MIT & Yale: Frauen werden im Job unterschätzt - und systematisch schlechter bewertet
Ein Forschungsteam, bestehend aus Wissenschaftlern von mehreren renommierten Universitäten aus den USA, hat im Rahmen einer neuen Studie herausgefunden, dass Frauen im Job bei Evaluierungen systematisch schlechter bewertet und seltener befördert werden - zu Unrecht.
Weniger als ein Drittel der Führungskräfte sind Frauen
Nicht einmal ein Drittel (29,2 Prozent) der großen Führungspositionen in Deutschland waren 2021 von Frauen besetzt, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) berichtet. Auch in den USA lässt sich beobachten, dass Männer deutlich öfter befördert werden. Deswegen haben Alan Benson von der University of Minnesota und seine Kolleginnen Danielle Li (MIT, National Bureau of Economic Research) und Kelly Shue (Yale, National Bureau of Economic Research) zwischen 2011 und 2015 die Daten von rund 30.000 Führungskräften einer US-Einzelhandelskette ausgewertet. Im Sommer wurde nun ihre Studie "’Potential’ and the Gender Promotion Gap" veröffentlicht. Darin werden Leistungsbeurteilungen und Beförderungen mit den demografischen Daten der Führungskräfte in Zusammenhang gestellt.
Ungerechtfertigte Bewertungen beim Potenzial
Vor Beförderungen führte das Unternehmen zwischen 2011 und 2015 sogenannte "Nine Box Ratings" durch und stufte darin auf einer Skala die Leistung und das Potenzial der Angestellten ein. Das Ergebnis: Sieben Prozent mehr Frauen als Männer erhielten in der Kategorie Leistung die bestmögliche Bewertung. Dennoch wurden 28 Prozent mehr Männer in der Kategorie Potenzial sehr hoch eingeschätzt und öfter befördert (13 Prozent). Zumindest für etwa 50 Prozent der Beförderungslücke liegt der Grund also in der durch die Leistung nicht gerechtfertigten Bewertung in der Kategorie Potenzial - die weiblichen Angestellten werden unterschätzt.
Außerdem, so Benson et al., leisteten die weiblichen Führungspositionen bei der Einzelhandelskette systematisch mehr als ihre männlichen Kollegen mit derselben Bewertung im Nine Box Rating, verließen aber das Unternehmen seltener, womit ihr firmeninternes Potenzial eigentlich höher eingestuft werden müsste.
Vorgesetzte behalten die leistungsstärksten Angestellten im eigenen Team
Benson, Li und Shue erörtern in ihrem Paper mögliche Gründe für die ungerechtfertigten, patriarchal geprägten Nine Box Ratings. Mit Verweis auf frühere Studien nennen sie klassische Geschlechterrollen als besonders problematischen Teufelskreis: Es werden mehr Männer als stereotype gute Vorgesetzte eingestellt, was die Geschlechterrollen stärkt, weswegen weiterhin oder verstärkt bevorzugt Männer befördert werden. Außerdem würden Vorgesetzte oft die leistungsstärksten Angestellten in ihrem eigenen Team behalten, anstatt sie zu befördern. Das ist zwar schmeichelhaft, aber nicht förderlich für die Karriere. Abgesehen davon verdienen Führungskräfte in der Regel mehr als Angestellte mit weniger Verantwortung. So entsteht die unbereinigte Gender Pay Gap, die in Deutschland nach Angaben von Destatis 2021 bei 18 Prozent lag. Für Frauen und Männern auf demselben Posten hingegen lag der Lohnunterschied bei sechs Prozent.
Die Studie hat eine Lösung parat - die Unternehmen müssen nur mitmachen
In der Studie schlägt das Forscherteam vor, Unternehmen sollten sich den eigenen Fehler eingestehen und die Bewertung der weiblichen Angestellten in der Kategorie Potenzial per Default eine Stufe anheben. So könne die Gender Promotion Gap und damit auch ein Teil der unbereinigten Gender Pay Gap korrigiert werden. Benson et al. schreiben: "Diese spezielle Maßnahme ist schwierig umzusetzen. Sie könnte zur Folge haben, dass Führungskräfte Frauen von vornherein [noch] schlechter bewerten, um den geschlechtsspezifischen ‘Bonus’ wieder auszugleichen. Dennoch deuten die Daten darauf hin, dass Unternehmen profitieren, wenn sie ihren ansonsten informativen Potenzialeinschätzungen den Bias nehmen."
Olga Rogler / Redaktion finanzen.net
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