Widerrufsjoker: Wann kann ein Kredit nach einer Prolongation noch widerrufen werden?
Wer mit Hilfe des sogenannten Widerrufsjokers aus seinem Darlehen aussteigen will, muss bestimmte Fristen beachten. Wichtig ist beispielsweise, wann der Kredit abgeschlossen wurde. Etwas kniffliger wird es, wenn das Darlehen bereits einmal oder mehrfach verlängert wurde.
Bei der Frage, ob ein Kreditvertrag aufgrund einer falschen Widerrufsbelehrung noch widerrufen werden kann, treffen wir bei der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info) häufig auf folgende Konstellation: Ein Kreditnehmer hat ein altes Darlehen, das zu einem späteren Zeitpunkt - in der Regel nach Ablauf der Zinsbindung - beim gleichen Kreditinstitut noch einmal verlängert wurde. Das ist ein durchaus üblicher Fall, denn häufig bleiben Kunden ihrer Bank langfristig treu. Doch was gilt bei einer solchen Anschlussfinanzierung mit Blick auf die Widerrufbarkeit des Kreditvertrags?
Die entscheidenden Fragen, die es dabei zu prüfen gilt: Welcher Vertrag (und damit welche Widerrufsbelehrung) ist für die Widerrufbarkeit relevant? Und wann wurde dieser Vertrag abgeschlossen? Diese zwei Punkte nehmen wir mal genauer unter die Lupe.
Erstens: Handelt es sich bei der Vertragsverlängerung um einen eigenständigen neuen Kredit oder lediglich um eine Fortsetzung (Prolongation) des alten Darlehens? Eine reine Verlängerung ist nämlich für den Widerruf nicht relevant. Egal, ob die Prolongation eine Widerrufsbelehrung enthält oder nicht, spielt sie für die Frage, ob der Vertrag noch widerrufen werden kann, keine Rolle. Stattdessen ist immer auf den Ursprungsvertrag abzustellen. Das gilt auch dann, wenn die Anschlussfinanzierung vor Ablauf der Zinsbindung stattgefunden hat, als sogenanntes Forward-Darlehen.
Die Rechtsprechung stellt sehr hohe Hürden dafür auf, dass es sich um einen neuen Kredit handelt. Sie unterscheidet dabei zwischen einer "echten Anschlussfinanzierung" (= eigenständiger neuer Kredit) und einer "unechten Anschlussfinanzierung" (=Prolongation eines Altkredits). Unsere Erfahrung bei der IG Widerruf zeigt: In mehr als 90 Prozent aller Anschlussfinanzierungen handelt es sich um eine unechte Anschlussfinanzierung. Das bedeutet, dass der Vertrag des ursprünglichen Altkredits für den Widerruf relevant ist.
Nur wenn im Rahmen der Anschlussfinanzierung mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt ist, dann ist die Verlängerung als eigenständiges Darlehen zu bewerten:
1. Der Kreditnehmer hat nicht nur die alte Restschuld verlängert, sondern zusätzliches Kapital aufgenommen, z.B. für eine Renovierung.
2. Es wurde der Kreditnehmer gewechselt oder es wurde (bei gemeinsamer Finanzierung) ein Kreditnehmer entlassen oder hinzu genommen.
3. Es wurde eine Sicherheit ausgetauscht, z.B. weil eine Immobilie verkauft und eine andere gekauft wurde
Doch beide Fälle sind wie gesagt in der Praxis äußerst selten. Normalerweise ist also bei einer Anschlussfinanzierung der Ursprungsvertrag entscheidend. Dies gilt zumindest dann, wenn lediglich der Zinssatz und die Laufzeit des Darlehens neu justiert wurden.
Nachdem man nun weiß, welcher Kreditvertrag relevant ist, wäre zu prüfen, inwieweit dieser Kredit für einen Widerruf in Frage kommt. Es ist ja bekannt, dass lediglich Kreditverträge ab November 2002 betroffen sind, da zu diesem Zeitpunkt das Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehen eingeführt wurde. Daraus ergeben sich folgende mögliche Fälle - mit Vor- und Nachteilen für Bank und Verbraucher:
a. Ein Verbraucher hat 1999 ein Darlehen abgeschlossen, bei dem nach Ablauf der Zinsbindung in 2009 der Zinssatz angepasst wurde. Dieser Kredit kommt für einen Widerruf nicht in Frage. Relevant ist der Ursprungskredit, der zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem das Widerrufsrecht noch nicht existierte. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Altkredit aus 1999 eine (damals noch freiwillige) Widerrufsbelehrung enthält. Hier gilt also: Vorteil für die Bank - sie kann sich auf den Altkredit berufen.
b. Ein Verbraucher hat 2003 ein Darlehen abgeschlossen, das 2013 verlängert wurde, ohne neues Kapital aufzunehmen. In 2013 hatten die Banken ihre Widerrufsbelehrungen zumeist schon so umgestellt, dass sie nicht mehr fehlerhaft waren. Das hilft dem Kreditinstitut hier aber nicht: Da es sich um eine Prolongation handelt, bleibt der Vertrag aus 2003 entscheidend - und zu diesem Zeitpunkt war ein großer Teil der Kredite fehlerhaft. Vorteil für den Verbraucher.
Fazit: Haben Sie Ihre Baufinanzierung also schon einmal verlängert, dann müssen zwei Dinge geprüft werden, um zu erfahren, ob ein Widerruf in Frage kommt. Teil eins der Prüfung besteht darin, festzustellen, welcher Kreditvertrag relevant ist. Das ist relativ einfach und kann von Ihnen vorgenommen werden. In der Regel ist es der Ursprungsvertrag, es sei denn, Sie haben bei der Verlängerung den Kreditrahmen erhöht. Liegt dieser Ursprungsvertrag vor November 2002, kommt der Widerrufsbelehrung für Sie leider nicht in Frage.
Haben Sie dagegen festgestellt, dass der relevante Kreditvertrag nach November 2002 abgeschlossen wurde, dann kommt der zweite Teil der Prüfung. Dieser ist kniffliger und bezieht sich auf Fehler in der Widerrufsbelehrung. Dabei helfen Ihnen die kompetenten und unabhängigen Fachanwälte der IG Widerruf (www.widerruf.info). Diese Prüfung im Rahmen einer Ersteinschätzung ist kostenlos und unverbindlich. Werden Fehler festgestellt, helfen Ihnen die Experten anschließend gerne dabei, Ihre berechtigten Forderungen auf einen Widerruf gegenüber der Bank durchzusetzen.
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info
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