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Millionen Verträge verkauft: Was Versicherte jetzt tun können

28.07.18 01:00 Uhr

Millionen Verträge verkauft: Was Versicherte jetzt tun können | finanzen.net

Das gab es noch nie: Der Versicherer Generali überlässt einem professionellen Abwickler vier Millionen Lebensversicherungs-Verträge. Andere Anbieter könnten folgen. Was Betroffene jetzt wissen müssen.

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von Martin Reim, Euro am Sonntag

Gerüchte hatten schon länger die Runde gemacht. Dennoch war die Nachricht an sich ein Paukenschlag. Die Generali Lebensversicherung, immerhin Nummer 6 am deutschen Markt, wird verkauft und abgewickelt. Es geht um mehr als vier Millionen Verträge - noch nie hat es in Deutschland eine ähnliche Transaktion in einer solchen ­Dimension gegeben. Neue Verträge werden nicht mehr verkauft, nur noch die bestehenden verwaltet.



Dazu gehören unter anderem Bestände des ehemaligen gewerkschaftlichen Versicherers Volksfürsorge, der 2009 in Generali Leben aufging. Nun landen ausgerechnet diese und andere Kunden bei einer "Heuschrecke", wie der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering Private-Equity-Investoren im Jahr 2005 bezeichnete. Und das geht so: Übernehmer ist der deutsche Versicherer Viridium. Er ist zu 80 Prozent im Besitz der Londoner Investmentfirma Cinven, der Rest liegt beim Versicherer Hannover Rück.

Cinven entstand ursprünglich aus den britischen Pensionsfonds von British Coal, Railway Industries und Barclays Bank und machte vor Kurzem wegen der Übernahme des deutschen Pharmakonzerns Stada von sich reden. Erfahrungen mit Versicherungsbeständen dieser Grö­ße haben Cinven und Viridium nicht. Viridium managte Ende 2017 gut 960.000 Versicherungsverträge, also nicht mal ein Viertel des Volumens, um das es bei Generali geht.


Verbraucherschützer sind angesichts dieser Pläne alarmiert. "Wir befürchten, dass die Ver­sicherten zukünftig deutlich schlechter gestellt sind", sagt Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. Generali-Kunden müssten damit rechnen, bei den jährlichen Überschussbeteiligungen künftig knapper gehalten zu werden. "Wenn ein Investor diese Bestände kauft, dann tut er das mit dem Ziel, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften." Das gehe aber nur, wenn er den Versicherten möglichst viele Überschüsse vorenthalte und in die eigene Tasche stecke. Kleinlein verweist darauf, dass Viridium deutlich kleiner ist als Generali. Außerdem gebe es bei den Spezialisten für Abwicklungen (in Deutschland heißen sie neben Viridium etwa Frankfurter Leben und Athene) mehr Ärger als bei etablierten Anbietern.

In der Tat führt die Finanzaufsicht Bafin eine Statistik über Kundenbeschwerden. Und da lagen 2017 - gemessen am Vertragsbestand - drei Versicherer vorn, die sich in Abwicklung ­befinden. Nummer 1 ist Skandia, die zur Viridium-Gruppe gehört. Viridium selbst räumte damals Probleme mit seiner Informationstechnik ein.


Die Verantwortlichen bemühen sich, die Wogen zu glätten. "Wir verpflichten uns, größtmögliche Kontinuität für unsere Kunden zu gewährleisten", sagt Giovanni Liverani, Chef von ­Generali Deutschland. Viridium stellt in einer Pressemitteilung sogar höhere Überschussbeteiligungen als bislang in Aussicht, die sich aus den niedrigeren hauseigenen Kosten ergäben. Hier waren Generali-Kunden zuletzt sowieso nicht auf Rosen gebettet. Das Unternehmen zahlt im laufenden Jahr für Neuverträge eine sogenannte laufende Ver­zinsung von 1,25 Prozent, was mit Abstand der niedrigste Wert der Branche ist.

Immerhin mahnt Frank Grund, der oberste Versicherungsaufseher der Bafin: "Durch einen Unternehmensverkauf darf kein Versicherungsnehmer schlechter gestellt werden." Falls die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt seien, könne die Bafin den Erwerb untersagen.

Die Entscheidung darüber kann sich noch lange Zeit hinziehen. Beim Kauf der Arag Leben durch die Frankfurter Leben prüfte die Bafin ein knappes Jahr lang, bis sie Mitte 2017 die Genehmigung erteilte. Dass der Verkauf scheitert, erscheint nicht ausgeschlossen, auch weil sich mittlerweile die Politik für das Thema Abwicklung interessiert. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, sagte bereits, man werde es "in dieser Wahlperiode zu einem Regulierungsthema machen".

Denn eine Abwicklung von Vertragsbeständen - der englische Fachbegriff lautet "Run-off" - ist ein Massenphänomen geworden. Manche Versicherer regeln das intern, beispielsweise Ergo mit den früheren Marken Hamburg-Mannheimer und Victoria, außerdem Zurich Deutscher Herold und HDI Leben (ehemals Gerling Leben). Andere haben einen externen Verkauf nicht ausgeschlossen, etwa die AXA. Es geht jeweils um mehrere Millionen Kapitallebens- und private Rentenversicherungen mit Garantiezins.

Hohe Garantien belasten

Hintergrund der Pläne: Viele Policen stammen aus einer Zeit, in der Versicherungsnehmer mit hohen lebenslangen Garantieverzinsungen von bis zu vier Prozent rechnen konnten. Angesichts der Niedrigzinsen wird es für die Versicherer aber immer schwieriger, so viel zu erwirtschaften. Hinzu kommen neue Vorschriften, die beispielsweise unter dem Begriff "Solvency II" laufen und den Unternehmen für Zinsgarantien viel Eigenkapital vorschreiben.

Was erwarten neutrale Ex­perten für betroffene Kunden? "Rein formal bleibt durch einen solchen Paketverkauf für die Kunden alles gleich", sagt ­Thomas Hartung, Professor für Versicherungswirtschaft an der Bundeswehr-Uni München. "Der Vertrag selbst kann sich nicht ändern, ebenso wenig der jährliche Garantiezins."

Werden die Kunden möglicherweise dennoch finanziell schlechter gestellt? "Das ist vorab schwer zu beurteilen", sagt Hartung. Womöglich erwarte ein externer Abwickler höhere Gewinne als der angestammte Versicherer. "Auch werden im Zuge einer Abwicklung die Bestände immer kleiner und die Kosten pro Vertrag höher." Andererseits arbeite der neue Besitzer eventuell kostengünstiger, wenn er die Vertragsverwaltung stärker digitalisiere. "Auch fallen die Vertriebskosten weg, die ein Anbieter mit Neugeschäft zusätzlich erwirtschaften muss." Zudem gebe es strenge gesetzliche Regeln, wie viel von den Überschüssen beim Kunden ankommen muss.

Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentralen Bundesverband, betont: "Per se würde ich einen Verkauf nicht verteufeln. Es kommt immer auf den Einzelfall an." Auch er verweist auf mögliche Synergien. Allerdings könnten solche Kostenvorteile aufgehoben werden, wenn die Investoren zu viel verdienen wollten.

Dean Goff, Geschäftsführer von Partner in Life, beobachtet die Entwicklung gespannt. Das Unternehmen kauft Policen am sogenannten Zweitmarkt direkt von Privatkunden. "Wir trennen uns nicht allein wegen eines etwaigen Run-offs von einer Police. Vielmehr werden wir dann die Kennzahlen noch akribischer prüfen, als wir es ohnehin bereits tun", erklärt Goff.

Was sollten Versicherte nun tun, wenn ihr Anbieter sein Geschäft aufgibt oder gar verkauft? Auf jeden Fall nichts übereilen. Auch nach einem Run-off zählen im Großen und Ganzen dieselben Argumente, wie sie generell bei Lebensversicherungen gelten. Insbesondere wer eine Police mit einem hohen Garantiezins besitzt, sollte sich eine Kündigung oder Beitragsfreistellung zweimal überlegen (siehe unten). Es fehlen einfach die attraktiven Alternativanlagen.

Alternativen

Kündigen oder nicht?

Das fragen sich viele Besitzer einer Kapitallebens- oder privaten Rentenversicherung - umso mehr, wenn sie erfahren, dass ihre Police in einen Run-off, bei dem Verträge abgewickelt werden, gegangen ist. Doch es gibt etliche Alternativen.

Beitragsfrei stellen

Sie zahlen keine Beiträge mehr, der Vertrag bleibt jedoch bestehen. Das, was bislang ­angespart wurde, wird weiter verzinst. ­Vorsicht: Ein an den Vertrag gekoppelter ­Berufsunfähigkeitsschutz (in Form einer ­Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) ­entfällt in diesem Fall.

Teilweise kündigen

Sie reduzieren Ihren Beitrag und damit auch den Versicherungsschutz. Der Vertrag wird aber auf einem deutlich höheren Niveau als bei einer kompletten Beitragsfreistellung weitergeführt.

Billiger machen

Zahlen Sie jährlich statt monatlich. Das spart den sogenannten Ratenzuschlag. Kündigen Sie eine eventuelle Unfalltod-Zusatzversicherung, das führt bei gleichen Beiträgen zu ­höherer Auszahlung im Erlebensfall. Stoppen Sie die Dynamisierung, denn bei jedem neuen Schritt nach oben sind zusätzliche ­Abschlusskosten fällig.

Beleihen

Bei Policendarlehen dient die Lebensversicherung als Sicherheit für einen Kredit. Die Kreditsumme errechnet sich aus dem sogenannten Rückkaufswert - also jenem Betrag, zu dem der Versicherer die Police zurücknehmen muss, wenn der Kunde die Lebensversicherung kündigt.

Via Zweitmarkt verkaufen

Einige unabhängige Finanzdienstleister übernehmen Policen zu einem höheren Preis, als ihn die Versicherer selbst bieten. Ein ­Aufschlag von drei bis acht Prozent auf den sogenannten Rückkaufswert ist realistisch.

Rückabwickeln

Wer zwischen 1995 und 2007 eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, kann dem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen auch heute noch widersprechen - selbst dann, wenn er schon gekündigt hat. Dabei winken teils Nachzahlungen von mehr als 10.000 Euro. Konkret geht es um die Frage, ob Verbraucher bei Vertragsabschluss fehlerhaft oder gar nicht über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt wurden.




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