Neue Regeln bei Investment-Fonds: "Zurück auf Los"
Die Steuer-Spielregeln für Gewinne mit Altfonds werden sich ab 2018 ändern. In welchen Konstellationen die bislang unbefristet garantierte Steuerfreiheit künftig nicht mehr gilt.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
"Monopoly" in Berlin: Wolfgang Schäuble schickt Fondsanleger, die Anteile vor Einführung der Abgeltungsteuer gekauft haben und seither ununterbrochen halten, zurück auf Los. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause hat der Bundestag der vom Bundesfinanzministerium konzipierten Reform des Investmentsteuergesetzes zugestimmt.
Die Neuregelung birgt eine Steuerfalle für sämtliche Fondsanleger, die langfristig investieren. Unabhängig vom Kaufdatum gelten demnach alle Fondsanteile per 31. Dezember 2017 als "fiktiv veräußert" und am 1. Januar 2018 als "fiktiv wieder angeschafft". Mit diesem bürokratischen Taschenspielertrick wird die zuvor unbefristet garantierte Steuerfreiheit von Altbeständen ab 2018 ausgehebelt.
Denn für alle vor dem Jahr 2009 gekauften Fondsanteile galt bisher ein steuerrechtlicher Bestandsschutz: Hielten Anleger diese Wertpapiere länger als zwölf Monate im Depot, konnten sie die bei einem späteren Verkauf realisierten Kursgewinne in jedem Fall vollständig steuerfrei einstreichen.
Nun bleiben jedoch nur noch Gewinne aus Altanteilen, die bis Ende 2017 tatsächlich realisiert werden oder als Buchgewinne aufgelaufen sind, ab 2018 komplett steuerfrei. Verkaufsgewinne aus Anteilen, die vor 2009 angeschafft wurden und erst ab dem 1. Januar 2018 entstehen, werden dagegen nur bis 100.000 Euro pro Anleger steuerfrei bleiben. Jeder Euro über diesem Steuerfreibetrag wird künftig steuerpflichtig sein (siehe Beispielrechnung unten).
Steuerfreibetrag von 100.000 Euro
Wer jedoch über Jahrzehnte kontinuierlich in Fonds investiert hat, etwa über einen Sparplan, kann bei guter Börsenentwicklung und entsprechendem Depotvermögen diese Gewinnschwelle durchaus erreichen. Hinzu kommt: Die mögliche Steuerlast für ab 2018 realisierte Kursgewinne mit Altfonds könnte durch einen Systemwechsel noch deutlich größer werden. Schäuble zeigt sich nicht abgeneigt, die 25-prozentige Abgeltungsteuer für Kapitalerträge langfristig abzuschaffen und diese wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu belegen. Der liegt derzeit immerhin bei maximal 45 Prozent."Fondsanleger sollten in jedem Fall rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2017 prüfen, welcher steuerlichen Periode ihre Investmentanteile zuzuordnen sind", rät Oliver von Schweinitz, auf Steuerfragen bei Kapitalanlagen spezialisierter Rechtsanwalt in der Kanzlei GGV in Hamburg.
Die Grundregel: Fondsaltbestände sollten sie eher in ihrem Bestand behalten als Investmentanteile, die sie nach 2009 erworben haben und deren Kursgewinne in jedem Fall abgeltungsteuerpflichtig sind. Aber auch für Fondsanteile, die ab 2009 gekauft wurden, ist der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung erst anzusetzen, wenn sie tatsächlich verkauft werden.
"Dadurch wird zumindest ein Steuerstundungseffekt erzielt, der dazu führt, dass ein Festhalten an bisher getätigten Investments in Investmentfonds steuerlich belohnt wird", erklärt von Schweinitz. Der neue Steuerfreibetrag soll zudem Verluste aus dem Verkauf von Altanteilen berücksichtigen, da er sich auf den Saldo der Verkaufsgewinne bezieht.
Neben den Änderungen bei realisier ten Kursgewinnen mit Altfonds müssen sich Anleger auch auf neue Regeln bei Fondsausschüttungen einstellen. Aktienfonds werden ab 2018 bereits auf Fondsebene 15 Prozent Kapitalertragsteuer abgezogen, wenn sie deutsche Dividenden vereinnahmen.
Um diese Abgabenlast auszugleichen, werden Ausschüttungen aus den Fonds und Verkaufsgewinne beim Privatanleger teilweise von der Steuer freigestellt.
Neue Regeln für Ausschüttungen
Bei Aktienfonds sind das 30 Prozent; für Mischfonds mit einem Aktienanteil von mindestens 25 Prozent sind Teilfreistellungen von 15 Prozent vorgesehen, für Mischfonds mit geringerem Aktienanteil wird es dagegen überhaupt keine Freistellung geben."Die Teilfreistellung ist erheblich aufwendiger", kritisiert der Rosenheimer Steuerberater Anton Rudolf Götzenberger. Denn die freizustellenden Erträge müssen von Zinsen, Veräußerungsgewinnen aus Wertpapieren und aus Termingeschäften sowie von ausländischen Dividenden und Immobilienerträgen abgegrenzt werden, die Fonds auch künftig steuerfrei einstreichen.
Liegen die Kapitalerträge unter dem Sparerfreibetrag (801 Euro Singles, 1602 Euro zusammen Veranlagte), laufen die Freistellungen ins Leere. Betroffene erhalten dann auf Fondsebene steuerlich vorbelastete Ausschüttungen, profitieren aber nicht von Teilfreistellungen.
Weniger Ärger mit Auslandsfonds
Das neue Investmentsteuergesetz hat aber auch eine anlegerfreundliche Kehrseite. Ab 2018 wird die Besteuerung von in- und ausländischen Investmentfonds angeglichen. Die Änderung gilt sowohl für gemanagte Fondsprodukte als auch für ETFs (Exchange Traded Funds), die zum Beispiel einen Aktienindex nachbilden und weniger Gebühren kosten. Zertifikate sind dagegen von der Neuregelung ausgenommen.
Wer gemanagte Investmentfonds im Depot hat, die im Ausland aufgelegt wurden und Dividenden sowie Zinsen "ansparen", muss diese dann nicht länger einzeln in der Steuererklärung angeben. Derzeit müssen Auslandsfondsanleger ihre jährlichen Erträge noch umständlich in der Anlage KAP (Zeile 15) deklarieren, da die fällige Pauschalabgabe (25 Prozent Abgeltungsteuer plus Soli-Zuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer) von den Auslandsgesellschaften nicht an den deutschen Fiskus abgeführt wird.
Zudem entfällt die Pflicht, die Unterlagen bis zum Verkauf aufzubewahren. Künftig wird von der Depotbank automatisch Abgeltungsteuer auf die jährliche Wertsteigerung der Fondsanteile durch wieder angelegte Erträge abgeführt - sofern der Sparerfreibetrag ausgeschöpft ist. Auch bei ETFs zahlen Anleger künftig jährlich Abgeltungsteuer auf Basis dieser Vorabpauschale.
Zudem müssen Depotbanken beim späteren Verkauf von ausländischen Fondsanteilen ab 2018 bei der dann fälligen Pauschalabgabe stets die erforderliche Gegenrechnung durchführen, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. In der Vergangenheit passierte es häufiger, dass Geldinstitute die Abgeltungsteuer zum Nachteil der Kunden gleich zweimal an den Fiskus abführten.
Beispielrechnung: Was zu versteuern ist (PDF)
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