Ryzon: So kann eine 32-Stunden-Woche im Startup funktionieren
Bei dem Startup Ryzon wurde vor gut einem Jahr die 32-Stunden-Woche eingeführt. Mario Konrad ist CEO und einer der Gründer des Sportartikeldesigners und verrät, wie dieses Arbeitsmodell auch im Startup funktionieren kann.
"Ich persönlich kann nicht fünf Tage die Woche zehn Stunden am Stück konzentriert arbeiten, aber mit einer Sportpause geht es. Ich glaube auch nicht an die ‘Work hard, play hard’-Mentalität. Kreative Lösungen entstehen meiner Meinung nach mit genügend Freiraum und nicht mit möglichst vielen abgearbeiteten Stunden", sagt Ryzon-CEO Mario Konrad im Gespräch mit Gründerszene. Der Kölner hat das Startup 2016 zusammen mit seinem Bruder Markus Konrad und ihrem Kindheitsfreund und Designer Fabian Jung gegründet. 2021 hat er in seinem Unternehmen die 32-Stunden-Woche eingeführt.
Ryzon-CEO Mario Konrad: "Muskeln wachsen in den Pausen"
"Das ist wie im Sport. Muskeln wachsen in den Pausen und nicht durch Überanstrengung", so Konrad. Diese Erfahrung habe er selbst im Studium gemacht, als er nicht mehr wie in der Schule bestimmte Abläufe befolgen, sondern nur am Ende des Semesters die Prüfung bestehen musste und also nur wenige Stunden am Tag aber dafür besonders konzentriert gearbeitet habe. Deswegen gelte für die mittlerweile rund 50 Angestellten im Unternehmen: Ergebnisse sind wichtiger als Arbeitszeit. Teil des Arbeitszeitkonzepts bei Ryzon ist, dass die Angestellten ihre Arbeitszeiten selbst festlegen können. Es steht ihnen also frei, vier Tage die Woche je acht Stunden zu arbeiten oder fünf Tage zu kommen, aber früher Feierabend zu machen. "Dann bleiben die Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum motiviert", so Konrad.
Beim Übergang zur 32-Stunden-Woche kam auf Konrad als CEO temporär ein Haufen Mehrarbeit zu. So habe er viel Zeit damit verbracht, zu überlegen, wie während der kürzeren Arbeitszeit wie zuvor die Unternehmensziele erreicht werden können. Teilweise habe man hier Anpassungen vornehmen und auch die Arbeitsabläufe umgestalten müssen - immer mit dem Ziel vor Augen, dass alle Angestellten jeden Tag mindestens dreieinhalb Stunden hochkonzentriert und ohne Ablenkung arbeiten.
Konrad: Die besten Ideen kommen einem sowieso nicht am Schreibtisch
Denn, so Konrad im Interview beim Podcast Sportsmaniac: Von drei hochproduktiven Stunden am Tag in einer 40-Stunden-Woche auf dreieinhalb hochproduktive Stunden in einer 32-Stunden-Woche zu kommen macht mehr Sinn, als die Angestellten in endlose Stunden unproduktiver Meetings zu schicken. Er habe den Eindruck, viele Unternehmen sähen Arbeitsleistung und Freizeit als Gegensatz und würden ihren Angestellten sozusagen Lebenszeit "abkaufen". Für ihn hingegen seien individuelle Freiheit und Arbeitsleistung eng miteinander verbunden - deswegen habe er sich trotz des anfänglichen Mehraufwands für ihn selbst für die 32-Stunden-Woche entschieden. Zu Konrads Ansatz gehört auch, gemeinsam Freizeit zu verbringen. Gegenüber Gründerszene erzählt er: "Da dauert eine Mittagspause auch mal zweieinhalb Stunden. Das ist nicht schlimm, denn mir ist sowieso noch keine wirklich gute Idee am Schreibtisch gekommen."
Bei der Umstellung auf die 32-Stunden-Woche hätten ihm drei Dinge ganz besonders geholfen. Zunächst einmal habe er die Verantwortlichkeiten jedes einzelnen Angestellten individuell sehr präzise und gegebenenfalls neu definiert oder reduziert. Seither arbeiten alle auf fest formulierte Ziele im Unternehmen hin - wie sie diese erreichen, wird nicht vorgeschrieben. Wichtig sei auch gewesen, die Zuständigkeiten neu zu definieren: Wer entscheidet was? So habe man viel Chaos und Arbeitszeit einsparen können und arbeite nun viel effizienter. Ganz viel ausgemacht habe außerdem die erneute Festlegung der Firmenstrategie. Diese wird seit Einführung der 32-Stunden-Woche bei Ryzon noch viel klarer als zuvor an die Angestellten kommuniziert, was für Orientierung und Klarheit sorgt. Das, erklärt Konrad bei Sportsmaniac, sei essenziell. Denn nach Schule und Uni seien Viele von so viel Freiheit bei der Arbeit verunsichert.
Konrads Fazit: Die 32-Stunden-Woche lohnt sich
Er versichert auch: Der Fokus auf Ziele statt Arbeitszeit verleite die Wenigsten dazu, ihn als ihren Arbeitgeber zu hintergehen oder heimlich mehr Pause zu machen. Vielmehr seien die meisten Angestellten so motiviert, dass sie doch häufig länger arbeiten als vereinbart. Die Vertrauensbasis lohne sich also. Natürlich ist sich Konrad gleichzeitig bewusst, dass es immer ein oder zwei Personen gibt, für die sein Arbeitszeitkonzept langfristig nicht das Richtige ist und die das System möglicherweise ausnutzen. Doch die Produktivität des Großteils der Angestellten habe sich so stark verbessert, dass dies nicht ins Gewicht falle.
Abschließend gesteht Konrad gegenüber Gründerszene: "Wir haben den Aufwand dahinter unterschätzt." Das neue Konzept und die Erfolge, die bei Ryzon damit bereits erzielt wurden, seien es jedoch absolut wert.
Olga Rogler / Redaktion finanzen.net
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