Zweistellige Renditen: Briefmarken als Anlageobjekt
Oft wird das Sammeln von Briefmarken als Beschäftigung weltfremder Eigenbrötler betrachtet. Doch wer sich richtig mit den Postwertzeichen auseinandersetzt, kann ansehnliche Renditen erwirtschaften.
von Oskar Klan, Gastautor von Euro am Sonntag
Am 17. Juni 2014 wurde in New York bei einer Auktion der Firma Sotheby’s ein neuer Preisrekord für eine Briefmarke aufgestellt. Der Schuhdesigner und Unternehmer Stuart Weitzman aus New York zahlte 9.480.000 US-Dollar, damals etwa sieben Millionen Euro, für die "British Guiana 1 Cent magenta". Der Vorbesitzer, der 2010 verstorbene amerikanische Milliardär John du Pont, hatte die Marke 1980 für 935.000 Dollar erworben, also für ziemlich genau ein Zehntel des jetzt gezahlten Betrags. Die Verzehnfachung eines Anlagebetrags in 34 Jahren ist nicht schlecht, das bedeutet eine jährliche Verzinsung von etwa sieben Prozent über diesen Zeitraum.
Allerdings gilt diese Marke als die seltenste der Welt, weil es nur ein anerkanntes Exemplar gibt. Und sie hat eine spannende Geschichte. Gefunden von einem Schüler, der sie für recht wenig Geld an einen Händler verkaufte, zahlreiche prominente Briefmarkensammler, die sie im Lauf der Zeit besaßen, ein englischer König, der sie nicht kaufte, zum Abschluss noch ein Mordprozess. Nur wenige Marken und wohl auch Sammelstücke aus anderen Bereichen können eine so farbige Geschichte vorweisen, die sicher das Ihre zu den mit dieser Marke immer wieder erzielten Rekordpreisen beigetragen hat.
30 Prozent jährliche Verzinsung
auf chinesische Massenmarke
Betrachten wir uns den Kaufpreis aber etwas näher: Der tatsächliche Zuschlag betrug 7,9 Millionen Dollar, 1, 58 Millionen waren das Aufgeld, das der Käufer dem Auktionshaus zu zahlen hatte. Auch der Einlieferer musste eine Kommission zahlen. Deren Höhe ist Verhandlungssache, bewegt sich aber in der Regel zwischen zehn und 20 Prozent. Bei einem Stück in dieser Größenordnung dürfte sie eher bei zehn Prozent gelegen haben. Man kann also vermuten, dass der Verkäufer etwa sieben Millionen erhalten hat. Das ergibt einen Zinssatz von etwas über sechs Prozent.
An diesem Beispiel sieht man, dass die Anlage in Briefmarken langfristig durchaus einen Ertrag bringen kann, der aber nicht unbedingt in spektakulären Höhen liegt. Um in der Zukunft einen ähnlichen Gewinn zu bringen, müsste die British Guiana in circa 35 Jahren für ungefähr 100 Millionen Dollar verkauft werden.
Betrachten wir eine andere Wertentwicklung von 1980 bis heute, die anfangs durchaus am anderen Ende der Preisskala spielt. Am 15. Februar erschien in der Volksrepublik China eine Marke zum Jahr des Affen, Nennwert 8 Fen. Die Marke war im deutschen Briefmarkenhandel für 20 bis 25 Pfennig problemlos erhältlich. Heute ist sie mit 2.700 Euro bewertet, und im Fall eines Verkaufs sollte man ungefähr 1.200 Euro für eine Einzelmarke erlösen können. Daraus ergibt sich eine jährliche Verzinsung von etwa 30 Prozent. Hier ist es sicher nicht leicht, eine bessere Anlagealternative zu finden.
Zu dieser Entwicklung haben verschiedene Faktoren beigetragen. Bis um 1980 war Briefmarkensammeln in der Volksrepublik China als "bürgerliche Beschäftigung" verpönt. Neu erscheinende chinesische Sonderbriefmarken wurden hauptsächlich gegen Devisen ins Ausland verkauft. Erst Mitte der 80er-Jahre hat sich in der Volksrepublik China wieder ein Briefmarkenmarkt etabliert. Seither kaufen Chinesen ihre Briefmarken aus dem Ausland zurück. Das führte zu mehreren Spekulationsschüben, die unter anderem dieser Marke zu ihrem erstaunlichen Wertzuwachs verhalfen.
Ein Beispiel aus Deutschland. In den Jahren 1951/52 kam der sogenannte "Posthornsatz" an die Schalter, Einstandspreis 5,15 Mark. Obwohl die Preise für deutsche Briefmarken besonders der Nachkriegszeit heute unter Druck stehen, kann man für einen einwandfrei erhaltenen Posthornsatz immer noch etwa 400 Euro erlösen. Das ergibt eine durchschnittliche Verzinsung über mehr als 60 Jahre von rund acht Prozent. Hätte man ihn 1980 zum Höhepunkt der Preiswelle verkauft, so hätte man 6.000 Mark erlösen können. Das entspricht einer Verzinsung über knapp 30 Jahre von fast 27 Prozent.
Diese drei Beispiele zeigen, dass man mit Briefmarken durchaus solide, manchmal sogar spektakuläre Erträge erzielen kann. Allerdings sieht man auch, dass der richtige Zeitpunkt des Verkaufs von großer Bedeutung sein kann. Darin unterscheiden sich Briefmarken aber nicht von anderen Anlagen. Und man sollte auch nicht vergessen, dass sich die meisten der heute existierenden rund 700.000 verschiedenen Briefmarken nicht zur Geldanlage eignen und auch nicht werden.
Als Anlageobjekte taugen besonders solche Briefmarken, die entweder schon allgemein begehrt sind oder das Potenzial haben, diesen Status zu erreichen. Doch Vorsicht, kaum jemand hätte dem Posthornsatz oder dem chinesischen Affen am Ausgabetag angesehen, dass hier ein großes Potenzial für Wertsteigerungen vorhanden ist.
Für den Anlageerfolg ist auch noch zu berücksichtigen, dass die meisten wertvollen Briefmarken bei Auktionen ihren Besitzer wechseln. Man muss zunächst einmal die Kommission des Auktionators verdienen, bevor es zu einer wirklichen Wertsteigerung kommt. Der Investitionszeitraum für Briefmarken liegt daher also im mittel- bis langfristigen Bereich.
Ohne Wertsteigerung bleibt
die Sammelleidenschaft
Auch ist ein möglichst umfangreiches Wissen über Briefmarken nötig. Vor einigen Jahren hatte ein schwedischer Briefmarkensammler das Glück, in einer für angeblich einige Hundert Schwedische Kronen erworbenen Briefmarkensammlung eine Marke Japan (Michelkatalog-Nr. 31 I) mit Kontrollzeichen 15 zu finden, die später für 105.000 Euro dem neuen Besitzer zugeschlagen wurde. Auch dieser war vermutlich recht zufrieden, denn von dieser Marke sind auch nach diesem Fund nur sieben Stück bekannt. Nur weil der schwedische Sammler um die Existenz der seltenen Variante wusste, hatte er die Chance, sie auch zu erkennen.
Und schließlich besteht noch das Risiko, dass man vom reinen Investor zum Sammler wird und sich die Anlage- in Sammelobjekte wandeln, von denen man sich schwer trennen kann. Das kann aber auch Vorteile haben, denn der Sammler wird sich das nötige Wissen viel leichter aneignen als der bloße Anleger. Sollte die Investition unter Anlagegesichtspunkten dann nicht so erfolgreich sein, kann der Sammler doch eine große Befriedigung daraus ziehen. Auch das ist ein nicht zu unterschätzender Gewinn.
Der heutige Besitzer der teuersten Briefmarke der Welt hat als Motiv für den Erwerb ungefähr Folgendes geäußert: "Da war diese Lücke in meinem Jugendalbum. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich sie je schließen könnte. Aber als sich die Gelegenheit bot ..."
Kurzvita
Oskar Klan, Chefredakteur
der Michel- Briefmarkenkataloge
Klan managt bei Michel die Programmplanung und das Redaktionsteam. Zusätzlich zeichnet er als Redakteur verantwortlich für alle Katalogprojekte in Zusammenarbeit mit externen Autoren.
Michel aus dem Schwaneberger Verlag ist mit mehr als 100 Jahren Verlagsgeschichte weltweit bekannt als Anbieter von neutralen, kompetenten und zuverlässigen Informationen für Sammler. Michel produziert heute etwa 75 Kataloge für verschiedene Sammelobjekte, eine Monatszeitschrift sowie mehrere Onlinekataloge.
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Bildquellen: Michel Briefmarkenkatalog