Euro am Sonntag-Interview

Immo-Experte: "Grüne Häuser sind in den USA die Zukunft"

02.07.16 14:00 Uhr

Immo-Experte: "Grüne Häuser sind in den USA die Zukunft" | finanzen.net

Nach der Brexit-Entscheidung suchen Investoren weltweit nach sicheren Sachwertanlagen. Lorenz Reibling, Chef der Taurus Investment Holdings in Boston, zu den Perspektiven des amerikanischen Wohnimmobilien-Marktes.

Werte in diesem Artikel
Devisen

1,0399 USD -0,0006 USD -0,05%

von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Euro am Sonntag: Wie sehen Sie aktuell den deutschen Immobilienmarkt?
Lorenz Reibling: Die steigenden Preise hierzulande schmälern die Renditen zusehends. Die weitere Lockerung der Europäischen Geldpolitik wird die Märkte zwar bald weiter euphorisieren, aber die Renditeminderung nur noch verstärken. Dabei bieten sich für Privatanleger durchaus rentablere Alternativen - etwa Wohnimmobilien-Investments in den USA.

Hat die Brexit-Entscheidung auch für den US-Immobilienmarkt Konsequenzen?
Der Brexit bringt zusätzliche Volatilität in einen ohnehin sensiblen europäischen Markt. Es ist logisch, dass Investoren ihre Allokationen umschichten und in den USA in Deckung gehen. Weder die EU noch Großbritannien sind noch sichere Häfen für internationale Investoren.

Was spricht derzeit noch für einen Einstieg in den US-Immobilienmarkt?
Zum einen weist der Markt sehr attraktive Fundamentaldaten auf. Die US-Wirtschaft hat sich inzwischen gänzlich von der Finanzkrise erholt. Die Arbeitslosenquote ist saisonbereinigt innerhalb nur eines Jahres von 5,7 Prozent auf aktuell 4,9 Prozent gesunken, ein neuer Rekordstand. Das Wirtschaftswachstum lag im Jahr 2015 bei robusten 2,6 Prozent. Die guten Wirtschaftsdaten bieten ein solides Fundament für eine steigende Zahl von Haushaltsgründungen. Zum andern ist die Leerstandsquote auf dem Wohnungsmarkt in den vergangenen fünf Jahren rapide gesunken und liegt momentan bei fünf Prozent. Die Bautätigkeit ist dagegen seit 2009 nur mäßig angestiegen.

Wie sehen die konkreten Zahlen aus?
Die Zahl der Baufertigstellungen lag im Jahr 2015 im Segment der Mehrfamilienhäuser bei gut 321.000 und bei Einfamilienhäusern bei rund 650.000. Im Krisenjahr 2009 waren es etwa 275.000 Mehr- und 520.000 Einfamilienhäuser. Von 2009 bis 2013 gab es auch kaum neue Baulanderschließungen. Seit der Finanzkrise sind die USA dadurch mit Bauland für Wohnhäuser massiv unterversorgt. All das macht amerikanische Wohninvestments derzeit zu einer besonders interessanten Anlageklasse.

Gibt es außer den nackten Zahlen weitere Argumente für den US-Markt?
Derzeit vollzieht sich eine überaus spannende Trendwende auf dem US-Immobilienmarkt, die auch Immobilieninvestoren neue Chancen eröffnet: Viele Amerikaner legen vermehrt Wert auf Energieeffizienz und einen umweltfreundlichen Lebensstil. Vor allem bei Wohnimmobilien vollzieht sich allmählich ein Paradigmenwechsel hin zu klimafreundlichen Häusern. Das in Deutschland vorherrschende Bild des verschwenderischen Amerikaners entspricht nicht mehr der Realität. Die Auswirkungen des veränderten Weltklimas haben bei vielen Amerikanern ein Umdenken ausgelöst. Insbesondere Katastrophen wie der Hurrikan Catrina haben sich tief ins kollektive Gedächtnis der Bevölkerung gebrannt.

Was tut die US-Regierung für umweltfreundliches Wohnen?
Auch vor dem Hintergrund der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 hat die US-Regierung beschlossen, dass bis zu einer Milliarde US-Dollar in die CO2-Reduktion investiert werden sollen. Künftig werden Energiestandards zudem noch stärker gesetzlich verankert und beeinflussen dadurch die Entscheidungen der Investoren maßgeblich. Ein großer Markt in dieser Hinsicht sind Nullenergiehäuser.

Welche Region ist dabei führend?
Die Stadt Austin im US-Bundesstaat Texas sieht sich hier als Pionier und hat sich vorgenommen, bis 2050 komplett klimaneutral zu funktionieren. Dies ist sehr ambitioniert, da die Stadt durch ihren boomenden Hightech-Sektor zu den fünf größten Wachstumszentren der USA gehört. Jeden Monat wächst Austin um 5.600 Einwohner. Um den Neubürgern Wohnraum zu bieten und gleichzeitig das Ziel der Klimaneutralität nicht aus den Augen zu verlieren, wird dort gerade eine komplett CO2-neutrale-Siedlung namens "Whisper Valley" (zu Deutsch: Flüstertal) von Taurus Investment Holdings in enger Abstimmung mit der Stadt Austin entwickelt.

Wie wird dort die Trendwende konkret vollzogen?
Bereits ab dem Jahr 2018 plant die Stadt Austin nur noch Häuser mit Nullenergiehaus-Standard zu genehmigen - ein Trend der sich auch im Rest der USA durchsetzen wird. Whisper Valley dient hier als Pilotprojekt. Das wird sich Schritt für Schritt auch in anderen Märkten etablieren, da die Nachfrage nach energieeffizienten Immobilien unweigerlich steigt. Auf 810 Hektar sollen 7.500 klimaneutrale Eigenheime entstehen, die komplett über ein zentrales Geothermalnetz und Photovoltaikanlagen mit Energie versorgt werden können.

Wie stellen Sie sich als Immobilien-Unternehmer darauf ein?
Für dieses Vorhaben haben wir eine eine neue Tochtergesellschaft, die EcoSmart Solutions LP (ESS), gegründet, die nachhaltige Energieinfrastruktur-Programme implementiert und auf Immobilienprojekte überträgt. Bisher sind neben Marktriesen wie Google Fiber und Google Nest vor allem deutsche Technologien gefragt: Bosch und BASF sind auch an dem Projekt beteiligt. Bosch stellt dabei die Erdwärmepumpen bereit, Rehau entwickelt das Geothermalnetz und BASF rüstet die Häuser mit der neuentwickelten Dämmschicht HP+ aus, die auch tragende Eigenschaften besitzt.

Welches Feedback erhalten Sie von Seiten potenzieller Käufer?
Das Käuferinteresse ist hoch. Alle 237 Grundstücke der Phase I sind bereits mit großen Bauträgern unter Vertrag. Noch in diesem Sommer werden die Häuser dann von renommierten Bauträgern errichtet. Whisper Valley ist bisher das größte Projekt seiner Art in den USA. Die Preise für die Häuser liegen zwischen 160.000 und 300.000 US-Dollar. Die komplette Energieinfrastruktur des neuen Nullenergie-Stadtteils wird dabei durch eine monatliche Gebühr von rund 175 Dollar je Haushalt über 25 Jahre finanziert. Damit sind die Hausbesitzer gegen steigende Energiekosten quasi versichert. Weitere Energiekosten werden sie so gut wie keine haben.

Wie sind die Rendite-Perspektiven für Investoren?
Nullenergiehäuser erfahren einen unvergleichlichen Wertzuwachs. Beim Verkauf winkt eine "Innovationsprämie". Hausbesitzer, deren Häuser die neuen, klimafreundlichen Richtwerte erfüllen, noch bevor sie zum gesetzlichen Standard werden, verfügen über einen Zeit- und Marktvorteil. Sie sind gegenüber allen Nachzüglern beim Verkauf klar im Vorteil, denn ihr Haus steht schon, während andere energetisch noch nachrüsten werden müssen. Dieses Prinzip hat Taurus zuvor schon bei kleineren Projekten in New York und Boston angewendet. Taurus erwarb dort etwa 1.000 Mietwohnungen, sanierte sie energieeffizient und verkaufte sie mit Renditen zwischen 18 und 30 Prozent.

Welche Rolle spielen "Smart Homes" auf dem US-Immobilienmarkt?
Eng verbunden mit dem Konzept der Nullenergiehäuser sind sogenannte Smart-Home-Technologien, die bei Investments in den USA durchaus Beachtung finden sollten. Generell sind Amerikaner offener als Europäer gegenüber neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und bereits an die Digitalisierung vieler Lebensbereiche gewöhnt. Smarte Technologien im eigenen Haus finden daher in den USA immer mehr Anwendung. Auch alle Häuser im Whisper Valley werden mit einem Gesamtpaket für Smart-Home-Technologie des Google Unternehmens Nest sowie dem ultraschnellen Google Fiber Glasfasernetz (1 Gbit/s) ausgestattet. Durch diese Technologien lässt sich die Energieeffizienz zusätzlich steigern. Dadurch können Hausbesitzer etwa 130 bis 145 US-Dollar jährlich einsparen. Außerdem ermöglicht die Smart-Home-Technologie eine intelligente Vernetzung zwischen den Häusern. Erst dadurch entsteht eine intelligent vernetzte Siedlung, die durch neueste technologische Standards CO2-neutral funktioniert. Der US-Immobilienmarkt ist momentan also nicht nur von einer stabilen Wirtschaftslage unterfüttert, er bietet vor allem hinsichtlich der Klima-Trendwende interessante Chancen und ein großes Entwicklungspotenzial für Immobilieninvestments.

Kurzvita

Lorenz Reibling ist Chairman und Sprecher von Taurus Investment Holdings in Boston. Die Firma ist spezialisiert auf vermögende Kunden, die in US-Immobilien investieren Er hat in den vergangenen 33 Jahren hunderte von gewerblichen Immobilientransaktionen mitverwaltet und begleitet. Er ist Berater des renommierten MIT/CRE Center of Real Estate in Cambridge, MA, USA und Professor am Boston College.

Bildquellen: Taurus Investment Holding