Zum Scheitern verurteilt?

16.01.25 21:50 Uhr

Wenn am 20. Januar Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, wird er erheblich mehr Macht haben als zu Beginn seiner ersten Präsidentschaft. Damals hatte Trumps Republikanische Partei zwar ebenso wie jetzt einen machtpolitischen „Dreifachtreffer“ gelandet – also neben der Präsidentschaft auch die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses errungen. Jedoch gab es drei entscheidende Unterschiede: Erstens hatte Trump 2017 eine etwas schwächere Legitimationsgrundlage, weil er den „popular vote“ (die Mehrheit der abgegebenen Stimmen) nicht gewinnen konnte. Zweitens hatte er mit erheblichen Widerständen in der eigenen Partei zu kämpfen. Und drittens zogen entrüstete Demokraten mit der Resistance-Bewegung gegen ihn zu Felde. Dadurch konnten die Republikaner schon während der Anfangszeit von Trumps erster Präsidentschaft von ihrer legislativen Agenda nicht viel umsetzen, obwohl sie da noch die Mehrheit im Repräsentantenhaus besaßen, die sie bei den Halbzeitwahlen 2018 einbüßten.Diesmal hingegen hat Trump die Republikanische Partei geschlossen hinter sich versammelt und die Demokraten sind nach ihrer unerwartet deutlichen Niederlage erschüttert, zerstritten und demoralisiert. Werden die Republikaner diesmal also ihre ambitioniertesten Gesetzesvorhaben umsetzen können? In welchem Umfang kann (oder sollte) die demokratische Minderheit im Kongress mit ihnen kooperieren? Und: Wie lange wird die jetzige Geschlossenheit der Republikaner Bestand haben?Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass eine beträchtliche Zahl von Demokraten aufgeschlossen ist für die Möglichkeit, zumindest bei manchen Themen mit den Republikanern zu stimmen. Am 7. Januar zum Beispiel wurde im Repräsentantenhaus der Laken Riley Act verabschiedet. Nach diesem Gesetz müssen Einwanderer ohne Papiere, die in den USA wegen Diebstahl oder Einbruch angeklagt sind, in Haft genommen werden. Für den Laken Riley Act stimmten neben allen republikanischen Abgeordneten auch 48 Demokraten (159 Demokraten votierten dagegen). Auch etliche demokratische Senatoren (unter anderem John Fetterman aus Pennsylvania und Ruben Gallego aus Arizona) haben erklärt, dass sie den Gesetzentwurf mittragen.Viele Demokraten sehen die Wahlniederlage ihrer Partei im November als eine Gegenreaktion der Wählerinnen und Wähler auf wahrgenommene Fehlentscheidungen. Sie führen dies auf unpopuläre Positionen in zentralen Themen wie Zuwanderung, Inflation, Kriminalität und öffentlicher Ordnung sowie auf einen als radikal empfundenen Kurs in Fragen von Rasse und Gender zurück. Die Demokraten sind überzeugt: Wenn sie bei Gesetzesvorhaben, die auf einen pragmatischen Umgang mit diesen Problemen abzielen, zusammen mit den Republikanern stimmen, könnte die Demokratische Partei als Marke wieder Anschluss an den Mainstream der öffentlichen Meinung bekommen – und vor allem an die arbeitende Bevölkerung gleich welcher ethnischen Herkunft, die sie mit ihrer linken Kulturideologie verprellt haben. Jared Moskowitz aus Florida, demokratischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus, wertete gegenüber Punchbowl News die gestiegene Zustimmung zum Laken Riley Act in den Reihen der Demokraten als Reaktion auf das Wahlergebnis: „Ich glaube nicht, dass das amerikanische Volk sich Extremismus wünscht, aber sie wollen definitiv, dass sich an der Grenze etwas ändert“, stellte er fest. „Bei manchen dieser Themen standen wir weiter links als die amerikanische Bevölkerung.“Viele Demokraten sehen die Wahlniederlage ihrer Partei im November als eine Gegenreaktion der Wählerinnen und Wähler auf wahrgenommene Fehlentscheidungen.Andere demokratische Abgeordnete erklärten gegenüber Reportern, sie seien offen dafür, bei grundlegenden und akuten Themen wie der Senkung der Lebenshaltungskosten, der Steuerreform und den vom Ministerium für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency, DOGE) angestrebten Reduzierung unnötiger Staatsausgaben mit den Republikanern zu kooperieren. Einige Vertreter des progressiven Lagers sprechen von einer möglichen Zusammenarbeit mit der Regierung bei Maßnahmen, die der arbeitenden Bevölkerung zugutekommen wie die von Trump geplante Deckelung der Kreditkartenzinssätze. Nach Meinung der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, womöglich die bekannteste progressive Parlamentarierin der USA, verlieren die Demokraten manche Wahl deswegen, „weil wir uns reflexartig gegen die Republikaner stellen und uns nicht genug ins Zeug legen, wenn es darum geht, eine ehrgeizige Vision für die amerikanische Arbeiterschicht zu entwickeln.“Solche Aussagen könnten allerdings die Bereitschaft beider Parteien, auch über ein paar relativ unstrittige Vorhaben hinaus zusammenzuarbeiten, größer erscheinen lassen, als sie ist. Seit Trumps erster Amtszeit zerfällt die amerikanische Politik zunehmend in zwei Lager, und in beiden Lagern gibt es viele, für die ein Kompromiss beinahe schon Verrat ist. Vor diesem Hintergrund ist der Republikaner Mike Johnson, der neue Vorsitzende des Repräsentantenhauses, nicht zu beneiden. Die Republikaner verfügen über eine hauchdünne Mehrheit von 219 zu 215 Sitzen – die knappste seit fast einem Jahrhundert. Diese Mehrheit wird in den kommenden Wochen noch weiter schrumpfen, da zwei Abgeordnete die Fraktion verlassen, um Regierungsposten anzutreten. Johnson wurde im ersten Wahlgang gewählt, hätte dabei jedoch keine einzige Stimme weniger erhalten dürfen. Damit ist er der erste „Speaker of the House“ seit 112 Jahren, der mit der kleinstmöglichen Mehrheit ins Amt gewählt wurde.Nach verbreiteter Einschätzung ist Johnson zum Scheitern verurteilt. Erstens zeigt das knappe Abstimmungsergebnis, wie schwach sein Rückhalt in der eigenen Fraktion ist. Zweitens müssen die Republikaner im Repräsentantenhaus die Reihen nahezu perfekt geschlossen halten, wenn sie Gesetzesvorhaben ohne Unterstützung der Demokraten durchbringen wollen. Das regelmäßig zu bewerkstelligen, wäre selbst dann schon extrem schwierig, wenn die Republikaner ideologisch genau auf der gleichen Wellenlänge liegen würden. In Wahrheit sind sie aber so gespalten wie seit Jahrzehnten nicht mehr.Inzwischen ist der Konservatismus keine geschlossene Bewegung mehr, sondern ein Sammelsurium rivalisierender Untergruppen.Frühere republikanische Präsidenten – angefangen mit Ronald Reagan – profitierten von einer geeinten konservativen Bewegung, die es verstand, Meinungsverschiedenheiten zugunsten übergeordneter Ziele wie dem Sieg im Kalten Krieg zurückzustellen. Inzwischen ist der Konservatismus keine geschlossene Bewegung mehr, sondern ein Sammelsurium rivalisierender Untergruppen: Populisten, Libertäre, Nationalisten, Evangelikale, die „Tech-Bros“ des Silicon Valley, die Defizit-Falken von der Wall Street, katholische Integralisten, Lifestyle-Konservative, Isolationisten, Neo-Imperialisten, QAnon-Verschwörungstheoretiker und andere. Das Einzige, was diese Gruppen verbindet, ist die gemeinsame Loyalität zu Trump und der Hass auf die Linke. Einen Vorgeschmack auf die Animositäten innerhalb des konservativen Lagers vermittelte Mitte Januar die Attacke von Trumps früherem Chefstrategen Steve Bannon gegen Elon Musk als einem der führenden Köpfe der DOGE-Initiative, mit der Trump die US-Regierung verschlanken will. In der Hauptsache ging es bei dem Streit um die Zuwanderung hoch qualifizierter Fachkräfte im Rahmen des Visumprogramms H-1B.Diese Spannungen innerhalb der konservativen Bewegung werden sich darin äußern, dass die republikanische Kongressfraktion sich bei vielen Themen, von denen die Öffentlichkeit in vielen Fällen noch gar keine Notiz genommen hat, interne Kämpfe liefern wird. Nur ein Beispiel: Früher lehnten die Republikaner den Plan der Demokraten, mehr Elektrofahrzeuge auf Amerikas Straßen zu bringen, weitgehend einhellig ab. Das war allerdings in einer Zeit, bevor Elektroauto-Magnat Musk auf den Make-America-Great-Again-Zug aufsprang und bevor unter Biden mit Gesetzen wie dem Inflation Reduction Act der Aufbau von E-Auto-Fabriken in stark republikanisch dominierten Bundesstaaten wie Kentucky, South Carolina und Tennessee vorangetrieben wurden. Wie wohl die republikanischen Abgeordneten aus diesen Bundesstaaten reagieren werden, wenn diesen Werken, die für sie inzwischen zu Jobmaschinen geworden sind, der Garaus gemacht werden soll?Das Problem, dass er als Vorsitzender nur eine hauchdünne und obendrein zutiefst gespaltene Mehrheit hinter sich hat, wird Mike Johnson als „Speaker of the House“ auf Schritt und Tritt das Leben schwer machen. Und was wird passieren, wenn er für Gesetzentwürfe, die unbedingt verabschiedet werden müssen, wie zum Beispiel zur Anhebung der Verschuldungsobergrenze, zur Finanzierung der Regierung oder zur Verlängerung der von Trump gewünschten Steuererleichterungen, nicht die erforderliche Mehrheit zusammenbekommt? Dann könnte er sich mit demokratischen Abgeordneten verständigen, um sich die fehlenden Stimmen zu sichern – was ihn aber weitere republikanische Stimmen kosten und einen Aufstand auslösen dürfte, der ihn aus dem Amt befördert.Bei diesen ohnehin schon düsteren Szenarien ist die Möglichkeit, dass Trump die amerikanische Politik in ihrer bisher bekannten Form komplett auf den Kopf stellt, noch gar nicht einkalkuliert. Manche der von Trump ins Spiel gebrachten Sofortmaßnahmen – Massenabschiebungen, Verhaftungen von Journalisten und politischen Gegnern, Entlassungen von Tausenden Laufbahnbeamten und die Abschaffung des Geburtsortsprinzips im Staatsbürgerschaftsrecht – dürften bei Demokraten (und sogar bei einigen Republikanern) auf so erbitterten Widerstand stoßen, dass an parteiübergreifende Zusammenarbeit nicht zu denken ist. Doch was, wenn die Regierung noch weiter geht? Sollte sie einen autoritären Kurs einschlagen, gerichtliche Anordnungen ignorieren und unter Berufung auf das Aufstandsgesetz (Insurrection Act) das Militär einsetzen, um Proteste in amerikanischen Städten niederzuschlagen, könnte dies das politische Klima vollständig vergiften. Die verhältnismäßig überparteiliche Stimmung, die momentan zu spüren ist, könnte sich schon bald als sehr kurzlebig erweisen.Aus dem Englischen von Andreas BredenfeldWeiter zum vollständigen Artikel bei IPG Journal

Quelle: IPG Journal