Kredithürden abbauen: Wer den Schaden hat
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Die EU-Wohnimmobilien-Kredit-Richtlinie wurde eingeführt, um die Verbraucher vor Überschuldung zu schützen. Doch herausgekommen ist ein Gesetzes-Fiasko.
von Jürgen Gros, Gastautor für Euro am Sonntag
Verbraucherschutz ist wichtig. Doch mitunter übertreibt der Gesetzgeber. Dann wird aus Schutz Bevormundung und wirtschaftlicher Nachteil für den Verbraucher, so wie beim Umsetzungsgesetz der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Seit 21. März in Kraft, soll es die Bürger davor bewahren, sich mit einem Immobiliarkredit zu überschulden. Doch tatsächlich bringen die rigiden Regeln manchen um die Chance, ein Haus zu kaufen oder die eigene Immobilie zu renovieren.
Die Praxis zeigt: Die neuen Vorgaben zwingen die Banken zu einer deutlich restriktiveren Vergabe von Bau- und Renovierungsdarlehen. Kurz gefasst gilt: Die Werthaltigkeit der finanzierten oder belasteten Immobilie darf bei der Kreditgewährung nicht mehr im Vordergrund stehen. Vielmehr müssen die Institute bei der Bonitätsprüfung hellseherisch Berufs- und Lebensweg ihrer Kunden teilweise über Jahrzehnte einschätzen - ein Ding der Unmöglichkeit. Die Folge: So mancher Kunde, der bis zum 20. März kreditwürdig war, erhält jetzt keine Finanzierung mehr.
Das trifft verschiedene Verbrauchergruppen, von der jungen Familie über den Selbstständigen bis hin zum Rentner. Früher konnten sie Bestandsimmobilie, Kauf- oder Bauobjekt als Sicherheit einbringen. Doch diese Option scheidet nun in der Regel aus. In der Praxis kommt es jetzt bei Sanierungen und altersgerechten Umbaumaßnahmen ebenso zu Schwierigkeiten wie beim Immobilienerwerb im fortgeschrittenen Lebensalter des Kunden. Und die familiären Tragödien bei nicht gewährten Anschlussfinanzierungen für auslaufende Kreditverträge sind absehbar.
Denn die Gesetzeslage wird unweigerlich zum einen oder anderen Zwangsverkauf führen. Und das liegt einzig daran, dass der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie schärfer als notwendig umgesetzt und Gestaltungsspielräume nicht genutzt hat.
Banken lehnen aufgrund der Gesetzeslage zunehmend Kreditanträge ab - weil sie das müssen, um nicht in rechtliche Untiefen des Verbraucherschutzes zu geraten. Stichproben zeigen einen Zuwachs von 20 bis 25 Prozent bei den Ablehnungen. Eine Bundesbank-Umfrage bestätigt das: Erkennbar waren Institute bei der Vergabe von Wohnungsbaukrediten im zweiten Quartal 2016 zurückhaltender und haben ihre Kreditvergaberichtlinien deutlich gestrafft. Das führen die Bundesbank-Analysten insbesondere auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurück. Der Gesetzgeber, allen voran das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, sollte daher das Gesetz zügig korrigieren.
Natürlich ist es richtig, die Verbraucher vor Überschuldung zu schützen. Die Kreditgenossenschaften in Bayern unterstützen dies. Genau aus diesem Grund haben die Institute die Bonität ihrer Kunden schon vor Inkrafttreten der neuen Regeln sorgfältig geprüft. Das zeigt die niedrige Ausfallquote von Immobilienkrediten. Bei den bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken beträgt sie gerade einmal 0,5 Prozent.
Gesetzgeberisches Strebertum
schadet dem Verbraucher
Der Gesetzgeber tut gut daran, die unsinnigen Kredithürden wieder abzubauen. Drei Punkte sind dabei wichtig: Erstens sollten Bau- und Renovierungsdarlehen bei dinglicher Absicherung wieder erlaubt sein. Zweitens müssen für bestehende Kredite Übergangsregelungen zu Anschlussfinanzierungen geschaffen werden. Und drittens sollte es weiterhin möglich sein, Kredite den Kundenwünschen entsprechend auszureichen und grundpfandrechtlich zu besichern. Dazu sollte der deutsche Gesetzgeber endlich die in der europäischen Richtlinie gegebenen Spielräume nutzen. Davon abweichendes gesetzgeberisches Strebertum ist fehl am Platz. Es schadet dem Verbraucher.
Und eins zum Schluss: Das angerichtete Gesetzesfiasko sollte all denen eine Mahnung sein, die im politischen Berlin und anderswo gerade über zusätzliche Eigenkapitalanforderungen für Immobilienkredite und die Sinnhaftigkeit von Vorfälligkeitsentschädigungen nachdenken. Die Einführung des einen und die Streichung des anderen hätten nur eins zur Folge: Dem Kunden wird der Immobilienerwerb weiter erschwert.
Kurzvita
Vorstand
Genossenschaftsverband Bayern
Gros ist seit 2015 Mitglied des Vorstands des Genossenschaftsverbands Bayern e.V. (GVB). Der promovierte Politologe vertritt die Interessen von
1294 genossenschaftlichen Unternehmen. Dazu zählen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie ländliche und gewerbliche Unternehmen mit insgesamt rund 52 000 Beschäftigten und 2,9 Millionen Mitgliedern. Damit bilden die bayerischen Genossenschaften eine der größten mittelständischen Wirtschaftsorganisationen im Freistaat.
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Bildquellen: Genossenschaftsverband Bayern e. V., Genossenschaftsverband Bayern e.V.