Neue Forschungsergebnisse: Früh für die Rente sparen lohnt sich nicht
Die meisten Finanzberater empfehlen, möglichst früh mit dem Sparen für die Rente anzufangen. Neue Forschungsergebnisse zeigen: Das lohnt sich gerade für viele junge Leute nicht.
Vor vielen Jahren haben Nobelpreisträger Franco Modigliani und sein Kollege Richard Brumberg das Life-Cycle-Modell entwickelt: Damit haben die Wirtschaftswissenschaftler das Phänomen aufs Papier gebracht, dass Menschen schon früh anfangen sollten zu sparen, um ab Renteneintritt dank des Zinseszinses etwa denselben Lebensstandard halten zu können wie während ihres Arbeitslebens. Das Forschungsteam Scott, Shoven, Slavov und Watson aus den USA hat dieses Modell nun weiterentwickelt und beschreibt in einer Veröffentlichung im journal of retirement, dass sich das frühe Sparen für die Rente momentan kaum lohnt.
Dann für das Alter vorsorgen, wenn das Gehalt am höchsten ist
Sie argumentieren: Personen mit hohem Einkommen bekommen im Laufe ihrer Karriere meist große Gehaltserhöhungen. Anstatt schon in jungen Jahren (wenn sie noch ein niedrigeres Gehalt haben) viel Geld zurückzulegen, können sie es getrost ausgeben und schon früh einen hohen Lebensstandard haben. Wenn sie später eine Gehaltserhöhung bekommen, können sie mehr Geld zurücklegen, ohne ihren Lebensstandard zu senken - der Umfang der Rücklagen bei Eintritt ins Rentenalter sei derselbe, rechnen die Forscherinnen und Forscher vor. Gleichzeitig müsse man sich in jungen Jahren nicht so sehr zurückhalten und mit weniger zufriedengeben als man vielleicht gerne hätte. Das Forschungsteam geht davon aus, dass im Alter von 25 Jahren ein Jahreseinkommen von 25.000 US-Dollar den Anforderungen entspricht und derselbe Lebensstandard mit weniger Geld in diesem Alter nicht erreichbar sei: "Wir gehen davon aus, dass eine bestimmte Summe für Arme wertvoller ist als für Reiche", so Scott nach Angaben von MarketWatch in einem Interview. Gemeint ist, dass 1.000 Euro bei einem vergleichsweise niedrigen Einkommen am Anfang der Karriere mehr bedeuten als bei einem hohen Einkommen in der Mitte oder am Ende der Karriere. Es lohne sich mehr, das Geld in jungen Jahren auszugeben, als es zurückzulegen.
Frühes Sparen für die Rente wegen niedriger Zinsen wenig sinnvoll
Das sei zumindest aktuell der Fall. MarketWatch zitiert Scott wie folgt: "Früh zu sparen kann wegen des Zinseszinses eine große Wirkung haben, aber der Zinseszins ist eindeutig irrelevant, wenn die Zinsen - wie schon seit Jahren - nach der Inflation bei null Prozent liegen." Die Empfehlung, nicht schon in jungen Jahren für die Rente zu sparen, hängt also stark vom aktuellen Umfeld ab.
Scott erläutert weiter, dass sich wegen effektiver Sozialhilfen auch für Angestellte mit sehr niedrigem Einkommen frühe Investitionen nicht lohnen würden, weil sie den Lebensstandard in der Rente nicht signifikant verbessern. Dabei bezieht er sich auf die Sozialhilfen in den USA. Ob dieses Forschungsergebnis verallgemeinert auch in Deutschland zutrifft, ist also fraglich. Dasselbe gilt für die Empfehlung des Forschungsteams, wegen der Vorteile einer Immobilie nicht einfach Geld zurückzulegen, sondern eine Hypothek aufzunehmen und ein Haus zu bauen.
Gehälter können nicht geplant werden - Rücklagen sind durchaus sinnvoll
Im Interview geht Scott auch auf andere Modelle wie das des Wirtschaftsexperten T. Rowe Prize ein. Dieser sagt, mit 30 Jahren solle man Rücklagen in Höhe der Hälfte des Jahreseinkommens, mit 40 Jahren anderthalbmal so hohe Rücklagen wie das Jahreseinkommen haben und so weiter. Scott bewertet dieses Modell durchaus als sinnvoll, ist sich aber sicher, dass das erweiterte Life-Cycle-Modell für bestimmte Personengruppen mindestens genauso gut funktioniert. Er erkennt außerdem an, dass sich Gehälter nicht im Vorhinein planen lassen. MarketWatch zitiert ihn abschließend mit den Worten: "Löhne sind durchaus risikobehaftet. Man könnte zu Recht argumentieren, dass junge Menschen etwas sparen sollen, um sich gegen unerwartete Lohneinbußen abzusichern. Dies wäre jedoch kein Sparen für den Ruhestand." Man solle also durchaus früh mit dem Sparen beginnen, sich aber erst später richtig mit der Altersvorsorge beschäftigen.
Redaktion finanzen.net
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