Euro am Sonntag-Meinung

Strategie überdenken: Guter Rat vom Griesgram

26.06.16 03:00 Uhr

Strategie überdenken: Guter Rat vom Griesgram | finanzen.net

Die Stimmungsschwankungen zwischen Optimismus und Pessimismus an den Börsen fressen die Renditen auf - außer, Anleger verfolgen eine besonnene Strategie.

von Colin Moore, Gastautor von Euro am Sonntag

Seit 2009 murre und klage ich, dass das Wirtschaftswachstum strukturell geringer sein wird, als viele Anleger erwarten. Damit mag ich als griesgrämig gelten. Doch als bekennender Griesgram möchte ich Sie um einen Gefallen bitten: Ziehen Sie eine Anpassung Ihrer Portfolios in Erwägung. Denn wir sollten uns darauf einstellen, dass im Anschluss an die Erholung von der Rezession, die wir erlebt haben, eine längere Phase geringen Wirtschaftswachstums von durchschnittlich etwa zwei Prozent folgt - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

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Zu den Gründen, warum das Wachstum nach wie vor niedrig ist, zählen meines Erachtens drei große Themen: demografische Trends, der Schulden­abbau im privaten Sektor sowie die Bildungspolitik und Entscheidungen zu Unternehmensinvestitionen. Das Wirtschaftswachstum ist abhängig vom Wachstum der Anzahl der Arbeitskräfte, dem Wachstum ihrer Produktivität und der Verschuldung. Da die Anzahl der Arbeitskräfte in den Industrieländern nur langsam wächst oder gar sinkt, sind wir umso mehr auf Produktivitätswachstum und eine höhere Verschuldung angewiesen. Dies erfordert umfangreichere Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie in Anlagen und Infrastruktur - Voraussetzungen, die nicht ausreichend gegeben sind.

Für die Finanzmärkte ist das niedrige Wachstum von Bedeutung, da in wachstumsschwachen Phasen verstärkt Emotionen um sich greifen. Unser emotionales Verhalten angesichts der Schwankungen im Konjunkturverlauf und am Finanzmarkt ist generell schwer kontrollierbar: Anleger werden zu optimistisch, wenn das Wachstum eine bestimmte Schwelle übersteigt, und zu pessimistisch, wenn das Wachstum enttäuschend ausfällt. Dieser Effekt verstärkt sich in Phasen schwachen Wachstums und kann wesentliche Aspekte aus dem Fokus drängen.
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Dabei gibt es trotz wirtschaftlicher und geopolitischer Probleme auch ermutigende Anzeichen - zum Beispiel am Arbeitsmarkt, im Immobiliensektor und bei der Absatzentwicklung im Automobilsektor. Hinzu kommt, dass die Bewertungen angemessen sind und durch ansehnliche Gewinnniveaus unterstützt werden. Der Anstieg der Nettogewinne dürfte angesichts des mäßigen Wirtschaftswachstums verhalten ausfallen. Die Gewinne je Aktie könnten aufgrund von Aktienrückkäufen zwar stärker steigen. Doch Aktienrückkäufe können zulasten von Investitionen in Projekte und Arbeitskräfte gehen, die für künftiges Wachstum nötig sind.

Mehr auf Volatilität statt auf
Renditemaximierung achten

Vermehrte Schwankungen zwischen optimistischer und pessimistischer Stimmung dürften dazu führen, dass der Aktienmarkt sich volatiler als gewohnt entwickelt. Aufgrund des geringen Wachstums bieten Aktien mäßiges Aufwärtspotenzial. Ich bin aber davon überzeugt, dass die meisten Anleger nicht in den Genuss der möglichen Renditen kommen werden. Denn bei der ­aktuellen Stimmungslage tendieren Anleger dazu, bei niedrigen Kursen zu verkaufen und bei hohen Kursen zu kaufen. Damit entsprechen die tatsächlichen Renditen nicht dem Marktdurchschnitt.

Dies führt mich auf meine eingangs formulierte Bitte zurück, eine Anpassung Ihrer Portfolios in Erwägung zu ziehen. Dabei sollten Sie weniger auf Renditemaximierung, sondern stärker auf möglichst konsistente Renditen setzen. Das läuft wahrscheinlich auf ein ­geringeres Aktienengagement hinaus, entweder indem Sie weniger Kapital in Aktien investieren oder indem Sie den Beta-Faktor anpassen. Ein Dividenden­fonds kann beispielsweise ein Beta von 0,85 aufweisen - d. h. je investiertem Euro beträgt das Exposure in Bezug auf die Aktienvolatilität 85 Cent - während bei wachstumsstarken Fonds ein Beta von 1,1 oder darüber hinaus möglich ist. Des Weiteren würde ich Strategien bevorzugen, die eher darauf abzielen, direkt die Volatilität eines Portfolios statt die Rendite zu steuern. Solche Strategien können zwar zu niedrigeren erwarteten Renditen führen. Doch wer sie nutzt, erhöht angesichts der geringeren Volatilität des Portfolios die Wahrschein­lichkeit, länger investiert zu bleiben und damit tatsächlich Renditen zu erzielen.
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zur Person:

Colin Moore, CIO bei
Columbia Threadneedle Investments

Moore ist globaler Chief Investment Officer bei Columbia Threadneedle Investments. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung an den Kapitalmärkten. Columbia Threadneedle bietet privaten, institutionellen und Firmenkunden ein breites Spektrum an ­aktiv verwalteten Anlagestrategien und -lösungen. Mit mehr als 2.000 Mitarbeitern in Nordamerika, Europa und Asien verwaltet die Gesellschaft ein ­Vermögen von gut 464 Milliarden Euro.

Bildquellen: Columbia Threadneedle , MichaelJayBerlin / Shutterstock.com