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Bankberatung im Test: Anleger im Papierkrieg

28.01.17 03:00 Uhr

Bankberatung im Test: Anleger im  Papierkrieg | finanzen.net

Im Gespräch mit den Kunden verstecken sich viele Banker hinter Formularen und Prospekten. Das ist ärgerlich. Aber es gibt Ausnahmen.

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von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag

Manchmal genügen Stichworte, um Menschen aus der Reserve zu locken. Das Beratungsprotokoll ist so ein Reizwort für Verbraucherschützer. Für sie ist das seit 2010 verpflichtende Protokoll ein Paradebeispiel für eine gute Idee, die von der Politik schlecht umgesetzt wurde. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg nennt das Protokoll, in dem die Bank ein Gespräch seiner Ansicht nach in ihrem Sinne wiedergeben könne, einen Freibrief für die Institute. Denn es sorge dafür, dass der Kunde vor Gericht keinen Hebel mehr hat, der Bank falsche Beratung nachzuweisen.



Doch damit nicht genug. Die Erfahrungen aus den Prozessen rund um die Zertifikate der untergegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers machten Banken vorsichtig. Nicht nur jede Silbe, die die Mitarbeiter an den Kunden richten, sondern auch die Produkte, die sie ihm ans Herz legen, werden in aller Ausführlichkeit beschrieben. Getreu dem Motto: Viel hilft viel.

Ein Trend, den auch die von €uro am Sonntag ausgesandten Testkunden in ihren Gesprächen mit Banken feststellten. Ein Drittel fühlte sich von der Papiermenge sogar schlicht überfordert. Dabei wurden nur in drei von vier Gesprächen überhaupt Beratungsprotokolle angefertigt. Neben dem Papierkrieg zeigt der Test aber noch weitere interessante Ergebnisse. Wie in den vergangenen fünf Jahren wurden gemeinsam mit dem Deutschen Kundeninstitut (DKI) 14 Banken mit Filialnetz getestet. Dabei ging es neben der Leistung im Beratungsgespräch und den empfohlenen Produkten, die mit jeweils 40 Prozent in die Wertung einflossen, auch um den Service, konkret die Erreichbarkeit der Bank sowie das Angebot online. Ziel war es zu zeigen, welche Institute im Vergleich zur Konkurrenz am besten beraten.


In die Auswahl kamen neben den großen, bundesweit aufgestellten Privatbanken auch große Sparkassen, Genossenschafts- und Sparda-Banken. Um ein Gefühl für die Arbeit in den Filialen zu bekommen, zogen auch in diesem Jahr wieder anonyme Testkunden mit drei unterschiedlichen Risikoneigungen los. Alle drei Kundentypen (siehe unten) wollten 25.000 Euro für zehn Jahre anlegen. In die Auswertungen der einzelnen Kundentypen flossen die Ergebnisse der Beratungsgespräche und die Punkte, die es für die Anlageempfehlungen gab, mit ein.

Wer sich in einer Bankfiliale beraten lässt, braucht vor allem eines: Zeit. Denn die Zeiten, in denen Banker mit den Worten "Ich habe da was für Sie" das Gespräch eröffneten, sind vorbei. Heute werden viele Fragen gestellt, mit denen sich der Berater im Idealfall ein präzises Bild vom Kunden und seinen Bedürfnissen machen kann. Drei von vier Beratern ermittelten ausführlich die finanzielle Situation der Kunden. Lediglich bei zwei Gesprächen, einmal bei der Dortmunder Volksbank und einmal bei der GLS Bank, wurde überhaupt nicht gefragt, wie es ums Vermögen des Kunden bestellt ist.


Gesamtwertung (pdf)

Schulden sind zu oft kein Thema

Für das Einkommen, den Familienstand und den Beruf des Kunden interessierten sich nahezu alle Banker, doch fast jeder zweite Berater unterließ es, nach eventuell vorhandenen Schulden zu fragen. "Das darf eigentlich nicht vorkommen", erklärt DKI-Chef Jörn Hüsgen, "man muss stets zuerst Schulden tilgen und anschließend anlegen." Und auch beim Protokoll findet Hüsgen kritische Worte: "Ein Drittel der Berater wollte, dass die Tester das Protokoll unterschreiben - darauf sollte sich kein Kunde einlassen."

Immerhin, wer sich beraten lässt, bekommt nicht irgendetwas aufs Auge gedrückt: In 94 Prozent der Gespräche fragte der Berater den Kunden nach dessen Risikobereitschaft. Ein Spitzenwert im Vergleich zu den Tests der vergangenen fünf Jahre.

Um die Vorschläge der Berater zu beurteilen, hat €uro am Sonntag die Anlageempfehlungen einander gegenübergestellt und bewertet. So bekam die im Verhältnis zum Rest beste Empfehlung die meisten Punkte. Während beim defensiven Kundentyp eigentlich nur Tagesgeldkonten und Sparbücher die richtige Wahl gewesen wären, bekamen beim renditeorientierten Anleger kapitalmarktnahe Produkte wie Aktienfonds, die sich leicht wieder verkaufen lassen, die meisten Punkte. Beim offensiven Anleger haben volatile und renditeträchtige Anlagen wie Aktienfonds, die stark in Schwellenländer investieren, oder Hochzinsanleihen viele Punkte gebracht.

Das Ergebnis: Tendenziell wurden beim defensiven Kunden zu unflexible Produkte empfohlen. Bei den offensiven Testkunden waren die vorgeschlagenen Produkte zu defensiv. Einzig bei den mittleren, renditeorientierten Kunden trafen die Banken mehrheitlich ins Schwarze.

Unterteilt nach Banken wurden die Anlageempfehlungen der Dortmunder Volksbank insgesamt als die am besten geeigneten bewertet und erhielten in der Summe die meisten Punkte. So wurden den beiden risikofreudigeren Kunden Aktienfonds empfohlen, dem risikoscheuen Sparer Anteile an der Genossenschaft und ein Tagesgeldkonto. Das sind zwar keine Renditebringer, aber beide Produkte sind sicher und für den Kunden hinreichend flexibel

Thema verfehlt

Die Targobank erhielt für ihre Anlageempfehlungen die wenigsten Punkte, da beispielsweise einem der Testkunden mit defensivem Profil eine Rentenversicherung empfohlen wurde. Diese ist zwar in Anbetracht der Sicherungseinrichtung der Versicherungswirtschaft sehr sicher, allerdings waren die Testkunden mit defensivem Profil gehalten, nach Produkten zu fragen, bei denen sie jederzeit wieder an ihr Geld kommen können.

Neben den Produkten an sich spielten auch die Kosten eine große Rolle. Der Ausgabeaufschlag liegt im Durchschnitt aller Empfehlungen bei rund 3,2 Prozent und fällt damit höher aus als im Vorjahr, als er bei gut 2,7 Prozent lag. Die beiden getesteten Volksbanken fallen hier positiv auf, da sie häufig zu Produkten ohne Ausgabeaufschlag rieten. Die beiden Sparkassen im Test empfahlen mit den Immobilienfonds Deka-ImmobilienEuropa und Deka-ImmobilienGlobal die Produkte mit dem höchsten Ausgabeaufschlag von 5,26 Prozent. Die durchschnittliche Gesamtkostenquote aller Produktempfehlungen liegt mit 1,5 Prozent nur minimal höher als im Vorjahr. Die durchschnittliche Gesamtkostenquote der von der Commerzbank empfohlenen Produkte ist mit 2,12 Prozent wie im Vorjahr mit Abstand am höchsten.

Strafzinsen? (K)ein Thema

Die Tester mit defensivem Anlageprofil wurden in diesem Jahr gebeten zu fragen, ob sie Gefahr laufen würden, Negativzinsen zahlen zu müssen. Die Reaktion: In 85 Prozent der Fälle zeigte der jeweilige Berater Verständnis für die Frage. Nur ein Kundenbetreuer wich ihr aus. Ein Berater sprach das Thema sogar von sich aus an. In der Mehrheit erklärten die Berater, dass ihre Bank aktuell und zukünftig keine Negativzinsen erheben würde. Nur drei Kundenbetreuer - einer der Santander Bank, ein Mitarbeiter der Sparda-Bank BadenWürttemberg und einer der Sparda-Bank Hamburg - gaben ausdrücklich an, dass sie nicht garantieren könnten, dass es zukünftig keine Negativzinsen geben würde.

Gesamtsieger ist die Volksbank Mittelhessen. Die Regionalbank mit Sitz in Gießen ist in fast allen Kategorien Spitzenreiter. Auf den Rängen 2 und 3 liegen die Dortmunder Volksbank, die vor allem bei den Produkten ganz vorn landet, und die BB Bank, die bei den defensiven Kunden abräumt. Schlusslicht im Test war die Targobank, die einzig beim Kundenservice, also mit ihrem Servicecenter und der Website, punkten kann. Ganz gleich ob Gebühren, Beratung oder Service: Es lohnt sich, seiner Hausbank immer wieder auf die Finger zu schauen. Und es gibt immer eine Alternative, die günstiger, näher oder für die persönlichen Bedürfnisse einfach besser ist.

Die richtigen Fragen Stellen:

Welche Risiken habe ich? Es bringt nichts, Geld anzulegen, wenn existenzbedrohende Risiken wie Berufsunfähigkeit noch nicht abgedeckt sind.

Wie ist es um meine Finanzen bestellt? Die wenigsten wissen, was sie sich leisten können. Stiegeler rät, laufende Ausgaben (Lebenshaltung, Versicherungsprämien usw.) von den Einnahmen aus Gehalt, Vermietung und Kapital abzuziehen. Diesen sogenannten Liquiditätsüberschuss kann man dann zur Hälfte anlegen. Der Rest sollte auf einem Tagesgeldkonto liegen, um Unvorhergesehenes wie eine kaputte Waschmaschine zu finanzieren. Wer Schulden hat, die nicht steuerlich genutzt werden können, sollte diese zuerst tilgen, bevor er anlegt.

Was brauche ich? Geht es um das Thema Vorsorge, lohnt es sich auszurechnen, welche Lebenshaltungskosten im Alter auf einen zukommen. Dazu sollten die aktuellen Ausgaben analysiert und Kosten, die rund um den Job entstehen, davon abgezogen werden. Der Rentenbescheid gibt Auskunft über das, was man vom Staat erwarten kann. Das ist in den meisten Fällen nicht genug. Wer mehr will, muss privat vorsorgen. Um ein einigermaßen stimmiges Bild von der Zukunft zu bekommen, sollte in jede Berechnung die Inflation mit rund zwei Prozent jährlich einfließen. In Sachen Anlageklassen gilt: Je näher die Rente, desto eher sind Produkte mit sicherer Rendite wie festverzinsliche Wertpapiere geeignet. Wer in 30 Jahren in Rente geht, kann schwankungsanfällige Investments wie Aktien eingehen. Wie funktioniert das? Wer beim Nachfragen den Eindruck gewinnt, dass der Berater selbst nicht versteht, worüber er spricht, sollte die Bank wechseln.

Wie groß ist mein Risiko und wie kann ich das Produkt wieder verkaufen? Während auf den Informationsblättern zu Produkten inzwischen auf Risiken hingewiesen wird, sollten Kunden bei den Möglichkeiten, ihr Produkt wieder zu verkaufen, genau hinhören und nachfragen. Insbesondere bei geschlossenen Beteiligungen ist der Ausstieg schwer.

Anlegertypen:

Der Defensive

Dieser Anlegertyp möchte für einen Zeitraum von zehn Jahren 25.000 Euro anlegen. Er will sein Kapital in jedem Fall erhalten, Rendite ist zweitrangig. Der Kunde will in Notfällen jederzeit auf das Geld zurückgreifen können.

Der Renditeorientierte

Dieser Kunde will ebenfalls 25.000 Euro auf zehn Jahre investieren. Er bevorzugt eine sichere Anlage, ist aber bereit, für eine höhere Rendite zehn Prozent des Kapitals zu riskieren. Auch er will stets auf das Geld zurückgreifen können.

Der Offensive

Er will aus seinen 25.000 Euro binnen zehn Jahren das Maximum herausholen. Er kann hohe Einbußen bis zum Totalverlust verkraften.

So wurde gewertet:

Um die Beratungen der Banken zu testen, zogen anonyme Testkunden mit unterschiedlichen Risikoneigungen los. Alle drei Typen wollten 25.000 Euro für zehn Jahre anlegen. In die Auswertungen der einzelnen Kundentypen flossen die Ergebnisse der Beratungsgespräche und die Punkte der Anlageempfehlungen, die es für den jeweiligen Kundentyp gab, ein. Ins Gesamtergebnis flossen alle Beratungsgespräche und alle Anlageempfehlungen mit je 40 Prozent ein. Zusätzlich wurde beim "Kundenservice" getestet, wie die Banken beispielsweise online auf Anfragen von Kunden reagieren (20 Prozent der Punkte). Der zertifizierte Finanzplaner Arndt Stiegeler hat fünf Fragen zusammengestellt, die Kunden vor und in einem Beratungsgespräch berücksichtigen sollten.

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