USA lehrte in Harvard, an der London School of Economics und in Berkeley. 1994 wurde sie zur Gouverneurin der Fed von San Francisco berufen, seit 2010 ist die 67-jährige Janet Yellen Vizechefin der Fed. Für zwei Jahre war sie Vorsitzende der Wirtschaftsberater des US-Präsidenten Bill Clinton. Sie gilt als Befürworterin einer lockeren Geldpolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, im Fachjargon "Taube". Yellen ist mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlof verheiratet und hat mit ihm einen erwachsenen Sohn.