Der Inflation ein Schnippchen schlagen
Großer Vergleich: Die besten Tagesgelder, die höchsten Zinsen – und wie Sparer mit Flexibilität das Beste aus ihren Rücklagen herausholen.
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von Markus Hinterberger, €uro am Sonntag
Rund jeder dritte Deutsche hortet größere Bargeldreserven zu Hause. Einer der Gründe ist etwa das Gefühl von Sicherheit, das die Scheine unterm Kopfkissen vermitteln. Jeder Zwölfte der rund 1.600 Befragten hat schlicht kein Vertrauen zu Banken und behält sein Bargeld lieber daheim. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Meinungsforscher von Forsa für die Bank of Scotland.
Auch wenn das Studienergebnis vor allem eine Werbung für die Bank of Scotland ist, die seit gut zweieinhalb Jahren beim Tagesgeld mit die höchsten Zinsen bietet, zeigt es auch, dass viele Deutsche „aktiv Geld verbrennen“, wie es Horst Biallo, Betreiber des Verbraucherportals biallo.de, plastisch beschreibt.
Laut Statistischem Bundesamt betrug die Inflationsrate in Deutschland zuletzt 2,4 Prozent. So viel wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Wer sich also scheut, sein Geld an den Kapitalmärkten anzulegen, und es lieber bei einer Bank parkt, sollte stets die Inflationsrate im Hinterkopf behalten. Liegt der Zins, den die Bank für das Geld zahlt, unter der Inflationsrate, verliert der Anleger unterm Strich bares Geld.
Doch welcher Anlagehorizont ist der beste? Bei einigen Langfristangeboten wie dem Drei-Jahres-Sparbrief der Santander Consumer Bank gibt es aktuell Jahr für Jahr vier Prozent. An sich genug, um Sparer in Sicherheit zu wiegen. Doch was, wenn die Inflationsrate weiter steigt? Dank unserer langfristigen Zinsgrafik wissen wir, dass Teuerungsraten von 3,5 Prozent noch gar nicht so lang zurückliegen. Viele Volkswirte halten solche Raten sogar für wahrscheinlich.
Die gute Nachricht: Seit einigen Wochen ziehen die Sparzinsen wieder ordentlich an. Verkünder dieser für Sparer frohen Botschaft ist Jean-Claude Trichet. Europas oberster Zentralbanker hat vor einigen Wochen nach langer Zeit den Leitzins angehoben und damit die Richtung für die Zinsentwicklung im Euroraum vorgegeben.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen stets am EZB-Leitzins orientieren. „Wir erwarten, dass die Zentralbank die Zinsen weiter anheben wird. Dabei wird sie aber nicht wahllos nach oben gehen“, sagt Christian Pees, der bei Cosmos Direkt für Tagesgeld zuständig ist. Diese Meinung teilen auch die Chefvolkswirte zahlreicher Finanzhäuser. Ulrich Kater von der Dekabank erklärte vergangene Woche gegenüber €uro am Sonntag, dass er bis Januar 2012 mit einem Leitzins von zwei Prozent rechne. Als der Leitzins zuletzt bei zwei Prozent lag, bekamen Tagesgeldsparer im Schnitt 2,6 Prozent. Spitzenangebote rentierten sogar einen Prozentpunkt höher.
Doch Trichet und seine Kollegen stecken in einem Dilemma: Einerseits wollen sie mit höheren Zinsen die anziehende Inflation bekämpfen, andererseits laufen sie damit Gefahr, das schwache Wachstum in Südeuropa abzuwürgen. Das spricht für mehrere kleine Zinsschritte.
„Wer nun Geld parken will, sollte flexibel bleiben“, rät Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung. Wer sein Geld auf einem schlecht verzinsten Konto liegen lasse, sei selbst schuld. Die Banken werden den Kunden wieder deutlich mehr bieten, dessen ist Herbst sich sicher. Bestes Beispiel ist die Targobank. Die ehemalige Citibank bietet aktuell 2,3 Prozent. Gleiches gilt für die Bank of Scotland. Laut Herbsts Datenbank gibt es bei bundesweit 19 Banken aktuell Zinsen von zwei Prozent und mehr.
Dass der Markt in Bewegung ist, zeigt eine Neueröffnung. Seit April ist die VTB Direktbank in Deutschland aktiv. „Wir wollen keine reine Geldsammelstelle sein“, sagt Michael Kramer, der den Aufbau der VTB Direktbank in Deutschland leitet. Das heißt, die neue Onlinebank mit österreichisch-russischen Wurzeln will nicht um jeden Preis der Tagesgeldanbieter mit den höchsten Zinsen sein. Mit 2,2 Prozent landet die VTB Direktbank dennoch in der Spitzengruppe. Kramer will seine Bank mittelfristig als Vollbank etablieren. Tagesgeld und Festgeld sollen dabei eine Rolle spielen. Seiner Ansicht nach kommen Vollbanken bei den Kunden besser an.
Kramers Kalkül hat durchaus Hand und Fuß, denn die meisten Leserbriefe, die bei der €uro-am-Sonntag-Redaktion zum Thema Tagesgeld eingehen, drehen sich um die Frage: Sind Banken aus dem Ausland, die nur Tagesgeld und Festgeldangebote haben, sicher und seriös? Das unrühmliche Ende der Kaupthing Bank ist vielen Sparern noch in Erinnerung. Die einst größte isländische Bank hatte in der Hochzinsphase von 2008 mit Tagesgeldzinsen von bis zu 5,65 Prozent geworben – der Durchschnitt lag damals bei 3,3 Prozent. Durch die Finanzkrise und den Beinahebankrott Islands geriet das Institut ins Schleudern. Anfang Oktober 2008 fror die Bafin die Kundengelder der deutschen Kaupthing-Niederlassung ein. Etwa 300.000 Sparer bangten um rund 300 Millionen Euro. Inzwischen haben die Geschädigten ihr Geld wieder.
Seitdem hat sich in Sachen Einlagensicherung einiges getan. Europaweit sind inzwischen 100.000 Euro pro Anleger sicher und vor Gericht einklagbar. In Deutschland garantieren Einlagensicherungsfonds einiger Bankenverbände oder -gruppen teilweise unbegrenzte Summen. Mehreren Umfragen zufolge haben deutsche Anleger im Schnitt 10.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto liegen.
Die besten unter den Tagesgeldkonten sind meist die, deren Werbeprospekte die meisten Sternchen und Fußnoten enthalten. Entweder ist der Anlagezeitraum begrenzt, die Offerte gilt nur für Neukunden, oder zahlreiche Nebenbedingungen wie mehrere Tausend Euro Mindestanlage oder die Eröffnung eines Kontos oder Depots sind Pflicht. Oft kommen sogar mehrere dieser Miesmacher zusammen.
So warb der Onlinebroker Cortal Consors in der Niedrigzinsphase vor einem halben Jahr mit vier Prozent aufs Tagesgeld, allerdings nur, wenn der Kunde gleichzeitig ein Depot eröffnete und Wertpapiere im Wert von 6.000 Euro mitbrachte. Aktuell bietet die 1822direkt 2,5 Prozent, allerdings nur, wenn sich der Kunde auch für ein Girokonto bei der Bank entscheidet.
Was Verbraucherschützer abfällig Lockvogelangebote nennen, kann sich aber für aufmerksame Sparer lohnen. Wichtigste Voraussetzung: Die mit dem Tagesgeldkonto verbundenen Konten oder Depots müssen kostenlos und leicht kündbar sein. Bei den Laufzeiten der Offerten müssen Sparer besonders auf der Hut sein. Denn die hohen Zinsen gelten meist nur zwei bis drei Monate. Danach gibt es nur noch Magerkost wie etwa bei ING-DiBa. Wer bei Deutschlands größter Direktbank sein erstes Tagesgeldkonto abschließt, bekommt ordentliche zwei Prozent und obendrein noch 20 Prozent Startguthaben. Nach einem halben Jahr erhält man jedoch aktuell nur noch durchschnittliche 1,3 Prozent.
Ein ähnliches Gefälle besteht bei Offerten mit Summenbegrenzungen. Wer bei der Comdirect ein Tagesgeldkonto eröffnet, bekommt ab dem ersten Euro 1,75 Prozent, aber nur für die ersten 5.000 Euro. Denn dann gibt es nur noch magere ein Prozent.
Der Tagesgeldzins der VTB Direktbank gilt bis zum Jahresende. Summenstaffeln gibt es nicht. Allerdings sollten sicherheitsorientierte Kunden die österreichische Einlagensicherung von 100.000 Euro im Auge behalten. Aktuell gibt es 2,2 Prozent. Sollte das Zinsniveau sich – wie von den Experten erwartet – in dieser Zeit erhöhen, würde die VTB Direktbank in Zugzwang geraten. Schließlich hat Deutschland-Chef Kramer als Ziel einen Platz unter den besten fünf Tagesgeldanbietern ausgegeben. Die Konkurrenz in diesem Wettbewerb ist stark: die Bank of Scotland mit aktuell 2,3 Prozent und die niederländische NIBC Direct, die 2,4 Prozent bietet. Beide dominieren seit gut zwei Jahren die Zinstabellen – sie bieten aber auch nur eine Einlagensicherung von 100.000 Euro.
Wer mit Tagesgeld sein Geld mehren und der Inflation ein Schnippchen schlagen will, muss aktiv sein und schnell wechseln können. Das Tagesgeldkonto, das konstant einen Spitzenzins bietet, gibt es leider noch nicht. Aber auch wer nicht jede Zinsaktion wahrnimmt und nur ab und zu umschichtet, fährt besser als jene, die ihr Geld zu Hause horten.
Einlagensicherung:
Wie sicher Ihr Geld ist
Geht eine deutsche Bank pleite, sind Einlagen, also Sparkonten und Guthaben von Girokonten, bis zu 100.000 Euro gesetzlich geschützt. Daneben gibt es private Sicherungseinrichtungen. Der Einlagensicherungsfonds des Bankenverbands (BdB), in dem Privatbanken organisiert sind, funktioniert wie folgt: Wird eine Mitgliedsbank insolvent, sind pro Kunde Summen bis zu 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals gesichert. Das sind in der Regel Millionenbeträge. Sparkassen und Volksbanken haben eine Verbandssicherung. Gerät eine Sparkasse in Schieflage, stützen sie die übrigen Sparkassen.
In Großbritannien liegt die gesetzliche Einlagensicherung bei 85.000 Pfund – das entspricht aktuell knapp 100 000 Euro. Hierzulande ist vor allem die Bank of Scotland aktiv. Die Bank gehört zur Lloyds-Gruppe und ist nicht mit der Royal Bank of Scotland verbunden.
Europaweit gilt eine gesetzliche Mindesteinlagensicherung von 100.000 Euro. Sie greift in allen Staaten der Europäischen Union, wenn eine Bank pleitegeht. Sparer können ihre Ansprüche notfalls vor Gericht einklagen. Denn bei privaten Sicherungsverbünden, wie es sie etwa in Deutschland gibt, sind die Kunden einer Pleitebank auf das Wohlwollen und die finanzielle Stärke des Sicherungsfonds angewiesen. Die Auszahlung des Geldes wurde zu Jahresbeginn beschleunigt. Nun sollen Sparer im Fall einer Bankpleite binnen 30 Arbeitstagen entschädigt werden.
Zins-Hopping:
Schneller wechseln
In der Bankenwelt gibt es einen unschönen Trend: Neukunden sind der König, Kunden, die schon länger dabei sind, werden eher vernachlässigt. Das sorgt für Unmut. Wird Treue nicht honoriert, lohnt sich der Wechsel. Das sogenannte Zins-Hopping soll künftig noch einfacher und schneller werden. Denn gerade bei Tagesgeldofferten, die nur wenige Monate gelten, ist jeder Tag wichtig.
Der neue Personalausweis im Scheckkartenformat soll Bankkunden schon bald helfen, schneller zu wechseln. Seit einigen Monaten bekommen alle Bundesbürger, deren Personalausweis abgelaufen ist oder die ihn zum ersten Mal beantragen, statt des eingeschweißten Papiers eine Plastikkarte. Auf Wunsch gibt es dazu eine PIN-Nummer, sodass Kunden sich mithilfe eines speziellen Lesegeräts (für rund zehn Euro) von zu Hause aus identifizieren können. Die neue Technik soll das Post-Identverfahren ersetzen. Momentan müssen sich Kunden, die ein Konto schriftlich eröffnen wollen, bei einer Poststelle ausweisen. Einige Direktversicherer wie Cosmos Direkt haben die Technik bereits eingeführt. Die Nachfrage soll gemessen an der Zahl der ausgegebenen neuen Ausweise hoch sein. Die Banken sind ungleich langsamer. „Man überprüfe noch die Möglichkeiten“, heißt es beim Bankenverband. Einen konkreten Termin gebe es noch nicht. Das Argument: die geringe Verbreitung. Glücklicherweise laufen jedes Jahr Millionen alter Personalausweise ab.
Alternativen:
Geldmarkt, Immos und Anleihen
Große Sicherheit, ein wenig Rendite und tägliche Verfügbarkeit gibt es nicht nur beim Tagesgeld, sondern auch bei Geldmarktfonds. Diese investieren in der Regel in Termingelder, Schuldscheindarlehen und Anleihen mit kurzer Restlaufzeit von unter zwölf Monaten. Nachteil: Häufig verlangen die Fonds Mindestanlagesummen und Ausgabeaufschläge, die die ohnehin mageren Zinsen aufzehren. Der Ausgabeaufschlag lässt sich umgehen, indem man die Produkte bei günstigen Fondsanbietern im Internet, den sogenannten Fondsdiscountern, oder über die Börse kauft. Die Mehrzahl der Geldmarktportfolios kam in den vergangenen Jahren auf ein Plus von einem bis drei Prozent jährlich. Empfehlenswert ist der Geldmarktfonds MEAG ProZins (ISIN: DE 000 975 419 2), der 2011 um ein Prozent zugelegt hat. In den vergangenen drei Jahren erzielte das Portfolio mit der €uro-FondsNote 2 eine Rendite von knapp sieben Prozent.
Als Alternative zu Tagesgeld und Geldmarktfonds haben Anleger in der Vergangenheit häufig Offene Immobilienfonds genutzt. Nach der Schließung einiger Produkte ist die Branche in Verruf geraten. Aber es gibt Fonds wie den Grundbesitz Europa von der Deutschen Bank (DE 000 980 700 8) und den Deka Immobilien Europa (DE 000 980 956 6), die die Krise bisher souverän umschifft haben. Die Fonds mit der €uro-FondsNote 2 investieren vorwiegend in europäische Büro- und Geschäftshäuser und haben in den vergangenen Jahren im Schnitt rund drei Prozent Gewinn abgeworfen. Bisher bieten Offene Immofonds eine tägliche Verfügbarkeit des eingesetzten Kapitals an. Vom Gesetzgeber geplante strengere Regelungen hierzu greifen aber erst ab 2013 und einer Anlagesumme von 30.000 Euro. Für den durchschnittlichen Privatanleger ändert sich daher wenig. Tipp: Um den Ausgabeaufschlag zu vermeiden, sollte man die Fonds über die Börse kaufen.
Auf der Anleiheseite bieten sich für sicherheitsorientierte Anleger Bundeswertpapiere an, die etwa über die Deutsche Finanzagentur geordert werden können (www.bundeswert papiere.de). Eine Bundesobligation mit Laufzeit 2016 (DE 000 114 160 4) wirft derzeit rund 2,71 Prozent im Jahr ab. Allerdings kann es bei dem Papier während der Laufzeit zu Kursveränderungen kommen, die die Gesamtrendite bei einem vorzeitigen Verkauf beeinflussen. Wer das Papier aber bis zum Ende hält, bekommt 100 Prozent des Nennwerts der Anleihe plus Kuponzahlungen in Höhe von 2,75 Prozent jährlich.
Für Anleger, die längerfristig investieren wollen und mit einer stark steigenden Inflation rechnen, ist eine inflationsindexierte Anleihe des Bundes (DE 000 103 052 6) interessant. Die Zinszahlungen des Papiers werden direkt durch die Teuerungsrate beeinflusst. Soll heißen: Je höher die Inflation ausfällt, umso mehr Rendite wirft die Anleihe ab.
Tagesgeld: Die zehn besten Angebote (pdf)
Ende der Talfahrt (pdf)
Was unterm Strich bleibt (pdf)