JLL-Chef Ulbrich: "In Deutschland sehe ich keine Blase"
Preise und Mieten steigen, ein Ende ist nicht in Sicht, das gilt für Wohnungen und Büros. Christian Ulbrich, der Chef des Maklerhauses Jones Lang Lasalle erklärt, warum das so weitergeht und wo gebaut werden kann.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Kommt die Immobilienblase also doch? Betroffen sollen München und Frankfurt sein. So sehen es zumindest Experten der Großbank UBS. Schließlich seien in diesen und einigen weiteren Städten die Kaufpreise viel stärker als die Mieten gestiegen. Dass solche Meldungen nun die Runde machen, kommt nicht von ungefähr, schließlich findet kommende Woche in München mit der Expo Real die weltgrößte Immobilienmesse statt.
Christian Ulbrich teilt diese Meinung nicht. Der Chef des Maklerhauses und Immobiliendienstleisters Jones Lang Lasalle sprach mit €uro am Sonntag in seinem Frankfurter Büro offen darüber, dass sein Unternehmen durch den Immobilienboom gutes Geld verdient. Gleichzeitig ist er besorgt, was den Mangel an Wohnraum in Deutschland angeht. Ihn treiben zudem die Fragen um, wo und wie wir künftig wohnen werden und was die Digitalisierung in seiner Branche bewirkt.
€uro am Sonntag: Herr Ulbrich, wie arbeiten und wohnen wir in 30 Jahren?
Christian Ulbrich: Wir leben in einem Zeitalter, in dem sich die Welt komplett digitalisieren wird, und das wird auch Immobilien einschließen. Ob wir das mögen oder nicht, es wird passieren. Sie werden in 30 Jahren in der Lage sein, ihre Wohnung komplett aus der Distanz zu steuern. Ihre Wohnung wird permanent online sein und etwa Einkäufe oder das Reinigen selbst ordern. Das Gleiche gilt fürs Büro.
Klingt gespenstisch, wenn am Ende der Computer alles bestimmt.
Ob wir es wollen oder nicht: Alles, was technisch möglich ist, wird auch umgesetzt werden. Das sehen Sie zum Beispiel auch an der Diskussion um Kriegsroboter, die derzeit geführt wird. Ich finde den Gedanken schrecklich, aber ich glaube nicht, dass wir diese Entwicklung aufhalten können.
Werden die Grenzen zwischen Büro und Wohnung fließend werden?
Das ist ein gesellschaftlicher Umbruch. Früher waren Arbeit und Privatsphäre scharf getrennt. Gewerkschaften haben jahrzehntelang für bestimmte Arbeitszeiten gekämpft. Nun wollen Menschen ihr Leben nach ihrer Fasson gestalten.
Sind die USA da mal wieder Vorreiter?
Wenn wir USA sagen, denken die Menschen an Kalifornien oder New York, aber da ist ziemlich viel Land dazwischen, das nicht immer fortschrittlich ist. Vorreiter sind eher nordeuropäische Länder wie Schweden oder Estland.
Stichwort Schweden. Der Internationale Währungsfonds sieht dort die Gefahr einer Immobilienblase. Sie auch?
Eine Blase entsteht meiner Ansicht nach immer dann, wenn wir einen Preisanstieg haben, der nicht mehr durch die fundamentale Nachfrage gerechtfertigt ist. Momentan haben wir in vielen Metropolen der Welt einen starken Zuzug von Menschen, die eine hohe Nachfrage erzeugen, gleichzeitig ist der Bedarf an Wohnfläche pro Kopf etwa durch die steigende Zahl der Singlehaushalte gestiegen. Das führt zu noch mehr Nachfrage und höheren Preisen. Ich kann - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht erkennen, dass es irgendwo spekulative Übertreibungen gibt. Zumal die Finanzierungen durch die Banken, anders als in den Jahren 2007 und 2008, sehr solide sind.
Wo sind die wenigen Ausnahmen?
Eine der Ausnahmen sind bestimmte Märkte in China, wo - warum auch immer - Projekte entwickelt wurden, die heute Geisterstädte sind.
Gibt es hierzulande Ausnahmen?
In Deutschland sehe ich gar keine Blase. Wir haben eine große Disziplin der Banken, eine starke Nachfrage. Die Preise sind eben gestiegen, das ist alles.
Also wird die nächste Finanzkrise ihren Ursprung nicht in der Immobilienwirtschaft haben?
Ganz sicher nicht, obwohl sehr viel Geld im Markt ist. Woher kommt inzwischen das meiste Geld, das man Ihnen anvertraut? Das meiste "neue" Geld kommt aus Asien. Es ist zunächst aber nicht immer als solches erkennbar, weil das Geld etwa in US-amerikanische Fonds gegeben wird, die dann investieren.
Wo wird das Geld angelegt?
Das Geld braucht Märkte, die gut reguliert sind und groß und liquide genug, um Milliardenbeträge aufzunehmen. Andernfalls bekommen Sie Ihr Geld nicht mehr heraus. Unter diesem Aspekt bleiben da nur die großen nordamerikanischen Städte wie New York und die Metropolen der dominierenden demokratischen Volkswirtschaften. Also die wichtigsten Städte in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und mit Abstrichen in den Niederlanden, in Italien und Spanien sowie Australien.
Diese Märkte kann man aber als mehr oder minder leergefegt bezeichnen. Wo winken denn dort noch hohe Renditen?
Es wird immer komplizierter, eine Immobilie zu besitzen und damit gutes Geld zu verdienen. Die Wahrscheinlichkeit von Fehlgriffen ist größer als bislang.
Wer jetzt kauft, wird Geld verlieren?
Das kommt auf die Professionalität an. Es gibt immer die Möglichkeit, Geld zu verdienen. Aber wenn Leute glauben, ihre Anleihen verkaufen zu müssen, um das Geld in Immobilien zu stecken, dann geht das wahrscheinlich nicht gut. Immobilien sind kein Festgeldersatz.
In den USA steigen die Zinsen, in Europa noch nicht. Was kann das für Folgen haben?
Immobilien waren in den vergangenen Jahren außergewöhnlich lukrativ, weil Kredite günstig waren und die Renditen um einige Prozentpunkte darüber lagen. Das hat viele Menschen in dieses Geschäft gezogen. Dieser Unterschied wird nun immer geringer. Wenn zehnjährige US-Staatsanleihen in den Bereich von vier bis 4,5 Prozent kommen, werden viele sich die Frage stellen, ob sie sich noch die Komplexität einer Immobilienanlage antun wollen.
Wann wird das in Europa so sein?
In den nächsten fünf Jahren eher nicht.
Das heißt, die Party geht weiter?
Nicht unbedingt, denn jede Immobilie braucht jemanden, der sie mietet. Fallen Mieter aus, nutzt Ihnen die schönste Immobilie nichts. Aktuell mag das gut aussehen, aber ich werde mich hüten, da eine langfristige Prognose abzugeben. Denn es gibt Risiken zuhauf.
Das macht sichere Häfen wie Deutschland attraktiv.
Das ist ein zu einfacher Rückschluss. Natürlich kommt in der Krise mehr Geld in sichere Häfen. Aber in einer Wirtschaftskrise wird auch das exportabhängige Deutschland schwächeln und dann wären wir wieder bei den Mietern von Büros und Fabrikhallen, die weniger Bedarf haben.
Noch ist die Nachfrage groß und das Angebot ist vielerorts knapp.
Letzteres liegt vor allem darin begründet, dass zu wenig gebaut wird, weil die Baubranche nicht mehr bauen kann.
Prognosen besagen, dass 2050 hier viel weniger Menschen leben. Lohnt es sich noch, neue Siedlungen zu schaffen?
Die demografischen Prognosen für Deutschland waren bislang falsch. Fakt ist, wir haben einen starken Zulauf in Städte, die eine entsprechende Struktur haben. Und um diese Menschen aufzunehmen, braucht es etwas Kreativität.
Inwiefern?
Neben den klassischen Reserven wie schlecht genutzten Gewerbeflächen gibt es in vielen deutschen Städten genügend große, breite Straßen, die man überdeckeln könnte, um so Platz zu schaffen. Es gibt gelungene Beispiele etwa in Düsseldorf die Rheinuferstraße oder in Hamburg die Überdeckelung der A7. Aber solche Vorhaben sind kompliziert, unpopulär und dauern lange.
Gibt es Länder, in denen das schneller umgesetzt wird?
Das ist eine gefährliche Frage. Als ich einmal ein Beispiel aus China herangezogen habe, wurde mir vorgeworfen, Demokratie gegen effizientere Infrastruktur eintauschen zu wollen. Wir haben in Europa und den USA das Problem, dass wir uns nur noch sehr langsam bewegen können. Die Bevölkerung ist satt und nicht gewillt, kurzfristige Nachteile zugunsten eines langfristigen Fortschritts in Kauf zu nehmen.
Hier wären wir aber wieder beim demokratischen Prozess und Politikern, die wiedergewählt werden wollen. Und wenn alles bleibt wie gehabt, werden die Preise weiter steigen?
Das werden sie, vor allem auch, weil die Preise und Mieten hierzulande noch sehr niedrig sind.
Das sehen viele Mieter aber anders.
Ich weiß, aber wir müssen etwa in Berlin der Tatsache ins Auge sehen, dass es keine vergleichbare Stadt in Europa gibt, die mit ähnlich günstigen Mieten aufwarten kann.
Ist die Mieterlobby zu stark?
Das zu beurteilen maße ich mir nicht an. Ich bin aber sicher: Das deutsche Mietrecht und das Baurecht werden dazu führen, dass kleine Vermieter ihre Wohnungen loswerden und das Feld großen Unternehmen überlassen.
Wie kann man die kleinen, "netten" Vermieter am Markt halten?
Ein einfacheres Miet- und Baurecht wären ein Anfang, aber das sehe ich nicht kommen. Ich würde mich hüten, eine Wohnimmobilie zu kaufen, um sie zu vermieten. Ich traue es mir nicht zu, mit angemessenem Aufwand alle Regeln und Vorschriften zu beachten.
Gibt es hierzulande noch unentdeckte Immobilienmärkte?
Das glaube ich nicht, zumindest nicht in einem relevanten Rahmen. Es ist inzwischen so viel Geld in den Immobiliensektor geflossen, sodass sämtliche relevanten Märkte abgedeckt sind. Es mag vielleicht noch kleine Nischen geben, aber keine, von denen wir behaupten könnten, das ist das nächste große Ding.
Sie haben sich einmal als "Banker aus Leidenschaft" bezeichnet. Können Sie sich denn vorstellen, zu einer Bank zu gehen?
Man soll nie nie sagen, aber die Welt der Banken hat sich kolossal verändert und da sind bemerkenswerte Herausforderungen zu meistern. Ich bin froh, dass ich mehr durch Zufall als durch große eigene Planung in einer anderen Branche gelandet bin.
Die weniger kompliziert ist?
Immobilien sind kompliziert. Es ist immer gut, wenn Sie einen Gegenstand haben, der kompliziert ist, denn dann ist Ihr Rat gefragt. Das ist gerade das Problem der Banken, denn sie haben einige Geschäftsfelder, die nicht so kompliziert sind. Dann ist es umso komplizierter, mit diesen Geschäften Geld zu verdienen. Banken haben viele Probleme zu bewältigen, neben der strengeren Regulierung vor allem die Digitalisierung. Es gibt Banken, die sind jung und verdienen gutes Geld, und solche, die vor 20 Jahren Giganten waren und nun wandelnde Leichen sind, ohne Chance, wieder ihre alte Größe zu erlangen.
Dazu passt, dass Wirecard die Commerzbank im deutschen Auswahlindex DAX abgelöst hat.
Unternehmen, die mit einer guten Geschäftsidee neu starten, haben es immer leichter als die Etablierten, deren Geschäfte an sich gut laufen. Das gilt auch für unser Unternehmen. Angesichts der vergangenen zehn sehr erfolgreichen Jahre ist es schwer, den fast 90 000 Kollegen zu erklären, dass wir uns verändern müssen, um weiterhin gute Geschäfte zu machen.
Kurzvita
Christian Ulbrich
Der 52-jährige Hamburger gilt als einer der einflussreichsten Menschen der Immobilienbranche. Dabei ist er von Haus aus Banker und kam 2005 nach Engagements bei verschiedenen Banken zu Jones Lang Lasalle (JLL). Der weltweit zweitgrößte Makler und Immobiliendienstleister beschäftigt fast 90.000 Mitarbeiter weltweit. Dem dreifachen Familienvater Ulbrich ist Luxus einerlei, sein Auto etwa ist 13 Jahre alt. Wobei er hierzulande recht selten am Steuer zu finden ist. Lediglich zwei bis drei Tage pro Monat verbringt er im Schnitt in Deutschland.
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Bildquellen: Axel Griesch für Finanzen Verlag