Krankenkassen - Die Top 20 im Tariftest
Jede zehnte Krankenkasse erhebt mittlerweile Zusatzbeiträge. Der große Kassencheck vergleicht Leistungen und hilft beim Wechsel.
von Erhard Drengemann, €uro am Sonntag
Es reicht." Norbert Klusen, Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), will nicht länger Zahlmeister im "krankheitsorientierten Ausgleich" der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sein. Seit fast 20 Jahren gehöre die Kasse zu den größten Zahlern im brancheninternen Transfer. Er hat es satt, chronisch defizitären Kassen noch stärker unter die Arme zu greifen, nur weil diese nicht effizient wirtschaften können. Statt mit eigenen Anstrengungen auf die Beine zu kommen, fordern sie noch mehr Subventionen von wettbewerbsstarken Kassen wie der TK und Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern. Ein Teufelskreis.
Allein im ersten Halbjahr 2010 verlor etwa die DAK, die einen Zusatzbeitrag erhebt, über 300.000 Mitglieder. Die Techniker Krankenkasse gewann 2010 hingegen 340.000 neue Versicherte hinzu - so viel wie keine andere Kasse.
Das ist kein Einzelfall. Immer mehr Versicherte stimmen mit den Füßen ab und kehren ihrer bisherigen Kasse den Rücken. Nachdem die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhoben hat, nutzen sie ihr Sonderkündigungsrecht. In diesem Fall ist der Ausstieg innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Zusatzbeitrags (siehe auch Kasten "Beipackzettel für Wechselwillige") möglich.
Richtig lohnenswert wird der Wechsel für GKV-Mitglieder aber, wenn zudem die Leistung stimmt. Zwar sind rund 95 Prozent des Leistungsspektrums der Krankenkassen gesetzlich festgezurrt, doch bei den übrigen fünf Prozent tobt der Wettbewerb. Für das Magazin €uro Grund genug, die Krankenkassen einem umfangreichen Leistungstest zu unterziehen, den €uro am Sonntag in Auszügen veröffentlicht.
In acht Teilbereichen konnten die Kassen punkten. Die Summe dieser Punkte bildet das Ergebnis im Leistungsrating. Zusätzlich wurde der vom Kassenmitglied zu zahlende (Höchst-)Beitrag berücksichtigt. Die Quote aus Preis (Beitrag) und erreichten Leistungspunkten liefert das Preis-Leistungs-Verhältnis, das die Basis für die Versicherungsnote ist. 111 Anbieter waren aufgerufen, sich dem Kassenvergleich zu stellen. 21 davon haben nicht oder zu spät geantwortet. Schließlich konnte die Redaktion 90 Kassen bewerten. Drei Anbieter erreichten die Topbewertung 1, also "sehr gut". 17 erreichten "gut".
Doch selbst innerhalb der Top 20 gibt es in den untersuchten acht Leistungsbereichen deutliche Unterschiede. Profiteure dieses Leistungsgefälles sind die Patienten. Kassenmitglieder können den Vergleich nutzen, um zu einem preis- und leistungsstarken Anbieter zu wechseln. Hier finden Sie die Leistungsbereiche, in denen die Top-20-Anbieter punkten konnten.
Allgemeiner Service wird von Krankenkassen gern beworben, aber was darunter konkret zu verstehen ist, vermag keiner so recht zu erklären. Deshalb wurden objektivierbare Merkmale herangezogen: Kundennähe, entweder über ein möglichst dichtes Netz an Geschäftsstellen oder durch qualifizierte Telefonberater. Am besten ergänzt um ein medizinisches Infotelefon. Dazu kommen Assistance-Leistungen wie Notfallnummern und andere Dienstleistungen. Zusatzleistungen wie Kostenerstattungen für Haushaltshilfen, häusliche Pflege, Hospizleistungen, Vorsorgeuntersuchungen, einige Schutzimpfungen und Seminarangebote. Punkte gab es auch fürs "Rooming-in": Das bedeutet, dass Eltern bei ihrem kranken Kind im Krankenhaus bleiben können. In diesem Punkt lagen fast alle Kassen mit ihren Ergebnissen ziemlich dicht beieinander.
Naturheilverfahren sind vielen Schulmedizinern ein Graus, weil deren Wirkungsweise wissenschaftlichen Prüfungen oft nicht standhält. Für manche Ärzte gehören sie dennoch dazu. Für die meisten Patienten ist der Weg zum Homöopathen, Yogalehrer oder Heilpraktiker ohnehin Teil ihres Therapiemix.
Besondere Versorgung, ausgeschrieben "Besondere ambulante und integrierte Versorgung", bedeutet, dass Krankenkassen mit Vertragsärzten, zugelassenen Krankenhäusern sowie stationären Vorsorge- und Reha-Einrichtungen oder Apotheken entsprechende Verträge abschließen - ein Bereich, in dem die meisten Krankenkassen Nachholbedarf haben. Nur wenige bieten eine vollständige Palette. Punkten konnten hier die Securvita und die Techniker Krankenkasse.
Gesundheitsförderung bedeutet Vorsorge. Entsprechend groß ist die Vielfalt unter den Kassen. Die individuelle Gesundheitsförderung beginnt meist schon mit Bewegungs- und Ernährungsprogrammen im Kindergarten. Schülern bieten die Kassen beispielsweise auch Sucht- und Gewaltprävention an.
Reiseschutz ist bei den gesetzlichen Kassen im Ausland in der Regel eingeschränkt. Um diese Deckungslücke zu schließen, bieten die Kassen teils Reiseversicherungen, manchmal auch spezielle Notfallservices an. Daneben übernehmen einige Kassen die Kosten für spezielle Reiseimpfungen. Punktgleich sind Securvita, TK, Deutsche BKK und BKK Wirtschaft & Finanzen.
Wahltarife bedeuten, die Eigenverantwortlichkeit der Versicherten zu fördern. Seit der jüngsten Gesundheitsreform können Krankenkassen ihren Mitgliedern besondere Tarife anbieten. So können Kunden sich ausschließlich vom Hausarzt behandeln lassen. Sogenannte Disease-Management-Programme bieten eine besondere Behandlung bei schweren Krankheiten. Dazu gibt es Selbstbehalttarife, Kostenerstattungstarife und Verdienstausfallabsicherungen für Selbstständige.
Bonus- und Vorteilsprogramme sind Lockmittel, um Versicherten Vorsorgeprogramme schmackhaft zu machen. Kassen winken mit Sach- oder Geldprämien und Vorteilen im Arznei- und Heilmittelbereich. Im Leistungsrating wogen die Geldprämien mehr als die Sachprämien. Hier siegte die Securvita mit deutlichem Abstand vor den beiden anderen Bestplatzierten, der SBK und der Techniker Krankenkasse.
Beipackzettel
für Wechselwillige
Grundsätzlich können Mitglieder ihrer gesetzlichen Krankenkasse jederzeit den Rücken kehren. Für die schriftliche Kündigung gilt eine Frist von zwei Monaten zum Monatsende. Dann können Interessenten alle Anbieter wählen, die sich der Allgemeinheit in dem Bundesland, in dem sie wohnen oder arbeiten, geöffnet haben. Das sind die jeweiligen Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), Ersatzkassen wie Barmer GEK, DAK und Techniker Krankenkasse, aber auch geöffnete Betriebskrankenkassen (BKK) sowie die Innungskrankenkassen (IKK). An ihre neue Krankenkasse sind die Wechsler mindestens 18 Monate gebunden. Wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag fordert, haben ihre Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht.
Weitere News
Bildquellen: Lisa S. / Shutterstock.com