Die Deutschen und das liebe Geld - die Fakten
Viele Deutsche sparen unverdrossen, horten zu Hause Bares und mögen keine privaten Darlehen. Und sie glauben an Aktien, kaufen aber keine.
von Simone Gröneweg, €uro am Sonntag
Die Deutschen geben nicht auf. Die Zinsen dümpeln praktisch bei null, trotzdem packt die Hälfte der Bundesbürger Monat für Monat Geld aufs Konto. Das zeigen zahlreiche Umfragen und Analysen. Die führen Banken, Finanzdienstleister und Behörden regelmäßig durch, um das Spar- und Ausgabeverhalten der Verbraucher zu durchleuchten - getreu dem Motto: "Traue keiner Umfrage, die du nicht selbst gefälscht hast." Die Ergebnisse offenbaren neben Überraschendem auch Widersprüchliches. €uro am Sonntag hat die bemerkenswertesten Fakten zusammengestellt.
Ganz allgemein scheint der deutsche Sparer zwei Seelen in seiner Brust zu haben: Anleger parken ihr Geld oft auf schlecht verzinsten Konten. Auf die Frage "Welche Produkte eignen sich für den Vermögensaufbau?", antworten sie jedoch meistens: "Aktien". Martin Kocher, Leiter des Instituts für höhere Studien in Wien, meint dazu: "Im deutschsprachigen Raum agieren Anleger grundsätzlich konservativ." Dennoch gibt es regionale Unterschiede. Ausgesprochene Sparmuffel sollen die Berliner sein. Nur 39,6 Prozent der Hauptstädter legen regelmäßig Geld zu Seite. Damit rangieren sie deutlich unter dem Durchschnitt in Deutschland von etwa 52 Prozent.
Das liegt einerseits daran, dass etliche von ihnen - nämlich 11,6 Prozent - nach eigenen Angaben nicht genug Geld zum Sparen haben. Studien enthüllen andererseits, dass vor allem Großstädter gern Geld ausgeben. An der Spitze liegen dabei die Hamburger: 40 Prozent stimmten dieser Aussage zu, bei den Berlinern waren es 36,6 Prozent.
Teures Wohnen
Gründe fürs Geldausgeben gibt es genug. Ob Miete, Auto oder Kleidung: Alles kostet. Der größte Batzen des monatlichen Salärs geht mittlerweile bei vielen fürs Wohnen weg. Das hat zumindest das Statistische Bundesamt ermittelt. Insbesondere in den Großstädten haben die Mieten stark angezogen, ebenso die Kaufpreise. Wer sich in Hamburg oder München eine eigene Wohnung oder ein Haus anschaffen möchte, braucht sehr viel Geld. So rangieren die Hamburger bei der Kreditaufnahme für den Immobilienkauf auch ganz oben. Im Schnitt liehen sie sich 2016 mehr als 341.000 Euro. "Ein Durchschnittswert, der bundesweit das oberste Ende der Fahnenstange markiert", kommentiert ein Sprecher des Finanzdienstleisters Dr. Klein. Auf dem zweiten Platz landeten die Bayern mit über 329.000 Euro.
Ausgaben nicht mehr im Griff
Grundsätzlich zeigen sich die Deutschen eher verkrampft, wenn es ums Geldleihen geht. Mehr als jeder Dritte hält zum Beispiel ein privates Darlehen von Freunden oder Verwandten für absolut inakzeptabel. Nicht nur das: "Wer Schulden nicht zurückzahlen kann, fühlt sich schlecht. Das empfinden neun von zehn Deutschen so", heißt es in der EOS-Schulden-Studie.
Leider geraten hierzulande immer mehr Menschen in eine Schuldenspirale. Die Zahl der überschuldeten Personen über 18 Jahren sei auf etwa 6,9 Millionen Menschen gestiegen, teilte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform kürzlich mit. Damit steht mittlerweile jeder Zehnte derartig in der Kreide, dass er als überschuldet gilt. Einkommen und Vermögen der Betroffenen reichen mittelfristig nicht aus, um fällige Forderungen zu begleichen. Sie schieben insgesamt einen Schuldenberg von 209 Milliarden Euro vor sich her. Ein bedenklicher Trend: Besonders stark angestiegen scheint die Zahl der Bürger, die schlicht über ihre Verhältnisse leben - nämlich um 39 Prozent.
Meistens sind es kleine Konsumentenkredite, mit denen vor allem Geringverdiener in die Schuldenfalle tappen. "Die Werbung preist den Null-Zins-Kredit an und fordert die Menschen auf, sich etwas zu gönnen", sagt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen. Oft nehme jemand erst einen kleinen Kredit auf, dann komme der nächste dazu. Manche Charaktere scheinen besonders anfällig zu sein. "Die Unterschiede sind schon bei Kindern zu erkennen", sagt Wirtschaftswissenschaftler Kocher. Grob könne man zwischen Geduldigen und Ungeduldigen unterscheiden. Die Ungeduldigen neigen wohl eher zum Schuldenmachen.
Also lieber geduldig bleiben und zur Not den Gürtel etwas enger schnallen. Wenn sie sich einschränken müssten, würden zwei Drittel der Menschen hierzulande bei den Energiekosten anfangen, knapp 60 Prozent würden Restaurantbesuche reduzieren. Und die Hälfte der reisefreudigen Deutschen würde den Rotstift beim Urlaub ansetzen. Nur knapp jeder Zehnte kann sich vorstellen, bei der Altersvorsorge zu streichen, was durchaus vernünftig klingt.
Reich ab einer Million Euro
Die Entscheidung darüber, wie viel Euro man ausgibt und wie viel man spart, kann sogar eine Beziehung auf den Prüfstand stellen. So würden sich 41 Prozent der Deutschen von ihrem Partner trennen, wenn dieser nicht mit Geld umgehen kann, lautet das Ergebnis einer Forsa-Umfrage.
Manches Paar stolpert vielleicht schon über die Hochzeitskosten. Bei 13 Prozent darf der schönste Tag des Lebens nämlich nur bis zu 1.000 Euro kosten, ergab eine Umfrage der CreditPlus Bank. Ein Prozent der Befragten würde sogar mehr als 25.000 Euro ausgeben.
So viel Geld zahlen die Deutschen ansonsten eher für ein Auto, denn dazu pflegen sie eine besondere Leidenschaft, allen voran die Bayern. Die lassen sich einen Neuwagen im Schnitt mehr als 28.000 Euro kosten. Deutlich sparsamer zeigen sich die Bremer. Die fahren nach Angaben des Vergleichsportals Verivox die ältesten Fahrzeuge in Deutschland.
Mehr als 70 Prozent der Deutschen halten es übrigens für erstrebenswert, reich zu sein. Ab etwa einer Million Euro (und zwar inklusive Immobilienbesitz ) gilt man bei den meisten Bundesbürgern als reich. Etwa 45 Prozent vertreten diese Ansicht. Damit wären vermutlich viele Eigenheimbesitzer in München reich, zumindest auf dem Papier. Zehn Prozent der Deutschen legen allerdings strengere Maßstäbe an. Für sie beginnt Reichtum erst ab einem Besitz in Höhe von drei Millionen Euro.
"In der Regel bezeichnet man diejenigen als reich, die mehr haben als man selbst", erklärt Wirtschaftsprofessor Kocher. "Die Menschen neigen nicht unbedingt dazu, von sich selbst zu behaupten, dass sie reich sind", meint er.
Über das eigene Geld spricht man generell nicht so gern in diesem Land. Das kann allerdings durchaus Vorteile haben, insbesondere, wenn man viel Bares zu Hause lagert - das sollte schließlich nicht jeder wissen. 300 Euro bewahrt jeder zweite Verbraucher in seiner Wohnung auf, ergab eine Umfrage der Postbank. 17,1 Prozent der Befragten haben daheim zwischen 300 und 1.000 Euro griffbereit, sieben Prozent sogar mehr als 1.000 Euro.
"Manche Leute haben Angst davor, dass sie bei einer möglichen Finanzkrise nicht mehr an ihr Geld auf dem Konto kommen", erläutert Verbraucherschützer Mai diese Zahlen. Er warnt jedoch davor, zu viel Bares zu Hause zu bunkern. Im Fall eines Diebstahls sei es nicht unbedingt versichert.
Studien zum Thema
Schuldneratlas Deutschland 2017
Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag der RWB Group AG, April 2017
"Was unterscheidet die Bayern von den Berlinern? - Sparverhalten der Deutschen im Ländervergleich", repräsentative Studie von Union Investment, März 2017
AXA Deutschland-Report - 3.381 Interviews in allen 16 Bundesländern, Februar 2017
"Sparerkompass 2016" - Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag der Bank of Scotland
Auswertung des Vergleichsportals Verivox -
Abschlüsse von Kfz-Versicherungen über
zwölf Monate, berücksichtigt vorrangig privat
genutzte Fahrzeuge
Forsa/RaboDirect Deutschland - "Freundschaft und das liebe Geld - ein Widerspruch?", "Meins? Deins? Unser Geld!", Umfrage mit mehr als 1000 Teilnehmern, März 2017
TNS-Emnid-Umfrage zu Finanzthemen im Auftrag der Postbank, Februar 2017
Forsa-Befragung im Auftrag der EOS Gruppe, Online-Interviews mit 2017 Personen in Deutschland, September 2017
Auswertung des Finanzdienstleisters Dr. Klein von 74 000 Erstfinanzierungen im Jahr 2016
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