Lebensversicherungen

Zu hoch: Streit um Verzinsung

17.08.15 09:44 Uhr

Zu hoch: Streit um Verzinsung | finanzen.net

Grüne fürchten eine Branchenkrise und fordern geringere Renditen für die Kunden. Verbraucherschützer halten das für Unfug.

von Martin Reim, Euro am Sonntag

Grüne und Verbraucherschützer sind uneins über den Umgang mit Lebensversicherern. Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, fordert auf seiner Homepage staatlich verordnete "Einsparungen bei den Überschussbeteiligungen". Dieses Ansinnen sei "Unfug", sagt hingegen Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten, gegenüber €uro am Sonntag. Es gebe für eine solche Forderung keine Notwendigkeit. Die Überschussbeteiligung ist die jährlich festgelegte Verzinsung der Kundenguthaben bei Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen.



Dieser Streit ist ungewöhnlich. Bislang zogen beide Seiten zumeist an einem Strang, etwa in ihrer Kritik am sogenannten Lebensversicherungsreformgesetz. Die Koalition, die das Paket 2014 verabschiedet hatte, sei vor der Versicherungslobby eingeknickt, hieß es damals übereinstimmend. Auch über die Lage der Unternehmen herrscht jetzt Dissens. Laut Giegold sind sie "auf breiter Front unterkapitalisiert". Es drohe eine "Versicherungskrise mit Leistungskürzungen oder milliardenschweren Subventionen aus dem Bundeshaushalt". Kleinlein spricht hingegen lediglich von "vermeintlichen Kapitalschwächen". Die Branche rechne sich schlechter, als sie tatsächlich dastehe. Ihr gehe es "im Großen und Ganzen gut".

Anlass des Streits sind Äußerungen des Bundesfinanzministeriums, es sehe keinen akuten Handlungsbedarf, um die Branche krisenfester zu machen. Sie sei "gut gerüstet" für die neuen europaweiten Eigenkapitalregeln namens Solvency II, die Anfang 2016 starten.


Das Ministerium berief sich auf eine Studie der Finanzaufsicht Bafin, wonach "nahezu alle" Anbieter zum Stichtag Ende 2014 genügend Eigenmittel nachweisen konnten. Laut Bafin-Chef Felix Hufeld waren die Ergebnisse jedoch nur deshalb so positiv ausgefallen, weil es zum Start von Solvency II übergangsweise Erleichterungen gebe. "Die Unternehmen werden sich also sehr anstrengen müssen, um ihre Kapitalbasis zu stärken", mahnte Hufeld.

Ralf Bender von der Rating­agentur Standard & Poor’s (S & P) meint: "Die deutschen Lebensversicherer sind weder überkapitalisiert, noch stehen sie kurz vor dem Kollaps - die Wahrheit liegt eher in der Mitte." Der Leiter des deutschen S & P-Versicherungsteams sagte €uro am Sonntag weiter: "Die Lebensversicherer müssen sich in der Tat wetterfester machen, aber sie sind auch schon dabei."

Er verwies unter anderem auf die sinkenden Überschussbeteiligungen. Nach durchschnittlichen Werten um die sieben Prozent in den 90er-Jahren sind sie in diesem Jahr auf ein Allzeittief von rund 3,3 Prozent gefallen. Bei Neuverträgen liegt der Wert noch niedriger.

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