Steuer-Rückblick: Das waren die wichtigsten Änderungen seit 20 Jahren
In den vergangenen 20 Jahren bescherten sechs Bundesfinanzminister den Deutschen Freud und Leid. Erfahren Sie hier, wie zwischen 1998 bis 2018 an der Steuerschraube gedreht wurde.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden werde …" Das haben in den vergangenen 20 Jahren sechs Bundesfinanzminister per Amtseid bekräftigt. Nicht immer waren die von ihnen angestrengten Reformen für Steuerzahler von Vorteil.
1998:
Soli-Zuschlag leicht gesenkt/
Spitzensteuersatz auf Rekordniveau
Nur zwei Wochen nach der ersten Ausgabe von €uro am Sonntag tritt Theo Waigel als Bundesfinanzminister zurück. In seinem letzten Amtsjahr senkt "Mister Euro" den Soli-Zuschlag von 7,5 auf 5,5 Prozent. Der Spitzensteuersatz steigt aber unter seiner neunjährigen Ägide auf 53 Prozent und liegt am Ende der Ära Kohl auf Rekordniveau.
1999:
Immo-Spekulationsfrist verlängert/
Steuersparmodelle eingeschränkt
Als Finanzminister der ersten rot-grünen Bundesregierung will Oskar Lafontaine die Finanzmärkte strenger regulieren. Auf internationaler Ebene kann er sich damit nicht durchsetzen, in Deutschland gelingt ihm dies in kleinerem Maßstab: Die Spekulationsfrist für Immobilien wird rückwirkend auf zehn Jahre verlängert, die Verlustverrechnung bei "Steuersparmodellen" mit Immobilien-, Schiffs- und Flugzeugbeteiligungen stark eingeschränkt.
2000:
Sparerfreibetrag halbiert/
Unternehmensteuern sinken
Während Anleger für ihre Kapitaleinkünfte eine Halbierung des Sparerfreibetrags von 6.000 auf 3.000 Mark hinnehmen müssen, setzt Hans Eichel, der den im Streit geschiedenen Lafontaine nach nur fünfmonatiger Amtszeit ablöst, mit dem "Steuerentlastungsgesetz" unternehmensfreundliche Reformen um: Die Körperschaftsteuerbelastung für Firmen sinkt in den Folgejahren stark. Unternehmen erhalten teilweise auch Steuerbefreiungen für Gewinne aus dem Verkauf von Aktienpaketen und Tochtergesellschaften. Aufgrund hoher Steuerausfälle verliert Eichel seinen Nimbus als "Sparkommissar".
2001:
Neue Dividendenbesteuerung/
Spitzensteuersatz fällt unter 50 %
Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer sinkt auf 48,5 Prozent. Eichel reformiert auch die Besteuerung von Dividenden, um für Anleger finanzielle Nachteile durch die nicht mehr anrechenbare Körperschaftsteuer auszugleichen. Das Halbeinkünfteverfahren, durch das Ausschüttungen zur Hälfte steuerfrei bleiben, gilt seit 2001 zunächst für Einnahmen aus ausländischen Kapitalbeteiligungen, seit 2002 auch für inländische Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen auch Dividendeneinnahmen, die Investmentfonds für Anleger erzielen.
2002:
Start für Riester-Rentenverträge/
Schmiergeld nicht mehr absetzbar
Auf Initiative des damaligen Arbeitsministers Walter Riester wird die gleichnamige staatlich geförderte Altersvorsorge ins Leben gerufen. Riester-Sparer erhalten seitdem staatliche Zulagen und können gezahlte Beiträge als Sonderausgaben von der Steuer absetzen. Im Gegenzug werden Bezüge aus Riester-Renten im Ruhestand "nachgelagert" besteuert. Ein Schlag für Unternehmen: Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 sind Schmiergeldzahlungen nicht mehr als Betriebsausgaben absetzbar.
2003:
Medienfonds-Erlass/
neue Kriterien für Angehörigen-Mietverträge
Wer über Geschlossene Fonds in Filmproduktionen investiert, kann sich mit Verlustzuweisungen von bis zu 100 Prozent die Hälfte seines Kapitaleinsatzes direkt vom Fiskus erstatten lassen. Das Turbosteuersparmodell ist Hans Eichel ein Dorn im Auge. Durch einen Medienfonds-Erlass, der ein Mitspracherecht der Investoren bei der Filmproduktion an Steuervorteile knüpft, stoppt er den Fluss von "Silly German Money" nach Hollywood. Auch bei einem anderen beliebten Steuersparmodell werden die Daumenschrauben angezogen: Bei Mietverträgen mit Angehörigen müssen nun nachweislich mindestens 75 Prozent der ortsüblichen Ver- gleichsmiete gezahlt werden, damit der Fiskus Werbungskosten anerkennt.
2004:
LV-Policen nicht mehr steuerfrei/
Spitzensteuersatz weiter gesenkt
Steuerfreie Kapitalauszahlungen bei Lebens- und Rentenversicherungen sind nur noch möglich, wenn die Verträge vor Jahresende 2004 unterschrieben werden. Bei später abgeschlossenen Policen sind die Erträge zur Hälfte steuerpflichtig. Der Finanzbranche beschert der Stichtag 31. Dezember eine Sonderkonjunktur. Der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer sinkt weiter - auf 45 Prozent.
2005:
Start für Rürup-Rentenverträge/
Einführung der EU-Zinssteuer
Mit der Basisrente, nach dem Ideengeber Bert Rürup vor allem als Rürup-Rente bekannt, wird eine weitere steuerlich begünstigte Form der privaten Altersvorsorge eingeführt. Zielgruppe sind Selbstständige, die in der Ansparphase ein höheres steuerpflichtiges Einkommen erzielen und mangels Pflichtversicherung keine Riester-Rente in Anspruch nehmen können. Sie können anfangs jährlich Beiträge bis zu 12.000 Euro steuermindernd geltend machen. Der Spitzensteuersatz sinkt auf 42 Prozent. Für Anleger mit Auslandskonten wichtig: Ab Jahresmitte gilt die EU-Zinssteuer. Banken führen nun für Zinserträge von ausländischen Kunden eine 15-prozentige Quellensteuer ab, die 2008 auf einen Satz von 20 Prozent und 2011 auf 35 Prozent angehoben wird.
2006:
Deregulierung der Finanzmärkte/
höhere Umsatzsteuer
Peer Steinbrück kündigt als Finanzminister der Großen Koalition die Fortsetzung der Politik seines Vorgängers Hans Eichel an. Dafür treibt er die De-regulierung des deutschen Finanzmarkts voran: Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Private-Equity-Investments und börsennnotierte Immobilien (REITs) werden verbessert, der Handel mit Verbriefungen, die in der Finanzkrise zu Schrottpapieren werden, spürbar erleichtert. Auf Geheiß von Kanzlerin Angela Merkel wird der Umsatzsteuersatz von 16 auf 19 Prozent erhöht.
2007:
Sparerfreibetrag gesenkt/
Reichensteuer und Steuer-ID eingeführt
Der Sparerfreibetrag für Kapitalerträge sinkt von 1.370 auf 750 Euro. Wer ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 250.000 Euro hat, zahlt für den übersteigenden Betrag erstmals "Reichensteuer" (Satz: 45 Prozent). Allen Bundesbürgern wird eine elfstellige Steuer-Identifikationsnummer (Steuer- ID) zugeteilt, die von der Wiege bis zur Bahre gilt und sich auch bei Wohnsitzwechseln nicht mehr ändert.
2008:
Start für Wohn-Riester-Verträge/
Okay für Erbschaftsteuerreform
Als neue Variante der staatlich geförderten Altersvorsorge führt Steinbrück die Eigenheimrente ("Wohn-Riester") ein. Wie beim klassischen Riester erhalten Anleger, die eine selbst genutzte Immobilie finanzieren, Zulagen und können gezahlte Beiträge von der Steuer absetzen. Die nachgelagerte Besteuerung erfolgt über ein fiktives "Wohnförderkonto". Die Erbschaftsteuer wird reformiert: Immobilien sind künftig mit dem Verkehrswert zu versteuern, Firmenerben werden von der Abgabe befreit, wenn sie Betriebe langfristig fortführen und Arbeitsplätze erhalten.
2009:
Einführung der Abgeltungsteuer/
neuer Sparerpauschbetrag
Steinbrücks Meisterstück ist die Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge ("Besser 25 Prozent auf x statt 42 Prozent auf nix"). Banken führen die Pauschalabgabe als "Zahlstellen des Fiskus" direkt ab. Der Sparerfreibetrag wird durch den Sparerpauschbetrag (801 Euro Singles, 1.602 zusammen Veranlagte) ersetzt. Im Gegenzug sind für Anleger keine Werbungskosten für Kapitalerträge, etwa Fahrtkosten zu Hauptversammlungen und Vermögensverwaltergebühren, mehr absetzbar.
2010:
Abgeltungsteuer nachgebessert/
Basisversicherung voll absetzbar
Im ersten Amtsjahr muss Wolfgang Schäuble als neuer Finanzminister einer schwarz-gelben Koalition bei der vermeintlich einfachen Pauschalabgabe für Kapitalerträge nachbessern: In einem 105-seitigen Schreiben werden die Abgeltungsteuerregeln in puncto Goldanleihen, Zertifikate, Verlustverrechnungen und Depotwechsel modifiziert. Berufstätige können Beiträge zu Basistarifen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung erstmals voll absetzen. Das Gleiche gilt für gesetzliche und private Pflegeversicherungen.
2011:
Aus für Lohnsteuerkarte aus Pappe/
Werbungskostenpauschale steigt
Ende einer Ära: Die elektronische Lohnsteuerkarte ersetzt den Vorgänger aus Pappe, den Beschäftigte jedes Jahr in der Buchhaltung ihres Unternehmens abgeben mussten. Die Werbungskostenpauschale, auch als Arbeitnehmerpauschbetrag bekannt, wird von 920 auf 1.000 Euro angehoben.
2012:
Aus für Schweizer Steuerabkommen/
Kinderbetreuung leichter absetzbar
Schäubles wohl größte Niederlage als Finanzminister: Das von ihm ausgehandelte Steuerabkommen mit der Schweiz, das deutschen Schwarzgeldbesitzern eine pauschale und anonyme Nachversteuerung von Kapitalerträgen ermöglicht hätte, scheitert am Widerstand des Bundesrats. Ein Leidtragender wird später Uli Hoeneß sein. Erleichterung für Eltern: Kinderbetreuungskosten müssen nicht mehr mit aufwendigen Einzelnachweisen belegt werden, sondern sind pauschal absetzbar.
2013:
Rentenbeiträge gesenkt/doppelte
Haushaltsführung vereinfacht
Erstmals sinken die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung: von 19,6 auf 18,9 Prozent. Wer aus beruflichen Gründen zwei Haushalte führt, kann bis zu einem Betrag von 1.000 Euro die tatsächlichen Mietkosten absetzen und muss sich nicht mehr an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren.
2014:
Weltsteuerkonferenz in Berlin/
Wohn-Riester-Regeln nachgebessert
Einer der größten Triumphe Schäubles: Auf der Weltsteuerkonferenz initiiert er den automatischen Informationsaustausch zu Bankdaten (AIA). Der AIA startet 2018 mit 102 Staaten voll. Wohn-Riester-Sparer können nun bereits während der Ansparphase Kapital aus Verträgen entnehmen - und auch Umbaumaßnahmen finanzieren.
2015:
Selbstanzeigeregeln verschärft/
Gleichstellung amtlicher Partner
Für reuige Steuerhinterzieher wird eine strafbefreiende Selbstanzeige teurer und schwieriger: Ab einem Hinterziehungsbetrag von 25.000 Euro werden Sonderzahlungen fällig, Berichtigungen müssen rückwirkend für zehn (statt zuvor für fünf) Jahre erfolgen. Amtliche Lebenspartnerschaften werden Ehen steuerlich voll gleichgestellt.
2016:
Steuer-ID bei Freistellungsauftrag/
erneute Erbschaftsteuerreform
Banken dürfen Freistellungsaufträge nur noch berücksichtigen, wenn Kunden den Geldinstituten ihre Steuer-ID mitteilen. Rückwirkend zur Jahresmitte wird nach Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts die Erbschaftsteuer reformiert. Die Steuervorteile für Firmenerben bleiben größtenteils erhalten.
2017:
Spendennachweis vereinfacht/
Rekordsätze bei Grunderwerbsteuer
Wer für wohltätige Zwecke spendet und die Beträge als Sonderausgaben geltend macht, muss Belege nur noch auf Anfrage des Finanzamts vorlegen. Bei der Grunderwerbsteuer verlangen zwölf Jahre nach deren Freigabe fast alle Bundesländer erhöhte Sätze von bis zu 6,5 Prozent für Immokäufe. Ausnahmen sind Bayern und Sachsen (3,5 Prozent).
2018:
Steuererklärung ohne Belege/
neue Regeln für Investmentfonds
Der neue Finanzminister Olaf Scholz erbt zwei Großprojekte: Bei Steuererklärungen verzichten Finanzämter auf die Belegvorlage. Der steuerliche Bestandsschutz für vor 2009 gekaufte Fondsanteile wird aufgehoben und thesaurierende Auslandsfonds inländischen Fonds gleichgestellt.
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