Abgeltungsteuer: Anhängen und Steuern sparen
Das Steuerrecht wirft immer wieder Fragen auf, die oft vor Finanzgerichten landen. Wie Anleger ohne Risiko von den Prozessen profitieren.
von Michael Schreiber, Euro am Sonntag
Mit der Abgeltungsteuer sollte die Besteuerung von Kapitaleinkünften einfacher, effizienter und gerechter werden. Doch die Welt der Wertpapiere wirft Fragen auf, die erst von den Finanzgerichten geklärt werden müssen. Wer nicht unnötig Steuern zahlen will, sollte die aktuellen Gerichtsverfahren im Auge behalten und seinen Steuerbescheid per Einspruch offen halten. Vorteil: Außer dem Porto und etwas Zeit kostet der Einspruch nichts. Wer sich auf Musterprozesse beruft, lässt andere das Klagerisiko tragen und profitiert, wenn sie ihren Streit gewinnen, automatisch mit. Die spannendsten Fälle:
Bestandsschutz für Genussscheine
Gute Nachrichten für Anleger, die im vergangenen Jahr das Rückkaufangebot des Medizintechnikunternehmens Drägerwerk angenommen haben und ihre Genussscheine mit sattem Gewinn verkauft haben. Wurden die Papiere vor 2009 erworben, bleibt der Gewinn nach einem Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 16. Februar 2012 (Az. 4 K 639/11) steuerfrei. Hat die Depotbank dennoch Steuern einbehalten, können sich Anleger dieses Geld mit der Steuererklärung zurückholen. Das Bundesfinanzministerium will Genussscheininhabern den Bestandsschutz bisher nicht gewähren (BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009, BStBl. I 2010, Rz. 319). Das letzte Wort in dieser Sache wird der Bundesfinanzhof (BFH) haben — dort ist das Revisionsverfahren unter dem Az. I R 27/12 anhängig.
Streit um Steuerzinsen
Der Fiskus vertritt die Ansicht, dass die auf zu viel gezahlte Steuern gewährten Erstattungszinsen als Kapitalertrag wiederum der Abgeltungsteuer unterliegen und über die jährliche Steuererklärung nachversteuert werden müssen. Müssen Steuerzahler ihrerseits dem Fiskus Zinsen auf zu wenig entrichtete Steuern zahlen, sind diese Zusatzkosten dagegen steuerlich nicht absetzbar.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat aufgrund dieser Konstellation erhebliche Zweifel, ob es rechtmäßig ist, Erstattungszinsen zu besteuern (Beschluss vom 5. September 2011 — 1 V 2325/11 A/E). Der BFH hatte bereits Mitte Juni (Az. VIII R 33/07) entschieden, dass Erstattungszinsen auf private Steuern nicht versteuert werden müssen. Um dieses Urteil auszuhebeln, wurde die Gesetzeslücke mit dem Jahressteuergesetz 2010 rückwirkend für alle offenen Steuerveranlagungen geschlossen. Der BFH muss in zwei laufenden Verfahren klären, ob die Steuerpflicht auf Erstattungszinsen verfassungsgemäß ist (Az. VIII R 1/11 und 36/10). Betroffene können sich auf die anhängigen Verfahren berufen und ihre Steuerbescheide offen halten.
Verfall von Optionsscheinen und Zertifikaten
Verluste aus dem Verfall von Zertifikaten und Optionsscheinen durch Eintritt des sogenannten Knock-out will die Finanzverwaltung nicht steuerlich anerkennen (BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2012, IV C 1 – S 2252/10/10013, Rz. 27 und 32). Der Fiskus argumentiert, dass der Verfall eines Wertpapiers keinen Verkauf darstellt — dieser wäre aber notwendig, um die Verluste mit Gewinnen verrechnen zu können. In einem Urteil vom 26. September 2012 (Az. IX R 50/09) hat der BFH ein für Anleger positives Urteil gefällt. Danach kommt es bei Termingeschäften auch dann zu einem steuerwirksamen Verlust, wenn der Anleger die wertlose Option verfallen lässt.
Werbungskosten
Steuerzahler dürfen ihre im Zusammenhang mit Geldanlagen angefallenen Werbungskosten seit 2009 nicht mehr steuerlich verrechnen. Sämtliche Kosten sind nach dem Willen des Gesetzgebers mit dem Sparerpauschbetrag von 801 für Ledige und 1.602 Euro für Verheiratete abgegolten. Für Kapitalanleger mit kreditfinanzierten Wertpapierdepots ein herber Einschnitt. Auch Depotgebühren, Beratungskosten und Reisekosten, um an Hauptversammlungen teilzunehmen, lässt das Finanzamt unter den Tisch fallen. Ob diese Regelung rechtens ist, müssen gleich zwei Finanzgerichte in anhängigen Musterverfahren klären (FG Köln, Az. 8 K 1937/11 und FG Münster, Az. 6 K 607/11 F).
Einen ersten Erfolg gibt es bereits zu verbuchen. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17. Dezember 2012 (Az. 9 K 1637/10) entschieden, dass ein Abzug von Werbungskosten dann zulässig ist, wenn die Einkommensteuerbelastung insgesamt unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent liegt.
Xetra-Gold
Die Frage, wie Goldanleihen oder Zertifikate, die einen Lieferanspruch auf Gold oder andere Rohstoffe verbriefen, besteuert werden, ist seit Jahren umstritten. Emittenten wie die Deutsche Börse mit ihrem Produkt Xetra-Gold oder ETF Securities mit dem Gold Bullion Securities pochen auf Steuerfreiheit ihrer Produkte, weil auch Goldmünzen und Barren außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist steuerfrei verkauft werden können. Diese Argumentation ist natürlich auch im Sinne vieler Sparer — ermöglicht ihnen diese Sichtweise doch steuerfreie Kursgewinne nach einem Jahr Haltedauer. Das Bundesfinanzministerium hat sich in einem umfangreichen Erlass vom 9. Oktober 2012 (Az. IV C 1 – S 2252/10/10013, Randziffer 57) allerdings für eine Steuerpflicht der Papiere entschieden.
Tipp: Betroffene Anleger sollten sich auf das BFH-Urteil vom 24. Januar 2012 (Az. IX R 62/10) berufen und Einspruch gegen ihren Steuerbescheid einlegen. Die BFH-Richter hatten entschieden, dass ein Sachlieferungsanspruch auf Gold als privates Veräußerungsgeschäft zu werten ist. Strittig waren allerdings Goldgeschäfte aus den Jahren 2000 bis 2002 — also für Steuerjahre, die weit vor der Einführung der Abgeltungsteuer liegen. Die steuerliche Behandlung der Xetra-Goldanleihen bleibt vorerst weiter ungeklärt.