Absicherung

Guide für Hinterbliebenenschutz

04.06.10 11:46 Uhr

„Nach mir die Sintflut“ ist kaum die richtige Haltung gegenüber Angehörigen. Besser wäre ausreichende Vorsorge. So geht's.

von Euro-Redakteur Ulrich Lohrer

Am 18. Juni 1583 schloss Walter Gybbons in London mit 16 Vertragspartnern eine Wette auf sein Leben ab. Die Bedingungen waren klar geregelt: Für den Fall, dass Gybbons innerhalb eines Jahres sterben sollte, verpflichteten sich die 16 Unterzeichner, dem Ratsherrn Richard Martin einen Betrag von 383 Pfund auszuzahlen. Als Gegenleistung erhielten sie von Gybbons 30 Pfund Sterling. Natürlich im Voraus.

Für Wirtschaftshistoriker ist die erste vertraglich dokumentierte Lebensversicherung aus einem grundlegenden Absicherungsbedarf entstanden: Entweder war Martin, der Begünstigte im Todesfall, ein Freund, der mit dem „Wettgewinn“ Gybbons’ hinterbliebene Angehörige versorgen sollte. Oder Martin hatte Gybbons ein Darlehen gegeben und verlangte von dem Kreditnehmer eine entsprechende Absicherung.

Beides sind bis heute die wichtigsten Motive, einen solchen Vertrag einzugehen. Wer seinen Partner, seine Familie oder seine Freunde auch nach seinem Tod versorgen will, schließt mit einem Assekuranzunternehmen eine Risiko­lebensversicherung ab. Besonders wichtig ist eine solche Police für Paare mit wenig Kapital, die ihren Nachwuchs im Todesfall der Eltern – oder zumindest des Hauptverdieners – finanziell absichern wollen. Und häufig sind es auch Banken, die ihre Kreditnehmer zum Abschluss einer Lebensversicherung drängen, um von der Versicherungsgesellschaft den ausstehenden Schuldbetrag zu erhalten, wenn der Darlehensnehmer vor der Rückzahlung versterben sollte.

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Früher wurden als Hinterbliebenenschutz häufig auch Kapitallebensversicherungen abgeschlossen, weil die Vermittler bei diesem Kombi-Produkt aus Risikoschutz und Altersvorsorge auf die Steuerfreiheit der Kapitalerträge verweisen konnten. Mit dem Wegfall des Steuer­privilegs im Jahr 2005 ging jedoch die Anzahl der neu abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen drastisch zurück. Vermittler haben aber durchaus ein Motiv für den Verkauf einer Kapitallebensversicherung: Ihre Provision ist dann höher. Gerade junge Familien mit knappem Budget lassen sich aus Unkenntnis über günstigere Risiko­lebensversicherungen mit ausreichend hoher Versicherungssumme zu einer teureren Kapitalpolice mit unzureichendem Hinterbliebenenschutz überreden.

Mehr ist auch zu wenig

So wurde der Rückgang bei Kapitalprodukten seit 2005 nicht einmal annähernd durch neu abgeschlossene Risiko­lebensversicherungen ausgeglichen. Und: Viele Familien besitzen gar keinen Hinterbliebenenschutz. Zudem wählen sie immer noch eine zu geringe Deckung. Zwar hat sich „die durchschnittliche Versicherungssumme in Deutschland von etwa 57?000 Euro im Jahr 2000 auf rund 70.000 Euro 2009 erhöht“, wie Daniela Röben vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin mitteilt. Das ist aber oft immer noch viel zu wenig.

Als Beispiel dient ein junger Familienvater, der im Fall seines Todes seinen Angehörigen einen Einkommensersatz bis zum Ausbildungsende seines Kinds sichern will: Um 25 Jahre lang eine monatliche Zahlung von 1000 Euro darstellen zu können, wird bei einem Anlagezins von drei Prozent nach Steuern und einer Erhöhung der Auszahlung um jährlich 2,5 Prozent als Inflationsausgleich immerhin ein Kapital von über 225.000 Euro benötigt.

Wer also beim Hinterbliebenenschutz einen faulen Kompromiss vermeiden will, sollte eine ausreichend hohe Versicherungssumme wählen. Existiert bereits Kapital, kann die Versicherungssumme entsprechend reduziert werden. Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung haben zudem meist einen Anspruch auf Hinterbliebenenschutz in Form einer Witwen/Witwer- beziehungsweise einer Waisenrente. Wie hoch sie ausfällt, verrät die Renteninformation ( www.deutsche-rentenversicherung.de). In der Regel können sie aber den Einkommensverlust durch den Tod eines Elternteils nicht annähernd ausgleichen.


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Erfahrungsgemäß wird ein sechsstelliger Absicherungsbetrag benötigt. Es gilt daher, die Versicherungssumme möglichst preiswert einzukaufen. „Die günstigsten Tarife bieten in der Regel Direktversicherer ohne teuren Außendienst wie Ergo Direkt, Ontos, Europa, Hannoversche und CosmosDirekt an“, sagt Karl-Heinz Reimer, Vorstand von FSS-online in Siegburg. Das Versicherungs­vergleichsportal hat im Auftrag von €uro die günstigsten Angebote für 35-Jährige mit 100.000 Euro Versicherungssumme und einer 25-jährigen Vertragslaufzeit ermittelt. Die Auswahl der Anbieter von Restschuldversicherungen, bei der die Summe entsprechend des Kreditverlaufs während der Laufzeit sinkt, ist dagegen geringer (siehe Tabellen).

Im Gegensatz zu einer Berufsunfähigkeits- oder Krankenversicherung gibt es kaum vertragliche Fallstricke: Der Leistungsfall ist mit dem Tod des Versicherten klar geregelt. „Auch bei einer Selbsttötung zahlt die Versicherung, sofern der Versicherte erst mehr als drei Jahre nach Versicherungsbeginn stirbt“, sagt Thomas Adolph, Geschäftsführer des Finanzdienstleisters AFW in Frankfurt. Gezahlt wird übrigens in der Regel auch, wenn der Versicherte im Ausland bei inneren Unruhen oder bei kriegerischen Ereignissen verunglückt. Allerdings darf er nicht selbst an den Kriegshandlungen beteiligt gewesen sein.

Rauchzeichen

Den Preis einer Wette bestimmt erwartungsgemäß die Eintrittswahrscheinlichkeit. Frauen und jüngere Menschen zahlen für ihren Versicherungsschutz unterdurchschnittliche Beiträge, weil sie in der Regel überdurchschnittlich lang leben. Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes hingegen können die statistische Lebensdauer spürbar senken und beeinflussen deshalb Preis und sonstige Versicherungskonditionen. So sind die Policen für Nichtraucher generell günstiger als die Standardpolicen.

Individuell wird dagegen der Gesundheitszustand des Antragstellers bewertet. Wer Diabetes hat, kann selbst oder über Makler die Vertragsbedingungen bei verschiedenen Gesellschaften abfragen. „Der Anbieterwettbewerb sorgt dafür, dass die betroffenen Menschen den Versicherungsschutz zu fairen Bedingungen erhalten“, erläutert Finanzdienstleister Adolph. Risikolebensversicherungen mit „Vorableistung“ weichen vom Prinzip „gezahlt wird nach dem Tod“ ab. Sie werden von der Zurich Deutschland, Zurich Irland und der Delta Direkt angeboten. „Diagnostiziert der Arzt bei einer schweren Erkrankung eine Lebenserwartung unter zwölf Monaten, wird die Versicherungssumme sofort ausgezahlt“, erläutert Adolph. Würde Walter Gybbons heute leben, müsste er deutlich weniger für seine Wette zahlen. Denn nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Zahl der Wettanbieter ist stark gestiegen