Euro am Sonntag

Chance durch Leuchtturmprojekte

31.12.18 01:00 Uhr

Chance durch Leuchtturmprojekte | finanzen.net

Bei aller berechtigten Kritik an der Kostenexplosion bei der Hamburger Elbphilharmonie - das Gebäude wertet die HafenCity und die gesamte Stadt auf.

von Mathias Düsterdick, Gastautor von Euro am Sonntag

Was wäre Paris ohne den ­Eiffelturm, San Francisco ohne seine Golden Gate Bridge oder Berlin ohne das Brandenburger Tor? Sicherlich wären es weiterhin lebenswerte Städte, doch durch das Fehlen dieser imposanten Bauwerke wären sie zum Teil einer ­ihrer Identitätsmerkmale beraubt. Es sind die Symbole der Städte, die sie ins Licht der Öffentlichkeit rücken und ihnen Auftrieb verleihen. Doch in einer dynamischen Welt bedarf es immer wieder neuer "Leuchttürme", die als das ­Außergewöhnliche aus dem Gewöhnlichen herausstechen und es schaffen, neu zu begeistern.



In einem stetigen Wettbewerb um ­Investitionen, Unternehmen, Arbeitskräfte, Bewohner und Besucher sind Städte gezwungen, sich stetig weiterzuentwickeln, sich stärker zu vermarkten und die eigene Stadtpersönlichkeit zu schärfen. Leuchtturmprojekte dienen dabei nicht nur als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Städten, sondern können auch innovative Anstoßeffekte für die eigene Stadtentwicklung liefern.

Mit welcher Kraft Leuchtturmprojekte auf das Image einer Stadt einwirken können, zeigt das Beispiel Bilbao. In den 1990er-Jahren war die Industrie­stadt im Norden Spaniens vom wirtschaftlichen Niedergang gekennzeichnet, bis 1997 das architektonisch einzigartige Guggenheim-Museum eröffnet wurde. Auch wenn die Entscheidung zum Bau des Gebäudes in der Öffentlichkeit zunächst kritisch beäugt wurde, führte dieser gewagte Schritt zu einer Aufwertung der Stadt, die somit ihr Image neu konstituieren konnte. Noch heute spricht man vom "Bilbao-­Effekt", wenn ganze Orte und Regionen von spektakulären Bauten grundlegend geprägt werden.


Einen ähnlichen Versuch unternimmt derzeit die schottische Stadt Dundee, bisher eher für die Produktion von Marmelade und Jute bekannt. Hier eröffnete vor Kurzem das Londoner ­Victoria & Albert Museum, das wohl meistbesuchte Designmuseum der Welt, seine erste Dependance. Mit ­einem spektakulären Bauwerk, welches an ein Schiff oder auch an einen Wal erinnert und somit auf Dundees Walfanghistorie anspielt, versucht die Stadt, sich neu zu positionieren. Ob sich ein ähnlicher Effekt wie in Bilbao einstellt, wird die Zeit zeigen.

Doch Leuchtturmprojekte können ebenso als Motoren der Quartiers­entwicklung dienen: So war und ist die Elbphilharmonie ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der HafenCity in Hamburg und für das Image der Hansestadt selbst. Das zeigt sich vor allem in steigenden Auslastungen im Hotel­segment und wachsenden Tourismuszahlen. Darüber hinaus profitieren davon sowohl der Einzelhandel als auch die Gastronomie.

Nachhaltige Nachnutzung
historischer Industriebauwerke

Zwangsläufig müssen Leuchtturmprojekte jedoch keine hochpreisigen, architektonisch herausragenden Bauwerke sein. Auch zukunftsweisende und nachhaltige Projekte mit Vorbildcharakter können sich als Leuchtturmprojekte ­positionieren. Man denke dabei an innovative Lösungen in der Projektentwicklung, wie beispielsweise den Technologiepark in Berlin-Adlershof, die zu diesem Effekt führen können.

Auch die aktuellen Projekte unserer Gruppe in Köln-Mülheim (Deutz Quartiere) und in Nürnberg (The Q) zählen dazu, obwohl hier weniger der innovatorische Ansatz als vielmehr die Verbindung zwischen Geschichte und Moderne im Vordergrund steht. In ­beiden Fällen werden ehemalige Firmenstandorte in mischgenutzte Quartiere umgewandelt. Insbesondere das ehemalige Quelle-Areal in Nürnberg soll in ein lebendiges und urbanes Quartier umgestaltet werden. Dieses Industriedenkmal hat eine ganze Epoche der Stadt und ihrer Einwohner geprägt und ist bis heute als identitätsstiftendes Bauwerk aus Nürnberg nicht wegzudenken.

Zudem veranschaulicht es die nachhaltige Nachnutzung historischer (Industrie-)Bauwerke bis in die Gegenwart. Oft kann schon die Symbiose aus Geschichte und Moderne alten Leucht­türmen neues Leben einhauchen. Man würde ja auch nicht den Parisern ihren Turm oder den Berlinern ihr Tor nehmen wollen.

zur Person:

Mathias Düsterdick
Vorstandschef der Gerchgroup

2015 gründete Düsterdick mit Christoph ­Hüttemann die Gerch­group. Seit über 20 Jahren ist er in der Projektentwicklung zu Hause, nachdem er ­zunächst in Immo­bilien- und Beratungsunternehmen tätig war. 2008 gründete er gemeinsam mit der Rickmers-­Gruppe, Hamburg, die PDI-Gruppe in Düsseldorf. 2015 verkaufte er seine Anteile. Düsterdick ist Gastdozent an der Akademie der Immobilien­wirtschaft.



Bildquellen: GERCHGROUP AG, Andrey_Kuzmin / Shutterstock.com