Beförderung: Ist Remote-Work ein Karrierekiller?
Die Arbeit aus dem Homeoffice wird derzeit kontrovers diskutiert. Während CEOs wie Elon Musk eindeutige Kritiker sind, sehen Personaler wichtige Chancen in der Remote-Arbeit. Immer wieder taucht jedoch der Aspekt des Berufserfolges auf: Verhindert die Arbeit von zu Hause ein Erklimmen der Karriereleiter?
Eigenschaften beruflich erfolgreicher Menschen
Um zu verstehen, inwiefern Remote-Work hinderlich für eine Beförderung sein kann, müssen zunächst grundlegende Eigenschaften beruflich erfolgreicher Menschen untersucht werden. Hierzu wird immer häufiger das Fünf-Faktoren-Modell beziehungsweise OCEAN-Modell nach Paul Costa und Robert McCrae untersucht. Die fünf Dimensionen des Modells beschreiben Persönlichkeitseigenschaften, welche Aufschluss über unterschiedliche Aspekte des Lebens geben. Dabei wird in Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus unterschieden. Wichtig zu wissen ist hierbei, dass jeder Mensch über einen bestimmten Ausprägungsgrad dieser Eigenschaften verfügt. Je nachdem wie dominant diese sind, lassen sich verschiedene Persönlichkeitstypen feststellen.
Basierend auf diesem Modell untersuchte eine Metastudie der US-amerikanischen Forscher Michael Wilmot und Deniz Ones die Eigenschaft Verträglichkeit sowie ihre Konsequenzen. Veröffentlicht wurde die Studie 2022 im "Personality and Social Psychology Review". Das Endergebnis aus den gesammelten Daten von mehr als 3.900 Studien lautete, dass Menschen mit einer hohen Ausprägung im Persönlichkeitsmerkmal Verträglichkeit erfolgreicher im Leben sind. Dabei ist es unerheblich, ob im beruflichen oder privaten Kontext. Verträgliche Menschen werden oftmals als mitfühlend, empathisch, hilfsbereit und warmherzig beschrieben. Niedrige Ausprägungen gehen dagegen mit Beschreibungen wie streitlustig, egoistisch und wettbewerbsorientiert einher.
Die Dimension der Verträglichkeit lässt sich ebenfalls in unterschiedliche Aspekte einteilen. Neben Eigenschaften wie Eigenverantwortung, Zufriedenheit und Teamarbeit stellten Wilmot und Ones für das Berufslebens vor allem einen Aspekt als außerordentlich bedeutsam fest: Menschen mit hoher Verträglichkeit zeichnen sich durch einen hohen Arbeitseinsatz aus. Sie sind bereit sich für neue Tätigkeiten zu engagieren, arbeiten mit hohen Qualitätsstandards und gehen auf ihr Arbeitsumfeld ein.
Mangelnde Präsenz als Barriere für die Karriere
Betrachtet man nun die drei zuvor beschriebenen Aspekte des Arbeitseinsatzes, so lässt sich vermuten, dass besonders das Engagement für Neues und die Arbeit mit dem Umfeld eine Herausforderung des Remote-Workers werden können. Insbesondere die Unternehmenskultur und Einstellung der Chefetage scheint von großer Bedeutung. So kann es sein, dass bereits die Arbeit im Homeoffice an sich im Unternehmen als negativ betrachtet wird und Mitarbeiter ins Büro gebeten werden. Tesla-CEO Elon Musk beispielsweise positionierte sich früh als Kritiker. Beim US-Sender CNBC gab er an, dass Heimarbeit unfair gegenüber denjenigen ist, denen es aufgrund ihrer Tätigkeit gar nicht erst möglich sei. Auch die Produktivität lasse seiner Meinung nach im Homeoffice zu wünschen übrig. Wissenschaftlich belegt ist diese Annahme bislang jedoch nicht. Etwas drastischer formuliert Wolfgang Grupp, CEO des Textilunternehmens Trigema, seine Abneigung gegenüber der Heimarbeit in einem Interview mit dem Tagesspiegel: "Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig. […] Bei mir könnten sie sich dann auch gleich arbeitslos melden. Es merkt sowieso keiner, ob sie arbeiten oder nicht."
Es scheint also, dass für den beruflichen Erfolg nicht nur das Merkmal Arbeitseinsatz von großer Bedeutung ist, sondern auch weitere Indikatoren eine Rolle zu spielen. So konnte das US-amerikanische Unternehmen Robin zeigen, dass für rund 60 Prozent der Befragten die Zeit im Büro ein ausschlaggebender Punkt für eine Beförderung oder Gehaltserhöhung darstellt. Darryl Rice, Professor an der Miami University, erklärte gegenüber dem Forbes Magazine: "Wichtige Entscheidungsträger haben in der Regel ein höheres Maß an Vertrauen zu den Mitarbeitern, mit denen sie persönlich und eng zusammengearbeitet haben." Auch Julian Kirchherr, Experte der Unternehmensberatung McKinsey, gibt in einem Interview mit dem Tagesspiegel an, dass Remote-Worker "bei Beförderungen häufiger übergangen" werden. Er ist ebenfalls der Meinung, dass eine Bindung aufgrund der fehlenden Präsenz länger dauert, jedoch einen wichtigen Aspekt darstellt. Laut dem DATEV magazin ist es für Beschäftigte im Homeoffice daher besonders wichtig, auch digital Präsenz zu zeigen. Erreichen könnte man dies beispielsweise durch das Einschalten der Kamera bei Onlinemeetings oder die aktive Nutzung der firmeneigenen Kommunikationskanäle.
Eine besondere Herausforderung der Heimarbeit ist also die Sichtbarkeit des eigenen Arbeitseinsatzes. Das eigene Engagement und die eigenen Leistungen zu zeigen, letztlich auch eine Bindung zu Kollegen und Vorgesetzten aufzubauen und digital präsent zu sein - diese Aufgaben gilt es zusätzlich zu leisten. Gelingt es einem nicht, kann Remote-Work tatsächlich ein Karrierekiller sein.
Remote als Chance für Gleichberechtigung
Doch die Arbeit von zu Hause bringt nicht nur Herausforderungen mit sich, sondern auch Chancen. So betont die Personalerin Diana Brown in einem Interview mit dem Forbes Magazine, dass Remote-Work gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft: "Gelegenheiten für Voreingenommenheit, die es im persönlichen Umfeld gibt - Kleidung, Gewicht, Größe - sind in einer räumlich entfernten Umgebung einfach nicht so präsent." Außerdem entstehen aufgrund der zeitlichen und räumlichen Entfernung keine geschlossenen "Arbeitscliquen" mehr. Laut Brown gebe es noch weitere Vorteile, der wichtigste sei jedoch, dass nicht mehr die lange Arbeitszeit, sondern die Leistungen und Ergebnisse entlohnt würden.
J. Vogel / Redaktion finanzen.net
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