Autoversicherung

Freie Fahrt für Wechsler

12.11.11 06:00 Uhr

Immer mehr suchen ihre Kfz-Policen auf Vermittlerportalen. Nun steigen die Versicherer in den Wettbewerb ein. Was das den Kunden bringt.

Die Wochen vor dem 30. November werden heiß für Vergleichsportale wie Check24, Toptarif und Co. Millionen deutscher Auto- und Motorradhalter werden wieder mal in ihren Datenbanken nach einer neuen Kfz-Haftpflicht stöbern. Denn über 90 Prozent der Kfz-Policen hierzulande beginnen am 1. Januar und enden am 31. Dezember. Wegen der einmonatigen Kündigungsfrist, müssen Wechselwillige alte Verträge bis Ende November kündigen. Doch dieser Ansturm schockt die Portalbetreiber längst nicht mehr. Was in den Vorstandsetagen der deutschen Assekuranz ausgebrütet wird, beunruhigt sie indes viel mehr. Denn einigen Versicherungschefs sind die Vergleichsportale inzwischen ein Dorn im Auge. Nicht ohne Grund.

Laut Branchenangaben sollen sich die Portale neue Verträge mit Provisionen von 50 Euro und mehr vergolden lassen. Das wäre für die Assekuranz angesichts von etwa 20 Milliarden Euro, die sie Jahr für Jahr an Prämien einsammelt, eigentlich verschmerzbar. Doch inklusive der Schäden und anderer Kosten stehen bei vielen Versicherern in der Kfz-Sparte unterm Strich millionenschwere Verluste.

Da die Zahl der Unfälle kaum beeinflussbar ist, versuchen die Versicherer daher bei Provisionen zu sparen. Sie -bauen eigene Vergleichsplattformen auf oder kaufen sich ein. Letzteres haben Branchenprimus HUK Coburg, HDI Direkt und WGV gemacht. Unter dem verheißungsvollen Namen transparo.de buhlt nun eine Tochter des Portals aspect-online.de um Wechselwillige. Laut HUK-Coburg-Vorstandschef Wolfgang Weiler gilt es, „das Quasi-Monopol von Check24 zu brechen“. Mitte Oktober will der Sparkassenversicherer S Direkt sein Portal autoversicherung.de an den Start bringen. Dass solche Lösungen andere Versicherer irritieren, haben sich die Chefs von HUK und S Direkt nicht gedacht. So will die Allianz, nach Anzahl der Kfz-Policen Nummer 2 im Markt, zumindest bei transparo.de nicht mehr gelistet werden.

Fragwürdiger Kundennutzen

Was dieser Wettbewerb den Kunden bringt, ist offen. Michael Wortberg von der Verbraucherzentrale Rheinland-Plalz findet es in Ordnung, dass auch Versicherer ihre eigenen Berechnungen anbieten. Der Kunde müsse das Angebot aber auch nutzen, meint er. „Wer einen umfassenden Überblick will, sollte ohnehin mindestens zwei Vergleichsportale zu Rate ziehen“, sagt er. Aber werden die Portale durch die Konkurrenz auch besser? €uro hat die elf größten Portale getestet. Der Neuling autoversicherung.de musste leider außen vor bleiben, da die Internetpräsenz erst Mitte Oktober und damit nach Redaktionsschluss dieses Heftes online gehen wird. Um den Test so realistisch wie möglich zu gestalten, hat die Redaktion vier unterschiedliche Kundentypen modelliert.

Das Hauptaugenmerk des Tests, der von dem renommierten Institut YouGov Psychonomics durchgeführt wurde, lag dabei auf der fachlichen Qualität: Wie umfangreich sind die Datenbanken? Wie aktuell die Tarife? Und: Wirft der Rechner ein Standardergebnis aus oder war der Tarif auf die Besonderheiten des jeweiligen Testfalls abgestimmt? Insgesamt floss die fachliche Qualität mit 75 Prozent ins Gesamtergebnis ein. Das gab den Ausschlag für den Sieg von transparo.de. Der Neuling schafft es im ersten Anlauf auf Platz 1. Die Portale aspect-online.de, finanzen.de und insurancecity.de nutzen denselben Vergleichsrechner wie transparo.de. Vorjahressieger ArdbegCheck24 konnte trotz minimaler Schwächen bei der fachlichen Qualität, dank der benutzerfreundlichsten Seite im Test in diese Phalanx eindringen. Alle fünf Portale -erhielten die Endnote „sehr gut“.

Die Durchschnittsnote aller getesteten Portale entspricht der aus dem Herbst 2010. Der verschärfte Wettbewerb hat sich also zumindest nicht negativ ausgewirkt. Doch so gut einige Portale auch sind. Keines kennt alle möglichen Tarife – es gibt schlicht zu viele. Wortbergs Tipp: „Wer zufrieden ist, sollte erst gar nicht wechseln.“ Sondern einmal im Jahr den Versicherungsschutz überprüfen und gegebenenfalls bei der Versicherung nachfragen, ob es billiger geht.

Neue Typenklassen

Parallel zum Kampf der Portale ändern sich die Typenklassen für rund ein Drittel aller Fahrzeuge. Folge: Einige Wagen sind günstiger zu versichern. Für andere wird’s teurer. Die Typenklassen errechnen sich übrigens vereinfacht gesagt aus der Zahl der zugelassenen Wagen eines Typs im Verhältnis zu den Unfällen, an denen diese Fahrzeuge beteiligt waren. Wer herausfinden will, ob seine Police nun mehr oder weniger kostet, kann dies mithilfe des Fahrzeugscheins unter: www.gdv-dl.de/typklassenverzeichnis tun. Oft lohnt ein Wechsel: Bei einer -Umfrage von YouGov Psychonomics -gaben zwei Drittel all derer, die ihre Kfz-Haftpflicht online abgeschlossen haben, an, im Vergleich zur alten Police über 50 Euro im Jahr gespart zu haben.

Familien mit einem Motorrad im Haushalt können noch mehr sparen: Sobald das erste Kind einen eigenen fahrbaren Untersatz bekommt, lohnt es sich, die Motorradpolice auf den neuen Wagen umzuschreiben und das Motorrad neu zu versichern. Damit bekommt der Nachwuchs den günstigen Tarif und die neue Police des Motorrads verbilligt sich schneller als die eines Autos. „Sind die Kinder zwei bis drei Jahre auseinander, lohnt sich das Spiel öfter“, sagt Wortberg. Kleiner Wermutstropfen: Der Wechsel funktioniert meist nur bei Versicherungen mit einem Vertreter vor Ort. „Im Callcenter reden Sie sich den Mund fusselig“, so der Verbraucherschützer.


Markus Hinterberger