Strombezug drosseln

Änderungen im Stromnetz: Netzbetreiber erhalten 2024 Recht zur Stromdrosselung

12.12.23 23:48 Uhr

Stromnetz im Wandel: Ab 2024 dürfen Netzbetreiber die Stromzufuhr regulieren | finanzen.net

In Deutschland steht ab Januar 2024 eine wesentliche Änderung im Stromsektor bevor. Als Reaktion auf die zunehmenden Herausforderungen, die der steigende Strombedarf - insbesondere durch Elektroautos und Wärmepumpen - an die bestehenden Niederspannungsnetze stellt, werden Netzbetreiber unter bestimmten Bedingungen den Strombezug von Kunden drosseln dürfen.

Ursachen, Hintergrund und der zukünftige Strombedarf in Deutschland

Die vorhandenen Niederspannungsnetze in Deutschland sind aktuell nicht für den steigenden Strombedarf ausgelegt, der vor allem durch die zunehmende Verbreitung von Elektroautos und Wärmepumpen verursacht wird. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für das bestehende Netzwerk dar und beeinflusst entscheidend den Strombedarf des Landes. So hat der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Auftaktsitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem im Februar 2023 prognostiziert, dass der derzeitige Stromverbrauch von rund 550 Terawattstunden bis zum Jahr 2030 auf 700 bis 750 Terawattstunden ansteigen wird und bis 2045 möglicherweise sogar die Marke von 1.000 Terawattstunden erreicht.

Als Antwort auf den Trend der zunehmenden Elektrifizierung in Deutschland, beabsichtigt die Bundesregierung den Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung bis 2030 auf etwa 80 Prozent zu erhöhen, was einen beträchtlichen Anstieg im Vergleich zum aktuellen Anteil von 44,6 Prozent bedeutet, wie es weiter hieß. Dabei spiegelt sich diese Zielsetzung vor allem in den Bestrebungen wider, die Treibhausgasemissionen durch die Elektrifizierung verschiedener Bereiche zu senken.

Die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland erarbeiten in einem zweijährigen Rhythmus einen Szenariorahmen, der von der Bundesnetzagentur geprüft und als Grundlage für die Planung des zukünftigen Stromnetzausbaus herangezogen wird, wie Bürgerdialog Stromnetz berichtet. Dieser Rahmen umfasst politische Klimaziele sowie die Transformation in verschiedenen Wirtschaftssektoren und beinhaltet drei Szenarien (A, B und C), die Wege aufzeigen, wie Deutschland bis 2045 eine klimaneutrale Energieversorgung erreichen könnte, heißt es dort weiter. Dabei wird in allen Szenarien bis 2037 eine deutliche Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen erwartet. Der Wechsel zu batteriebetriebenen Fahrzeugen, der Einsatz von Wärmepumpen und Power-to-Heat-Anlagen sowie der gestiegene Strombedarf in der Industrie, insbesondere für die Herstellung von umweltfreundlichem Wasserstoff, tragen wesentlich zu diesem Anstieg bei.

Um auf diese Entwicklung schließlich zu reagieren, hat die Bundesnetzagentur eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes eingeführt, die eine netzorientierte Steuerung ermöglicht. Diese Neuerung soll dazu beitragen, die Niederspannungsnetze an den künftig stark steigenden Strombedarf anzupassen und die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Doch wie soll die netzorientierte Steuerung funktionieren?

Das ist die neue Regelung ab Januar 2024

Bereits ab Januar 2024 werden die neuen Regelungen in Kraft treten, die es Netzbetreibern ermöglichen, in bestimmten Situationen den Strombezug von Kunden einzuschränken, um Überlastungen des Stromnetzes zu verhindern, wie die Bundesnetzagentur in einem Online-Beitrag berichtet. Insbesondere dürfen die Netzbetreiber den Strombezug von neuen steuerbaren Wärmepumpen oder Wandladestationen, den sogenannten Wallboxen, zeitweilig drosseln. Während solcher Überlastungsperioden ist es den Netzbetreibern erlaubt, die Stromzufuhr auf bis zu 4,2 Kilowatt zu reduzieren, so die Bundesnetzagentur. Diese reduzierte Mindestleistung ermöglicht es, Wärmepumpen weiterhin zu betreiben und Elektroautos in etwa zwei Stunden für eine Distanz von 50 Kilometern aufzuladen, während der reguläre Haushaltsstrom von dieser Maßnahme unberührt bleibt.

Die rechtliche Grundlage für diese Regelungen bildet §14a des Energiewirtschaftsgesetzes, das ab Januar 2024 gültig sein wird. Das Gesetz bestimmt, welche Verbraucher von den Drosselungen betroffen sind und dass das Netzentgelt entsprechend reduziert werden muss, wie es weiter heißt. Als Ausgleich für die netzorientierte Steuerung ihrer Geräte erhalten betroffene Haushalte eine Vergünstigung, die entweder als jährliche Pauschale beim Netzentgelt oder als Reduzierung des Strom-Arbeitspreises um 60 Prozent für die betroffenen Geräte ausgezahlt wird. Ab 2025 haben die Verbraucher laut der Bundesnetzagentur zudem die Option, ein zeitvariables Netzentgelt zu wählen, das in Zeiten geringer Netzauslastung niedrigere Kosten vorsieht.

Die Bundesnetzagentur geht jedoch davon aus, dass solche Eingriffe der Netzbetreiber nur in seltenen Ausnahmefällen notwendig und nicht mit wesentlichen Komforteinbußen verbunden sein werden. Um Transparenz zu gewährleisten, sind die Netzbetreiber verpflichtet, derartige Steuerungseingriffe auf gemeinsamen Internetplattformen zu veröffentlichen. Dies soll der Öffentlichkeit ermöglichen, Überlastungsprobleme in einzelnen Netzbereichen nachzuvollziehen. Für bestehende Anlagen, die bereits eine Vereinbarung zur Steuerung durch den Netzbetreiber haben, gelten langfristige Übergangsregelungen. Anlagen ohne eine solche Vereinbarung bleiben von den neuen Regeln dauerhaft ausgenommen, können jedoch freiwillig teilnehmen. Nachtspeicherheizungen sind von den neuen Regelungen dauerhaft ausgenommen, wie es abschließend heißt.

Kritische Stimmen aus der Politik

Die im Januar 2024 in Deutschland in Kraft tretenden Regelungen haben eine Reihe von Reaktionen und Kritikpunkten hervorgerufen. Der FDP-Energieexperte Michael Kruse bezeichnete die Pläne gegenüber der Bild-Zeitung als "Ausdruck politischen Versagens" und äußerte Bedenken, dass der Umstieg auf Elektromobilität gefährdet sein könnte, wenn Verbraucher nur sporadisch Strom für ihre Fahrzeuge zur Verfügung hätten. Diese Kritik unterstreicht die Sorge, dass häufige Drosselungen die Unterstützung für die Energiewende in Deutschland abschwächen könnten.

Kruse hob hervor, dass Netzbetreiber, die den Strombezug drosseln, auch für einen schnellen Ausbau des Netzes verantwortlich seien. Diese Ansicht wird auch von der Bundesnetzagentur geteilt, deren Präsident Klaus Müller betonte, dass solche Eingriffe in die Stromversorgung nur in Ausnahmefällen erfolgen sollten, wie es weiter heißt.

Die "Bild"-Zeitung und Mark Helfrich, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sprachen sich dafür aus, Stromdrosselungen als Notfallinstrument zu betrachten. Helfrich warnte, dass ohne schnell geladene Elektroautos und warme Häuser die Mobilitäts- und Wärmewende scheitern würden. Die Bundesnetzagentur wies darauf hin, dass die meisten Verbraucher die Eingriffe kaum bemerken würden, da der Haushaltsstrom nicht betroffen sei und eine Mindestleistung garantiert werde, wie es abschließend heißt.

D. Maier / Redaktion finanzen.net

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