Wenn der Job den Charakter prägt - und umgekehrt

Eine Langzeitstudie der Universität Mannheim aus dem Jahr 2025 liefert neue Erkenntnisse über das Zusammenspiel zwischen Beruf und Charakter - mit weitreichenden Folgen für Berufsberatung und Personalentwicklung.
Beruf und Persönlichkeit
Das Forschungsteam um Dr. Claudia Rossetti, Dr. Katja Dlouhy und Prof. Dr. Torsten Biemann von der Universität Mannheim untersuchte "auf Basis von Langzeitdaten aus dem Sozio-Ökonomischen Panel" die berufliche Laufbahn von rund 11.000 Personen in Deutschland, wobei die längsten Analysen bis zu 12 Jahre umfassen. Im Fokus standen dabei die sogenannten Big Five-Persönlichkeitsmerkmale, die eine "prägende Klassifikation in der Persönlichkeitspsychologie" darstellen, so Dr. Klaus Watzka, Professor für Allgemeine BWL und Personalmanagement an der Fachhochschule Jena. Sie beschreiben Persönlichkeitsmerkmale anhand von fünf zentralen Dimensionen: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus.
Die Ergebnisse der Studie zeigen ein klares Muster: Menschen mit ähnlichen Persönlichkeitsprofilen entscheiden sich häufiger für ähnliche Berufe. Besonders spannend ist dabei, dass nicht nur Interesse oder Qualifikationen ausschlaggebend sind - auch die Passung zwischen dem individuellen Persönlichkeitsprofil und den typischen Anforderungen eines Berufs spielt eine zentrale Rolle.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Berufe nicht nur nach Fähigkeiten oder Interessen gewählt werden, sondern auch danach, ob die eigene Persönlichkeitsstruktur zu dem typischen Profil des Berufs passt", erklärt Dr. Claudia Rossetti, Erstautorin der Studie. "Diese Ergebnisse verbessern unser Verständnis, wie das komplexe Zusammenspiel zwischen der Persönlichkeit eines Menschen und dessen Beruf funktioniert", beschreibt Rossetti darüber hinaus.
Anpassung durch Arbeitsalltag
Doch der Zusammenhang ist keine Einbahnstraße. Die Forschenden stellten fest, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen im Laufe der Berufsjahre oft an die beruflichen Gegebenheiten anpasst. Wer also in einem Umfeld arbeitet, das etwa hohe Gewissenhaftigkeit verlangt, entwickelt mit der Zeit oft entsprechende Eigenschaften - bewusst oder unbewusst. Dieser Effekt ist so stark, dass sich Persönlichkeitsprofile innerhalb eines Berufsfeldes im Verlauf der Jahre einander angleichen. Die Arbeit prägt also nicht nur unseren Alltag, sondern auch unser Wesen - ein Phänomen, das in dieser Deutlichkeit bisher wenig empirisch untersucht worden war.
Berufsberatung und HR
Die Studie liefert nicht nur akademisch interessante Einsichten, sondern hat auch handfeste Konsequenzen für die Praxis. Ein tieferes Verständnis darüber, wie Persönlichkeit und berufliche Passung zusammenhängen, kann dabei helfen, Menschen gezielter zu beraten und geeigneter auf Positionen zu setzen. Gerade in der Berufsorientierung junger Menschen, beim Recruiting oder der langfristigen Personalentwicklung bieten sich durch diese Erkenntnisse neue Ansatzpunkte, um Fehlbesetzungen zu vermeiden und berufliche Zufriedenheit sowie Mitarbeiterbindung zu stärken.
Die richtige Passung zählt
Die Langzeitstudie macht deutlich, wie stark Persönlichkeit und Beruf einander bedingen. Wer beruflich aufblühen will, sollte sich nicht nur fragen, was er kann, sondern auch, wer er ist. Umgekehrt lohnt es sich für Unternehmen, nicht nur auf Lebensläufe zu schauen, sondern auch auf Persönlichkeitsprofile. Denn im Idealfall beeinflussen sich Job und Persönlichkeit gegenseitig.
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: Jacob Lund / Shutterstock.com, Urbanscape / Shutterstock.com