Einführung der Finanztransaktionssteuer: Belastung für Kleinanleger?
Schon seit der Finanzkrise gibt es in Europa Diskussionen um die Wiedereinführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS). Nachdem in der Vergangenheit jedoch keine Einigkeit zu einer EU-weiten Steuer herrschte und Frankreich und Italien bereits eigenständig auf nationaler Ebene eine FTS etablierten, liegt nun ein neuer deutsch-französischer Vorschlag vor.
• Scholz will mit EU-Kollegen Finanztransaktionssteuer einführen
• Österreich lehnt vorliegende Pläne ab, Kritik auch innerhalb der Regierung
• IfW befürwortet prinzipiell Einführung der FTS - schlägt jedoch Änderungen vor
Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz arbeitet bereits seit Monaten gemeinsam mit seinen EU-Kollegen an der Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Nachdem Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bekanntgab, die Pläne von Scholz in der jetzigen Form weiterhin abzulehnen, geht der deutsche Finanzminister dennoch davon aus, dass sich ausreichend EU-Staaten finden lassen, die die Einführung der Finanztransaktionssteuer unterstützen.
Scholz-Vorschlag zur Finanztransaktionssteuer (FTS)
Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant die Einführung einer Steuer in Höhe von 0,2 Prozent auf Aktienkäufe. Ziel sei es, Einnahmen zur Finanzierung der Grundrente, die sich auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr belaufen sollen, zu generieren. Die Grundrente soll ab 2021 in Kraft treten. Die Abgabe soll nur bei Aktienkäufen nicht bei -verkäufen und auch nur bei Aktien großer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über einer Milliarde Euro fällig werden. Für die Steuer solle das Ausgabeprinzip gelten, so dass diese auch abgeführt würde, wenn im nicht-europäischen Ausland mit europäischen Aktien gehandelt werde. Derivate sollen von der Besteuerung ausgeschlossen sein, obwohl sie stark spekulative Finanzprodukte darstellen, auf die eine Finanztransaktionssteuer abzielen sollte.
Über die Einführung einer Steuer auf Finanzprodukte wird innerhalb der EU schon seit 2011 verhandelt. Aktuell versuchen zehn EU-Länder diese Pläne in einer verstärkten Zusammenarbeit umzusetzen. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Griechenland, Slowenien, die Slowakei und Österreich - wo man generell auch für die FTS sei, jedoch nicht in der Form, wie aktuell geplant. Neun Staaten seien für die Umsetzung der Pläne mindestens nötig. Sollte Österreich also aussteigen, dürfte kein weiterer Kandidat mehr abspringen. "Ich habe mit meinen Kollegen in Europa gesprochen - und ich habe neun zusammen, die ich brauche für eine verstärkte Zusammenarbeit", erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz noch Ende Februar.
Österreich: Kanzler Kurz lehnt Pläne in dieser Form ab
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sei generell auch für die Finanztransaktionssteuer - jedoch nicht in der Form in der sie der deutsche Finanzminister aktuell plant: "Was wir nicht unterstützen, ist die Besteuerung von Kleinsparern und Aktienbesitzern. Gerade in Zeiten der Niedrigzinspolitik, in denen die Sparer kaum noch etwas für ihr Geld bekommen, wäre das der falsche Weg", gibt Dow Jones Kurz wieder. Für die Einführung der Steuer sei er "vorausgesetzt, es werden wirklich Spekulanten und insbesondere diejenigen besteuert, die die letzte Finanzkrise verursacht haben". Den aktuellen Vorschlag werde man jedoch nicht unterstützen und zur Not auch aus der Arbeitsgruppe austreten, erklärte Österreichs Finanzminister Gernot Blümel.
Auch innerhalb der Regierung hierzulande zeigt man sich den Steuer-Plänen gegenüber skeptisch: Die Finanztransaktionssteuer treffe vor allem diejenigen, die versuchten, fürs Alter vorzusorgen und dass der Staat durch eine Finanztransaktionssteuer diese Altersvorsorge erschwere und gleichzeitig eine Grundrente einführe, sei ein Treppenwitz der Geschichte, gibt finanznachrichten.de den Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats Wolfgang Steiger wieder.
Zu Recht in der Kritik?
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ließ vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ein Gutachten zu Olaf Scholz' Plänen für die europäische Finanztransaktionssteuer erstellen. Obwohl das IfW die Einführung der Steuer prinzipiell befürwortet, kritisiert es das vorliegende Konzept: "Eine Steuer auf Aktienhandel ist international und historisch gesehen eher die Regel als die Ausnahme. Die Hälfte der G20-Länder erheben eine solche Steuer. Allerdings kommt es auf die genaue Ausgestaltung an. Das bislang vorliegende Konzept für eine EU-Finanztransaktionssteuer (FTS) steht zu Recht in der Kritik, unter anderem weil es Derivate und den außerbörslichen Handel außen vor lässt", erklärte Christoph Trebesch vom IfW Kiel. Durch den Ausschluss von Derivaten und dem außerbörslichen Handel würden ungewünschte Anreize zugunsten nicht regulierter Märkte und Finanzprodukte geschaffen werden und jeder diskriminiert werden, der auf klassische Börsenplätze setze. Zudem reduziere dies die Einnahmen deutlich, denn gerade Derivate machten über 80 Prozent der Finanztransaktionen in Deutschland und der Eurozone aus.
Positiv bewerten die Wissenschaftler dagegen, dass der Steuersatz von 0,2 Prozent sich innerhalb der internationalen Norm bewege, bei der nur begrenzte Marktverzerrung und Ausweichtendenzen zu erwarten seien. Auch die Erhebungskosten dürften mit 0,1 bis 0,2 Prozent gering ausfallen. Und auch die Sorge davor, dass vor allem Kleinanleger hierzulande von der Einführung der Finanztransaktionssteuer betroffen wären, erachtet das Institut als unbegründet. "Ein Großteil des Steueraufkommens in Deutschland würde von professionellen Investoren aus dem Ausland geleistet, da diese die meisten DAX-Aktien halten und handeln", verlautete Trebesch, unter dessen Federführung das Gutachten erstellt wurde.
Das Institut schlägt daher von Anfang an eine Ausweitung der Steuer auf den außerbörslichen Handel (OTC) und Derivate, zu einem deutlich geringeren Steuersatz von 0,01 bis 0,02 Prozent, und auf Anleihen vor. Ebenfalls sollte der Hochfrequenzhandel, nach Meinung der Wissenschaftler, mittelfristig miteinbezogen werden. Für die Umsetzung der FTS empfehlen die Experten des IfW ein zentralisiertes elektronisches Clearingsystem, bei dem die Steuer bei der Eigentumsübertragung automatisch an das Finanzamt abgeführt wird.
Neuer Anlauf Mitte März
Bundesfinanzminister Scholz setzt nun auf ein weiteres Treffen mit seinen Amtskollegen, um einen Kompromiss für die Finanztransaktionssteuer zu finden. "Ich glaube, ein weiteres Treffen auf Ministerebene würde uns helfen, einen gemeinsamen Kompromiss zu finden", schrieb Scholz in einem Brief, der Reuters vorliegt. Das Treffen sei für den 16. oder 17. März geplant.
Redaktion finanzen.net
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