Studie: So stehen die Jobchancen ohne Berufsabschluss
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Unternehmen suchen oft gezielt nach Arbeitskräften ohne Berufsabschluss, die statt einer breitgefächerten Berufsausbildung Spezialwissen in einem Fachgebiet mitbringen. Größtes Problem dabei: Die Qualifikationen der Quereinsteiger sind für Unternehmen oft schwer einschätzbar.
Um erfolgreich in einem Beruf zu sein, braucht es nicht unbedingt einen vollwertigen Berufsabschluss. Ganz im Gegenteil: Viele Unternehmen suchen speziell nach teilqualifizierten Arbeitskräften, die Spezialwissen in einem bestimmten Fachgebiet mitbringen. Denn die meisten Berufe erfordern nicht das volle Programm an berufsfachlichen Kompetenzen. Viel wichtiger ist es oftmals, alle relevanten Qualifikationen für ein spezielles Einsatzgebiet mitzubringen.
Studie enthüllt: 81,2 Prozent der Unternehmen suchen Teilqualifizierte
Um zu untersuchen, wie groß der Bedarf von deutschen Unternehmen nach Arbeitskräften ohne Berufsabschluss ist, hat die Bertelsmann Stiftung im Zuge einer kürzlich veröffentlichten Studie deutsche Unternehmer zu ihrer Einstellung bezüglich Quereinsteigern befragt. Dafür wurden insgesamt 30 Ausbildungsberufe näher unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse der Studie sind für viele sehr überraschend.
So sind grundsätzlich 81,2 Prozent der deutschen Unternehmen bereit, auch Teilqualifizierte ohne einen anerkannten Berufsabschluss einzustellen. Noch vor der Corona-Krise waren sogar mehr als die Hälfte der Unternehmen (51,7 Prozent) explizit auf der Suche nach Arbeitnehmern ohne Berufsabschluss, solange diese Kompetenzen in mindestens einem beruflichen Einsatzfeld besitzen.
Große Unternehmen suchen spezialisierte Teilqualifizierte
Ob ein Unternehmen eher teilqualifizierte oder vollqualifizierte Mitarbeiter bevorzugt, ist den Studienergebnissen zufolge von unterschiedlichen Faktoren wie Berufsfeld und Unternehmensgröße abhängig:
So war die Nachfrage nach teilqualifizierten Mitarbeitern in zwei Dritteln der betrachteten Berufsfelder sogar höher als nach vollqualifizierten Arbeitskräften. Besonders stark waren Teilqualifizierte als Verfahrensmechaniker, Berufskraftfahrer und Köche gefragt. Hier gaben neun von zehn Unternehmen an, vornehmlich Stellen für Arbeitskräfte mit Teilqualifizierungen zu haben.
Zum anderen hängt die Entscheidung der Arbeitgeber stark von der Unternehmensgröße ab. Denn je größer ein Betrieb ist, desto größer ist auch die Nachfrage nach Mitarbeitern mit Teilqualifizierung. Das liegt daran, dass kleine Unternehmen oft nicht die Mittel für eine Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung haben und daher eher Arbeitskräfte brauchen, die alle beruflichen Kompetenzen abdecken können. In großen Betrieben ist es dagegen notwendig und auch sehr effizient, Arbeitsprozesse aufzuspalten und spezialisierte Arbeitskräfte einzusetzen.
Bedarf nach Quereinsteigern unabhängig von Stellenmarkt
Der durchschnittliche Bedarf an teil- und vollqualifizierten Arbeitskräften von Unternehmen ist dabei laut Studienergebnissen weitgehend unabhängig von der Situation auf dem Stellenmarkt. So sollen im Jahr 2019 im Durchschnitt etwa ein Drittel der Einsatzfelder mit Teilqualifizierten besetzt worden sein. Quereinsteiger werden also keinesfalls nur gebraucht, wenn die nötigen Arbeitskräfte mit Berufsabschluss fehlen. Trotzdem steigt die Nachfrage nach Teilqualifizierten natürlicherweise, wenn der Bedarf an Stellen für Arbeitskräfte mit Berufsabschluss in einem Bereich nicht gedeckt werden kann.
Qualifikationen von Quereinsteigern schwer einschätzbar
Jedoch haben einige Unternehmen laut den Autoren der Studie große Probleme bei der Auswahl von Bewerbern ohne vollwertigen Berufsabschluss: So sagen 48 Prozent der Unternehmen, dass sie Schwierigkeiten dabei haben, die Kompetenzen einer Arbeitskraft ohne Berufsabschluss richtig beurteilen zu können. Daher sind 70 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass man die Qualifikationen einer Arbeitskraft ohne Abschluss besser "sichtbar machen" müsste. Dadurch könnte das Potenzial von Teilqualifizierten ihrer Ansicht nach noch besser ausgeschöpft werden. Und auch in den Jahren vor der Corona-Krise bemängelten mehr als 50 Prozent der Unternehmen die unklare Qualifikationslage.
Neues Testverfahren soll Abhilfe schaffen
Um den Unternehmen ein Mittel zur Beurteilung der Kompetenzen ihrer Bewerber an die Hand zu geben, hat die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit das computergestützte Testverfahren "MySkills" entwickelt. Über das Programm beantworten die Bewerber über vier Stunden hinweg unterschiedliche, komplexe Fragen, die alltägliche Situationen in dem jeweiligen Ausbildungsberuf abdecken sollen. Gestützt sind diese Fragen mit entsprechenden Bildern und Videos.
Und schon jetzt ist der Test ein voller Erfolg: Wie Studienleiter Roman Wink gegenüber dem Spiegel verrät, wurde das Testverfahren "MySkills" bereits bei rund 12.000 Jobcentern und Arbeitsagenturen angewendet .
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