Diversifikation: Fluch oder Segen für Investoren?
Die althergebrachte Börsenweisheit "Breit gestreut - nie bereut!" ist sicherlich jedem Anleger bekannt. Doch lässt sich das Risiko eines Portfolios aufgrund der Diversifikation tatsächlich völlig eliminieren oder nur etwas kaschieren?
• Diversifikation kann das Anlagerisiko…
• …nur zu einem gewissen Maß eliminieren
• Systematische Risiken bleiben stets die gleichen
Die Diversifikation ist die wohl einfachste und grundlegendste Regel zum Aufbau eines Portfolios. Doch hinter dem Prinzip der breiten Streuung steht viel mehr, als nur der Kauf möglichst vieler verschiedener Aktien. So spielt beispielsweise auch die Korrelation zwischen den einzelnen Beteiligungen bzw. das unsystematische und systematische Risiko eine entscheidende Rolle.
Die Idee der Diversifikation - von Babylon bis Makrowitz
Das Prinzip der Diversifikation, also die Streuung von Vermögen auf mehrere Anlageobjekte, war schon bei den alten Babyloniern gängige Praxis. So wurden die Besitztümer schon vor mehr als 2.000 Jahren zu teilweise gleichen Teilen in Ländereien, liquide Mittel und geschäftliche Aktivitäten unterteilt. Diese Aufteilung des Vermögens hatte das Ziel, die eigenen Besitztümer bestmöglich vor jeglichen Gefahren und Risiken zu bewahren. Nun, mehr als zwei Jahrtausende später, ist die Diversifikation ein feste Begrifflichkeit in der Wirtschaftslehre.
Den Grundstein hierfür legte vor allem der US-amerikanische Ökonom und Wirtschafts-Nobelpreisträger Harry Markowitz. Er zeigte mit der von ihm entwickelten Portfoliotheorie Anfang der 1950er Jahre, dass sich ein Anleger mit einem diversifizierten Portfolio besser stellen kann, als wenn er sein Vermögen nur auf ein Investment fokussiert. Ein umfassendes Depot, welches aus mehreren Aktien besteht, besitzt somit ein anderes Rendite- bzw.Risiko-Profil als ein Einzelinvestment. Eine höherer Ertrag ist dabei in der Regel jedoch auch mit einem höheren Risiko verbunden. Im Gegensatz dazu geht ein hohes Sicherheitsbedürfnis nur mit einem Renditeverzicht einher.
Ein echter Mehrwert für Investoren
Dieses Dilemma zwischen Risiko und Rendite kann mit einem diversifizierten Portfolio jedoch teilweise gelöst werden. Da sich unterschiedliche Wertpapiere nicht hundertprozentig gleich entwickeln, also nicht vollständig positiv korreliert sind, kann durch die Selektion verschiedener Aktien ein Portfolio aufgebaut werden, welches bei gleichbleibender Renditeerwartung ein niedrigeres Risiko aufweist als das durchschnittliche Risiko eines einzelnen Wertpapiers. Makrowitz konnte mit seiner Theorie somit eindrucksvoll beweisen, dass die Diversifikation einen echten Mehrwert für Investoren bieten kann.
Eine vollständige Eliminierung des Risikos kann jedoch auch mit einer umfassenden Diversifizierung der Wertpapiere nicht erreicht werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn die ausgewählten Aktien eine vollkommene negative Korrelation aufweisen würden. In der Realität gibt es so etwas jedoch nicht. Denn innerhalb der gleichen Anlageklasse besteht in der Regel immer auch eine mehr oder weniger positive Korrelation.
Unterschied zwischen systematischem und unsystematischem Risiko
Im Kontext der Portfoliotheorie nach Makrowitz muss man stets zwischen einem systematischen Risiko und einem unsystematischen Risiko unterscheiden. Wichtig ist dabei, dass nur der Teil des unsystematischen Risikos durch eine umfassende Risikodiversifikation reduziert bzw. eliminiert werden kann. Das systematische Risiko oder auch Marktrisiko hingegen kann auch mithilfe einer umfassenden Streuung nicht beseitigt werden. So betrifft beispielsweise ein umfassender Börsencrash nicht nur die Aktien einzelner Unternehmen, sondern in der Regel alle am Markt gehandelten Papiere. Da das systematische Risiko selbst bei der optimalsten Portfoliozusammensetzung nicht behoben werden kann, erhält der Investor hierfür eine Risikoprämie, also eine Entschädigung für das eingegangene Wagnis. Diese Prämie zeigt sich in Form eines Mehrertrags gegenüber dem risikolosen Basiszinssatz.
Die Illusion der Diversifikation
Mit Hilfe der Diversifikation kann somit lediglich das unsystematische Risiko beseitigt werden, das systematische Risiko hingegen bleibt stets bestehen. Dementsprechend müssen Investoren auch nicht unbedingt in einen Fonds oder ETF mit über 1.000 Einzeltitel investieren, da das unsystematische Risiko schon mit rund 20 Einzelaktien gänzlich eliminiert werden kann. Folglich bietet ein breit gestreuter Fonds oder ETF aufgrund seiner Vielzahl an Positionen faktisch keinen realen Mehrwert, im Vergleich zu einem übersichtlichen und ebenfalls gut diversifizierten Portfolio mit nur 20 Wertpapieren. Investoren, die dennoch an dem Dogma - "Je mehr Aktien, desto besser" - festhalten, unterliegen einer regelrechten Illusion.
"Diversifizieren ist ein Schutz gegen Unwissen"
Da innerhalb der gleichen Anlageklasse stets eine mehr oder weniger starke positive Korrelation vorherrscht, sollten Anleger nicht nur innerhalb einer Assetklasse diversifizieren, sondern ihr Vermögen auf verschiedene Vermögensgegenstände aufteilen. Denn jede Assetklasse weist unterschiedliche Wechselbeziehungen gegenüber einer anderen Anlageklasse auf, innerhalb der gleichen Klasse sind diese Beziehungen jedoch oftmals sehr identisch. Um den Mehrwert der Diversifikation somit völlig auszureizen, sollten riskoaverse Investoren somit nicht nur auf Aktien, sondern auch auf Anleihen, Immobilen, Rohstoffe, Bargeld, Derivate, Private-Equity, Hedgefonds, Ländereien und gegebenenfalls auch auf Kunstwerke, seltene Weine oder Luxusuhren setzen. Denn solch eine Allokation bietet den bestmöglichen Schutz für das eigene Vermögen.
Für Investoren, die sich hingegen in einer Anlageklasse besonders gut auskennen, kann es sich jedoch auch lohnen, wenn sie ihre Engagements nicht diversifizieren, sondern fokussieren. Denn "[d]iversifizieren ist ein Schutz gegen Unwissen. Es macht wenig Sinn für diejenigen, die Bescheid wissen", so Warren Buffett, der wohl beste Investor der Welt.
Pierre Bonnet / finanzen.net
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