Dividende ist der neue Kupon: Wer zahlt, gewinnt
Das Motto deutscher Sparer lautet offensichtlich "Sicherheit zuerst". Wie sonst ist es zu erklären, dass nur eine Minderheit der Anleger in Aktien oder Aktienfonds investiert ist.
von Oliver Postler, Gastautor von Euro am Sonntag
Die Risikoaversion der Anleger in Deutschland nimmt bisweilen fast irrationale Züge an. Trotz Zins- und Renditetiefs gehören Tagesgeldkonten und Bundesanleihen für viele Sparer auch bei längerfristigen Anlagezielen noch immer zu den bevorzugten Anlageformen. Und das, obwohl mit beidem seit einigen Jahren kaum noch Zinsen zu erzielen sind. Den Kaufkraftverlust herausgerechnet, muss der Anleger schon seit Längerem dafür bezahlen, dass er sein Vermögen etwa in kurz laufende Bundesanleihen investiert. Selbst die zehnjährige Bundesanleihe wirft aktuell nicht einmal ein Prozent Rendite ab, und auch viele andere Staatspapiere aus Euroland rentieren auf historischen Tiefstständen.
Selbstverständlich haben auch Bundesanleihen und Tagesgeld ihre Stärken. Für Anleger, denen es ausschließlich auf Sicherheit und nahezu permanente Verfügbarkeit ankommt, sind sie unschlagbar. Wer aber darüber hinaus auch das Ziel verfolgt, sein Vermögen nicht bloß durch regelmäßige Sparbeiträge zu vergrößern, kommt je nach Risikobereitschaft und Anlagehorizont um die Beimischung von Sachwerten nicht herum.
Dazu gehören aus unserer Sicht auch solide Aktien. Doch obwohl diese Situation alles andere als neu ist, sind Aktionäre in Deutschland weiterhin eine kleine Minderheit. Laut dem Deutschen Aktieninstitut besitzen gerade mal sieben Prozent der Deutschen Aktien. Nimmt man die Sparer dazu, die indirekt, also über Fonds, in Aktien investieren, sind es auch nur etwa doppelt so viele.
Erfreuliche Konjunktur
macht US-Aktien interessant
Offensichtlich wird die Aktie in Deutschland noch immer schmählich vernachlässigt. Wenn sie sich überhaupt außerhalb der gefühlt sicheren, aber renditefreien Häfen bewegen wollen, interessieren sich viele Anleger eher für Unternehmensanleihen, was in diesem Marktsegment ebenfalls zu schrumpfenden Renditen geführt hat. Auch solvente Anleger können dabei häufig nicht direkt in die Anleihen großer, bonitätsstarker Unternehmen investieren, da die Mindeststückelung oft im mittleren sechsstelligen Bereich liegt. Als mögliche Alternative werden die Schuldtitel kleinerer Unternehmen mit schwächerem Rating gesehen, deren Chance-Risiko-Profil jedoch nur bedingt zur eher vorsichtigen Natur des deutschen Anlegers passt.
So dominieren renditearme Produkte auch weiterhin die privaten Depots. Als Grund für diese ungünstige Asset-Allokation wird häufig Unsicherheit angeführt. Offenbar hegen viele Menschen die Hoffnung, dass sich das Zins- und Renditeniveau in nicht allzu ferner Zukunft wieder drehen wird. Bedauerlicherweise sieht es jedoch nicht so aus, als ob diese Rechnung aufginge. Im Gegenteil: Die schwachen Konjunkturdaten aus Deutschland deuten darauf hin, dass Euroland auf lange Sicht nur ein mäßiges Wachstum aufweist.
Gleichzeitig liegt die Inflationsrate Monat für Monat weit hinter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) zurück. Objektiv gesehen gibt es daher aktuell keinen Grund, sich von der ultralockeren Geldpolitik im Euroraum zu verabschieden. Doch solange die EZB an ihrer Nullzinspolitik festhält, bleiben die Chancen, mit Staatsanleihen und anderen konservativen Anlageformen real Geld zu verdienen, gering.
Daher sollten Anleger in Abhängigkeit von Anlagehorizont und Risikoprofil auch die Beimischung von Aktien in ihrer Anlagestrategie berücksichtigen. Viele Unternehmen sind aktuell in einer robusten Verfassung und verfügen über hohe Barbestände. Insbesondere in den USA und Großbritannien, wo sich die Konjunktur deutlich besser entwickelt, gibt es viele Aktien, in die zu investieren lohnt. Denn nicht nur die Unternehmen sind in einer guten Verfassung, auch die Konsumenten sind zuversichtlich. Die Situation am Arbeitsmarkt hat sich verbessert, der Preisverfall am Häusermarkt gehört der Vergangenheit an, und viele Familien haben ihre Darlehen zurückgezahlt und sich einen mäßigeren Umgang mit der Kreditkarte angewöhnt. Nachdem der Gürtel in den vergangenen Jahren zwangsläufig enger geschnallt war, kann man sich jetzt wieder etwas gönnen.
Einem Einstieg am Aktienmarkt sollte jedoch eine sorgfältige und umfassende Analyse vorangehen. Die Fundamentaldaten mögen für eine Vielzahl von US-Unternehmen sprechen - insbesondere für international agierende, die bereits auf eine stabile Unternehmenshistorie zurückblicken. Der Markt hat dies allerdings schon größtenteils eingepreist. So liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der amerikanischen Standardwerte mit 16,5 schon deutlich über jenem entsprechender Aktien aus dem Euroraum. Deren KGV liegt gegenwärtig im Schnitt bei 14. Hier wie da lohnt es sich daher, genau hinzuschauen und mögliche Kurskorrekturen für den Einstieg zu nutzen.
Stabile Dividendenpolitik
als Renditebringer
Außer auf die Fundamentaldaten und die Börsenbewertung der Unternehmen sollten Anleger vor allem auch auf die Dividendenpolitik achten. Wer in der Vergangenheit festverzinsliche Wertpapiere bevorzugt hat, findet in stabilen Dividendenausschüttungen einen interessanten Ersatz für den Kupon. Bei einigen Unternehmen steht einem kumulierten Kupon von 0,5 Prozent auf fünf Jahre für Bundesanleihen in einem vergleichbaren Zeitraum eine Dividendenrendite von 15 Prozent gegenüber.
Selbstverständlich sind derartige Betrachtungen retrospektiv und haben nur bedingte Aussagekraft für die Zukunft. Auch sind Aktienkurse volatiler, jede Verschiebung in der Eigentümerstruktur, Firmenpolitik oder Marktposition kann es erforderlich machen, sich von einer traditionell aktionärsfreundlichen Ausschüttungspolitik zu verabschieden.
Gleichwohl kann es sich lohnen, Unternehmen zu identifizieren, die Dividenden ausschütten und diese regelmäßig erhöhen. Verschiedene Studien zeigen, dass diese Aktionären auch in anderer Hinsicht Freude machen: Sehr häufig entwickeln sich ihre Kurse überdurchschnittlich gut. Wahrscheinlich ist dies in der Stabilität ihrer Geschäftsmodelle begründet, denn für eine großzügige Dividendenpolitik brauchen Vorstände Planungssicherheit. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Anleger sich schlicht nicht so gern von dividendenstarken Titeln trennen. So oder so ist es sinnvoll, sich vor dem Aktienkauf intensiv mit dem Unternehmen zu beschäftigen.
zur Person:
Oliver Postler,
Chief Investment
Officer der
Unicredit Bank und HypoVereinsbank Private Banking
Postler ist seit 2007 verantwortlich für die Anlagestrategie,
Investmentkommunikation und Vermögensverwaltung der HypoVereinsbank. Der zertifizierte Financial
Planner (EBS) und Stiftungsberater der Uni Jena verantwortet ferner die Anlagestrategie für den Pensionsfonds der Bank. HypoVereinsbank Private Banking ist auf die Beratung vermögender Kunden spezialisiert und zählt mit rund 46 000 Kunden und einem Volumen von etwa 35 Milliarden Euro zu den Top-3-Anbietern im Private Banking. Mit 46 Standorten von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen verfügt die Bank über eines der dichtesten Betreuungsnetze für Private-Banking-Kunden in Deutschland.
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