Euro am Sonntag

Steuervorteile - Wirkungslos oder sogar schädlich?

16.04.16 16:00 Uhr

Steuervorteile - Wirkungslos oder sogar schädlich? | finanzen.net

Um die Wohnungsnot zu stoppen, sollen Steuervorteile für Immobilienbauer eingeführt werden. Der Immobilienexperte Rainer Zitelmann sieht darin keinen Gewinn.

von Rainer Zitelmann, Gastautor für Euro am Sonntag

Steuervorteile für Immobilien spielten in Deutschland einmal eine große Rolle, doch wurden sie sukzessive abgeschafft. In den vergangenen Jahren gab es diese nur noch für die Sanierung denkmalgeschützter Immobilien oder für Immobilien in sogenannten Sanierungsgebieten. Unter dem Eindruck der Wohnungsknappheit in den Metropolen und des erheblichen zusätzlichen Bedarfs durch den Zuzug von Flüchtlingen sollen jetzt erstmals wieder Steuervorteile eingeführt werden.



Für neu errichtete Wohnungen soll es eine Sonderabschreibung geben, die in den ersten zwei Jahren zehn und im dritten Jahr neun Prozent beträgt. Zusammen mit der Normalabschreibung (zwei Prozent im Jahr) ergibt dies in den ersten drei Jahren 35 Prozent. Allerdings ist die Bemessungsgrundlage für diese Sonderabschreibung auf 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche begrenzt. Zudem ist die Sonderabschreibung re­gional begrenzt. Sie gilt nur in Gebieten, in denen entweder die Mietpreisbremse oder die auf 15 Prozent abgesenkte Kappungsgrenze gilt oder in denen die Stufen IV bis VI des Wohngelds gelten.

Aktuelle Steuervorteile viel
geringer als in den 90er-Jahren

Schon jetzt kann man vorhersagen, dass diese Sonderabschreibung weitgehend wirkungslos bleiben wird. Vergleicht man die Steuervorteile, die jetzt gewährt werden, mit denen, die es in den 90er-Jahren zur Ankurbelung des Wohnungsbaus in den neuen Bundesländern gab, wird deutlich, dass diese viel zu ­gering sind. Gefördert wurden damals Immobilieninvestitionen in Berlin und in den fünf neuen Bundesländern. Bei Neubaumaßnahmen konnten nach den Bestimmungen des damaligen Fördergebietsgesetzes 50 Prozent der Herstellungs- oder Anschaffungskosten abgeschrieben werden.

Ein besonderes Bonbon bei dieser Sonder-AfA war, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hatte, die Sonderabschreibung in den ersten fünf Jahren frei zu verteilen, sodass der Steuerbürger die Höhe der in jedem Jahr vorgenommenen Abschreibung flexibel seinem zu versteuernden Einkommen anpassen konnte. Vergleicht man die jetzt beschlossenen Steuervorteile mit denen des Förder­gebietsgesetzes, so sind die jetzt geplanten Maßnahmen ­erheblich weniger attraktiv als die in den 90er-Jahren:


Damals betrug die Sonderabschreibung (ohne die Normalabschreibung) 50 Prozent, heute beträgt sie 29 Prozent. Damals war die Bemessungsgrundlage zudem nicht limitiert. Vor allem: Damals konnte die Sonderabschreibung auch von Geschlossenen ­Immobilienfonds wahrgenommen werden. Dies ist heute wegen des Ende 2005 eingeführten Paragrafen 15b des Einkommensteuergesetzes nicht möglich. Gefördert werden nur Direktinvestitionen in Gebäude und Eigentumswohnungen.

Die Sonderabschreibung wird nur zu Mitnahmeeffekten führen. Niemand wird eine neue Wohnung bauen, der nicht auch ohne diese Steuervorteile gebaut hätte. Der Grund, warum zu wenig gebaut wird, sind vor allem die horrenden Grundstückspreise und die hohen Baukosten. Die hohen Kosten sind nicht zuletzt ein Ergebnis ständig neuer Ökovorschriften. Seit dem 1. Mai 2014 gilt für Gebäude die Energieeinsparverordnung (EneV), die ständig verschärft wurde und die zu einer erheblichen Verteuerung des Neubaus geführt hat.


Man kann daher schon jetzt vorhersagen, dass die Steuervorteile wirkungslos verpuffen, weil sie - wie gezeigt - zu unattraktiv sind. Es ist daher zu erwarten, dass bald die Forderung laut wird, die Steuervorteile drastisch zu erhöhen und beispielsweise die Anwendung des Paragrafen 15b für diese Fälle auszuschließen, damit auch Fonds sie in ­Anspruch nehmen können.

Das Dilemma ist jedoch: Sind die Steuervorteile hoch genug, um Wirkung zu entfalten, dann entfalten sie auch - wie ein hochwirksames Medikament - erhebliche, unerwünschte Nebenwirkungen. Auch dafür ist das Fördergebietsgesetz der 90er-Jahre ein abschreckendes Beispiel. Denn es führte dazu, dass viel zu viele Wohnungen und andere Immobilien gebaut wurden. Durch die zu hohe Bauleistung einerseits und den Wegzug von Menschen andererseits stieg der Leerstand Ende der 90er-Jahre in den neuen Bundesländern auf über 13 Prozent. In Sachsen standen fast 17 Prozent der Wohnungen leer. In Leipzig standen zudem 25 Prozent aller Büro­gebäude leer. Wohnungen und Büros, die nur deshalb gebaut worden waren, weil es hohe steuerliche Anreize gab.

Bereits im Jahr 2002 musste gegen­gesteuert werden. Es wurde das "Stadt­umbauprogramm Ost" gestartet, um dem Leerstand von 1,3 Millionen Wohnungen zu begegnen. Allein in den Jahren 2002 bis 2013 wurden 2,7 Milliarden Euro für den Abriss von Wohngebäuden zur Verfügung gestellt. Es wurden zunehmend auch sanierte oder teilsanierte Gebäude abgerissen, also beispielsweise Plattenbauten, deren Sanierung wenige Jahre zuvor mit einer hohen Sonderabschreibung gefördert worden war.

Auch Abriss des Leerstands
mit Steuergeldern finanziert

Doch nicht nur sanierte Plattenbauten wurden abgerissen, sondern auch historische Altbauwohnungen. Schon fünf Jahre nach Inkrafttreten des Stadt­umbauprogramms Ost kam ein Statusbericht zu dem Ergebnis, dass seither über 14.000 Altbauten abgerissen worden waren, davon übrigens mehr als 1000 Wohnungen in Baudenkmalen. "Die Welt" zitierte 2006 einen Architekten aus Chemnitz: "Seit jüngster Vergangenheit sieht man vermehrt riesige Bagger wahllos an städtebaulich markanten und wichtigen Eckhäusern nagen oder Lücken in geschlossene Straßenzüge brechen. Chemnitz beraubt sich seiner Visitenkarte."

Dieses Beispiel zeigt, wozu es führt, wenn man mit Steuern den Wohnungsneubau steuern will. Zuerst entgehen dem Staat Milliarden an Steuereinnahmen, um den Wohnungsbau anzukurbeln, und wenn dies gelungen ist, werden die zu viel gebauten Wohnungen wieder abgerissen - und zwar ebenfalls mit Milliardenförderung auf Kosten des Steuerzahlers.

Besonders absurd ist es, dass der Gesetzgeber durch allerlei Regulierungen - insbesondere durch die Mietpreisbremse - Investitionshemmnisse schafft und gleichzeitig mit Steuervorteilen den Wohnungsbau anreizen will. Das ist, als ob ein Autofahrer mit einem Fuß eine Vollbremsung durchführt und mit dem anderen Gas gibt.

Kurzvita</u>

Rainer Zitelmann,
Initiator der "Berliner Immobilienrunde"

Der Autor ist einer der führenden Immobilien­experten in Deutschland und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, unter anderem "Reich werden und bleiben" (FinanzBuch Verlag 2015).

Bildquellen: Dr. ZitelmannPB. GmbH, r.nagy / Shutterstock.com