Mietrecht: Gewohnter Streit
Beim Abschluss von Mietverträgen lauern rechtliche Fallstricke. Denn die Rechtsprechung zu den wichtigen Details ändert sich laufend. 15 aktuelle Gerichtsentscheidungen im Überblick
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Deutschland, uneinig Mieterland. Hierzulande stehen rund sieben Millionen Vermieter von Wohnungen und Häusern etwa 40 Millionen Mietern gegenüber. Dauerhafte Konflikte und alltägliche Streitereien beim Zusammenleben sind in dieser Konstellation unvermeidlich.
Nicht von ungefähr muss sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit kaum einer anderen Rechtsmaterie so häufig befassen wie mit Zivilklagen von Vermietern und Mietern. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeichnet sich indes keine klare Linie zugunsten eines Lagers ab. Die Bundesrichter sind bemüht, in jedem Verfahren Einzelfallgerechtigkeit herzustellen (siehe unten).
Dabei kann es schon in den unteren Instanzen zu bizarren Entscheidungen kommen. So untersagte kürzlich das Landgericht Frankfurt am Main einem Wohnungseigentümer, die Haustür seines Mehrfamilienhauses nachts abzuschließen: Es müsse jederzeit auch ohne Hausschlüssel möglich sein, ein vermietetes Gebäude schnell zu verlassen, urteilten die Richter (Az. 2-13 S 127/12).
Urteile Zugunsten der Mieter:
Fehlender EigenbedarfGekündigte Mieter haben einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Vermieter einen Eigenbedarf nur vortäuscht und sie daher ausziehen müssen. Vermieter müssen Umzugskosten, Renovierungskosten, Anwaltskosten und Maklerkosten tragen. Zieht der Mieter in eine teurere Wohnung, kann er die Differenz zur früheren Miete verlangen, befand der Bundesgerichtshof (Az. III ZR 99/14).
Mietminderung
Bei Mängeln an der Wohnung sind Mietminderungen zulässig. Ratsam ist es, die Miete dann unter Vorbehalt zu zahlen und nach erfolglos gesetzter Frist für die Mängelbeseitigung via Klage zurückzufordern. Denn der BGH urteilte, dass kein pauschales Zurückbehaltungsrecht in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrags besteht (Az. VIII ZR 19/14).
Renovierungspflicht
Wird eine Wohnung unrenoviert übergeben, sind Klauseln zu Schönheitsreparaturen im Mietvertrag unwirksam. Mieter müssen dann weder während der Mietzeit noch beim Auszug die Wohnung renovieren oder für eine unterlassene Renovierung Schadenersatz zahlen, urteilte der BGH. Reparaturklauseln im Mietvertrag sind in dieser Konstellation nur zulässig, wenn der Vermieter dem Mieter einen "angemessenen Ausgleich" für eigene Renovierungsleistungen zukommen lässt (Az. VIII ZR 185/14).
Tiere
Klauseln, die Tiere in der Mietwohnung untersagen, sind i. d. R. unwirksam. Der Bundesgerichtshof entschied, dass auch pauschale Verbote der Hunde- und Katzenhaltung in allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Mietvertrag unzulässig sind (Az. VIII ZR 168/12).
Vorkaufsrecht
Werden Immobilien nach dem Vertragsbeginn in Eigentumswohnungen umgewandelt, haben die Mieter bei Veräußerung ein Vorkaufsrecht. Unterbleibt der Hinweis, können sie Schadenersatz fordern, entschied der BGH (Az. VIII ZR 51/14).
Wohnungsmängel
Streiten die Vertragsparteien, wer für Wohnungsmängel, etwa Schimmelbefall, verantwortlich ist, liegt die Beweislast grundsätzlich beim Vermieter.Er muss per Gutachten nachweisen, dass Baumängel als Ursache auszuschließen sind. Erst dann muss der Mieter belegen, dass er Schäden nicht durch eigenes Fehlverhalten beim Lüften und Heizen verursacht hat (Az. VIII ZR 313/08).
Wohnungsübergabe
Eine Wohnung muss vor einer Neuvermietung nicht in jedem Fall komplett renoviert werden. Entscheidend ist, ob die Räume einen "renovierten Gesamteindruck" machen. Der Übergang kann allerdings fließend sein, entschied das Landgericht Berlin (Az. 67 S 140/15).
Zigarettenkonsum
Rauchen in der Mietwohnung gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch und kann nicht vom Vermieter untersagt werden. Mieter dürfen auf dem Balkon rauchen, wenn die Nachbarn dadurch "nicht erheblich" beeinträchtigt werden. Der Bundesgerichtshof urteilte, dass der Tabakkonsum in diesem Fall lediglich zeitlich einschränkbar sein kann (Az. V ZR 110/14).
Urteile Zugunsten der Vermieter:
Echter EigenbedarfVermieter dürfen ihren Mietern wegen Eigenbedarfs nicht nur bei Gründung einer ehelichen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaft berechtigt kündigen, sondern auch bei Bildung einer "kameradschaftlichen Wohngemeinschaft". An die Dauer des geltend gemachten Eigenbedarfs dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Häufig ist ein Nutzungswunsch von etwa einem Jahr ausreichend, befand der BGH (Az. VIII ZR 166/14).
Einzugsveto
Ein Mieter, der den Mietvertrag als Single geschlossen hat, darf seinen nichtehelichen Lebensgefährten nur mit der Erlaubnis des Vermieters in die Wohnung einziehen lassen. Nur wenn der Mieter gehei- ratet oder eine amtliche Partnerschaft begründet hat, ist ein Veto des Vermieters gegen den Einzug des Lebensgefährten nicht länger möglich (Az. VIII ZR 371/02).
Mieterhöhung
Soll die Miete erhöht werden, gelten für die erforderliche Begründung großzügige Maßstäbe. Die Wohnung muss mit teurer vermieteten Objekten nur vergleichbar sein, diesen aber nicht entsprechen. Auch eine Übereinstimmung in allen wesentlichen Wohnwertmerkmalen ist nicht nötig, befand der BGH (Az. VIII ZR 216/13).
Mietnebenkosten
Betriebskostenabrechnungen führen oft zu Streit. Anstelle eines konkreten Umlageschlüssels kann ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach "billigem Ermessen" des Vermieters vereinbart werden - zum Beispiel eine Verteilung der Betriebskosten nach Wohnungseinheiten, urteilte der BGH (Az. VIII ZR 257/13).
Schönheitsreparaturen
Vermieter müssen keine Schönheitsreparaturen durchführen, wenn ein Mieter die Wohnung renoviert, obwohl er dazu nicht verpflichtet war. Führt er diese Arbeiten zudem mangelhaft aus, etwa mit sichtbaren Nahtstellen an der Tapete oder Tropfnasen beim Anstrich von Heizkörpern und Türen, besteht keine Nachbesserungspflicht des Vermieters, befand der BGH (Az. VIII ZR 251/14).
Untermieter
Überlassen Mieter ihre Wohnung oder Teile davon Dritten ohne Erlaubnis zur Untermiete, kann der Vermieter den Vertrag fristlos kündigen. Auch eine nur tageweise Vermietung, etwa über das Touristenwohnungsportal Airbnb, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Vermieters, entschied der BGH (Az. IZR 210/13).
Zigarettengeruch
Vermieter dürfen Mietern wegen Gerüchen im Treppenhaus fristlos kündigen, wenn eine "nachhaltige Störung des Hausfriedens" nachweislich vorliegt. Gelangt zum Beispiel Zigarettenrauch aus einer Mietwohnung ins Treppenhaus, kann bei einer schweren Belästigung der übrigen Bewohner die Kündigung gerechtfertigt sein, urteilte kürzlich der BGH (Az. VIII ZR 186/14).
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