Deutsche wollen beruflich kürzertreten - das sind die Gründe
Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist wichtig, um in seiner beruflichen Laufbahn langfristig glücklich zu bleiben. Fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland wünscht sich laut einer Umfrage, beruflich kürzerzutreten. Das sind die Gründe.
Elf Prozent der Arbeitnehmer arbeiten mehr als 50 Stunden die Woche
Vielen Menschen fällt es schwer, den stressigen Arbeitsalltag und das eigene Privatleben unter einen Hut zu bringen. Laut dem aktuellen "Better Life Index" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ein Vollzeitbeschäftigter durchschnittlich etwa 15 Stunden zur freien Verfügung - für Essen, Schlafen und andere Arten der Freizeitgestaltung. Rund elf Prozent der Arbeitnehmer müssen allerdings deutlich mehr arbeiten: Den Ergebnissen der OECD-Studie zufolge arbeitet jeder Zehnte mehr als 50 Stunden pro Woche.
Dabei ist eine ausgeglichene Work-Life-Balance sehr wichtig. Sie beeinflusst das Wohlbefinden von Arbeitnehmern und sorgt dafür, dass diese im Laufe ihrer beruflichen Karriere gesund und glücklich bleiben. Die beste Work-Life-Balance haben aktuell Arbeitnehmer in den Niederlanden, wie die Studie anhand von verschiedenen Kriterien ermittelt hat.
Mehr als die Hälfte wünscht sich Reduzierung der Arbeitszeit
Deutschland belegt aktuell den neunten Platz im Work-Life-Balance-Ranking - eine Tatsache, die einige Arbeitnehmer in Deutschland unbedingt ändern wollen. Das hat eine kürzlich durchgeführte Online-Umfrage des Job-Portals "Indeed" herausgefunden, die dem Wirtschaftsmagazin Stern exklusiv vorliegt. So gab etwa die Hälfte der 1.074 befragten Arbeitnehmer an, dass sie "auf jeden Fall bereit" (22 Prozent) oder zumindest "unter bestimmten Umständen" (29 Prozent) bereit wären, beruflich kürzerzutreten. Jeder fünfte Teilnehmer (20 Prozent) antwortete, dass er schon jetzt kürzertreten würde. Nur 23 Prozent der Umfrageteilnehmer haben eigenen Angaben zufolge noch nicht den Willen, beruflich kürzerzutreten.
Dabei interpretieren die Arbeitnehmer den Begriff "kürzertreten" vor allem als eine Verringerung der Arbeitszeit. Außerdem würden sich viele Arbeitnehmer flexiblere Arbeitsmodelle und mehr Homeoffice für ihren Beruf wünschen.
Die Beweggründe
Die Beweggründe von Arbeitnehmern sind unterschiedlich. Die meisten Arbeitnehmer geben in der Studie an, dass sie die Arbeitszeit reduzieren wollen, wenn sie "finanzielle Unabhängigkeit erreicht" haben. Auch die physische Gesundheit, mehr Zeit für die Familie und die Pflege von Angehörigen sind häufige Motive für den Wunsch der befragten Teilnehmer, berichtet der Stern.
Die Hindernisse
Das Haupthindernis bei der Erfüllung des Wunsches nach einer geringeren Arbeitszeit ist den "Indeed"-Ergebnissen zufolge für die meisten Teilnehmer vor allem das Geld. So gaben sechs von zehn Befragten an, dass sie Angst hätten, dass ihr Einkommen nicht mehr zum Leben ausreicht, wenn sie beruflich kürzertreten. 20 Prozent der Befragten nannten außerdem Langeweile und fehlende Auslastung als möglichen Nachteil einer frühen Reduzierung der Arbeitszeit. Auch haben einige Teilnehmer eigenen Angaben zufolge Angst vor einem Statusverlust. Sieben Prozent der befragten Arbeitnehmer äußerten die Sorge, Ansehen gegenüber ihren Kollegen zu verlieren; vier Prozent fürchteten sich vor einem Ansehensverlust in ihrem Freundeskreis.
Mehr Männer fühlen sich "überbeschäftigt"
Vergleicht man die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern, zeigt sich auch hier eine klare Tendenz. So gaben dem Stern zufolge deutlich mehr Frauen in der Umfrage an, dass sie schon jetzt beruflich kürzertreten würden - und deutlich mehr Männer, dass sie sich dies wünschen würden.
Wie die Bertelsmann Stiftung in einer Studie Ende März herausgefunden hat, arbeiten erwerbstätige Männer durchschnittlich etwa 41 Stunden und erwerbstätige Frauen etwa 32 Stunden pro Woche. Dabei fühlen sich viele Männer laut eigenen Angaben eher "überbeschäftigt", die Hälfte der befragten Arbeitnehmer gibt zu, dass sie gerne weniger arbeiten würde. Bei den Frauen sind das nur 41 Prozent.
Im Gegensatz dazu meinen deutlich mehr Frauen, sich "unterbeschäftigt" zu fühlen. So sagen 17 Prozent der weiblichen Erwerbstätigen, dass sie gerne mehr arbeiten würden - bei den Männern sind es nur neun Prozent.
Die Bertelsmann-Studie erklärt sich diese Umfrageergebnisse vor allem mit den fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und die hohen Kosten dafür: "Insbesondere Müttern fällt es schwer, ihre Arbeitszeitwünsche zu realisieren", heißt es in der Studie.
Pauline Breitner / Redaktion finanzen.net
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