Fonds made in France: Vive la Boutique
Edouard Carmignac ist deutschen Fondsanlegern längst ein Begriff. Doch noch weitere französische Fondsmanager verzeichnen wachsenden Zulauf von hiesiger Kundschaft.
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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Es reicht nicht, einen guten Kopf zu haben. Die Hauptsache ist, ihn richtig zu benutzen.“ Zeit seines Lebens forderte René Descartes (1596—1650) seine Mitmenschen auf, nicht länger an überlieferte „Wahrheiten“ zu glauben. Stattdessen solle man sich auf das eigene Denken verlassen. Mit diesem Ansatz begründete der französische Naturwissenschaftler die philosophische Richtung des Rationalismus.
Eine Denkweise, die die Franzosen bis heute schätzen. Auch in Sachen Geldanlage. So setzen viele kleinere Fondsanbieter der Grande Nation auf klar strukturierte und nachvollziehbare Anlageprozesse, um sich im Wettbewerb mit den Großen zu profilieren. Oft haben sie nur eine kleine Auswahl an Fonds. Bei diesen pflegen sie allerdings einen sehr individuellen Investmentstil.
Die Fondsmanager orientieren sich meist nicht an Vergleichsindizes und genießen bei ihren Anlageentscheidungen große Freiheiten. Kurzum: Sie benutzen ihren eigenen Kopf. Deutschen Anlegern gefällt das. Und so fühlten sich in den vergangen Jahren immer mehr französische Vermögensverwalter ermutigt, nach Deutschland zu expandieren. Mittlerweile tummeln sich rund ein Dutzend gallischer Fondsboutiquen auf dem deutschen Markt.
Carmignac als Türöffner
Viele behaupten, der Erfolg von Edouard Carmignac habe erst die Türen geöffnet für andere Anbieter jenseits des Rheins. Fondsexperte und Berater Markus Hill meint: „Carmignac hat das Label Frankreich in der deutschen Fondsszene sicher bekannt gemacht.“ Bis dahin habe man bei ausländischen Anbietern vor allem jene aus dem angloamerikanischen Raum im Blick gehabt.
Doch ein leichtes Spiel sei es trotzdem nicht für die Franzosen, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen.„Letztendlich muss ich von der Substanz her überzeugen, sprich gute Fonds mit einer guten Wertentwicklung haben“, so Hill. „Vor allem am Anfang brauchen Sie als ausländischer Anbieter ein überragendes Produkt. Es ist ja nicht so, dass man hier sehnsüchtig auf Sie wartet.“
Auch als Comgest 2006 nach Deutschland kam, rief niemand „Na, endlich!“. Doch die Pariser Vermögensverwalter hatten einen Fonds im Gepäck, der eine hervorragende Historie aufwies und auf das richtige Thema setzte: den Magellan, einen der ältesten und besten Emerging-Markets-Fonds. „Wir hatten Glück“, sagt Comgest-Vorstand Jan-Peter Dolff, „weil Schwellenländer damals sehr gefragt waren.“ Mit dem Magellan sei die Gesellschaft in Deutschland groß geworden.
Zunehmend geraten aber auch die gut gemanagten Europa-Aktienfonds der Franzosen in den Blick deutscher Anleger. „Anfangs hatten wir etwa 100 Millionen Euro Anlagevermögen von deutschen Kunden. Mittlerweile sind wir bei rund 2,7 Milliarden“, so Dolff. Insgesamt verwaltet Comgest rund 16 Milliarden Euro.
Allen Fonds gemeinsam ist, dass sie ausschließlich auf Qualitätsaktien setzen. Das bedeutet: Die Unternehmen müssen ein planbares und von der Konjunktur möglichst unabhängiges Gewinnwachstum aufweisen. Viele Konsumtitel erfüllen diesen Anspruch. Dagegen sind die Fondsmanager vorsichtig bei Industrieunternehmen und Ölkonzernen, da dort die Konjunktur sowie der Ölpreis den langjährigen Gewinnverlauf stark beeinflussen.
Das Ergebnis dieser Anlagepolitik sind relativ risikoarme Aktienfonds. Das zeigte sich in den Krisenjahren 2008/2009, als die Comgest-Fonds weit weniger verloren als die Konkurrenz. Als Lohn für die erfolgreiche Arbeit zeichnete der Finanzen Verlag, in dem €uro am Sonntag erscheint, das Haus 2012 mit dem Titel „Fondsboutique des Jahres“ aus.
Mit dem Mofa durch Paris
Dass die Marke „französischer Fonds“ für Qualität steht, will auch Financière de l’Echiquier beweisen. Die Gesellschaft mit dem schwer auszusprechenden Namen wagte 2007 den Schritt nach Deutschland. In der Heimat sind die Pariser Anlagemanager eine große Nummer. Mit einem verwalteten Vermögen von knapp sieben Milliarden Euro ist das Haus die Nummer 3 der unabhängigen Fondsanbieter in Frankreich — hinter Carmignac und Comgest.
Bekannt in der Fondsszene ist auch der Gründer der Gesellschaft, Didier Le Menestrel. Fast 20 Jahre lang lenkte er das Flaggschiff des Hauses, den Europa-Aktienfonds Agressor. Sein Nachfolger seit 2008, Damien Lanternier, pflegt exakt den gleichen Anlagestil, nämlich Stock-Picking. Bei der Auswahl der seiner Meinung nach aussichtsreichsten Einzeltitel steht die qualitative Analyse der Unternehmen und nicht das makroökonomische Umfeld im Mittelpunkt.
Dafür will er genauen Einblick in die Unternehmen haben. Häufige Treffen mit Firmenchefs gehören für die Fondsmanager der Hauses schon immer zum Pflichtprogramm. „Didier le Menestrel ist früher immer mit seinem Mofa zu den Unternehmen in Paris gefahren“, berichtet Analyst Stefan Weimann. Die Nähe zu den Firmen zahlt sich offenbar aus. Langfristig gehört der Agressor zu den besten Europa-Aktienfonds.
Einen betont defensiven Anlagestil verfolgt DNCA Finance. Das Credo lautet: Eine gute Wertsteigerung sollte nie auf Kosten der Sicherheit gehen. So liegt der Schwerpunkt nicht wie bei den anderen Gesellschaften auf Wachstumsaktien, sondern auf Substanzwerten und Anleihen. Die Pariser Fondsboutique, deren Büros wie die von Monsieur Carmignac an der noblen Place Vendôme liegen, hat sich auf einen vermögensverwaltenden Ansatz spezialisiert.
Die Besonderheit: Die Fondsmanager verzichten auf strukturierte Produkte oder den Einsatz von Derivaten. Sie begrenzen Risiken allein dadurch, dass sie Unternehmen sowohl von der Aktien- als auch von der Anleiheseite genau analysieren. Zudem achten sie auf eine breite Streuung der Titel im Portfolio. Auf diese Weise managen Jean-Charles Mériaux und Philippe Champigneulle auch den Mischfonds DNCA Invest Eurose (siehe Investor-Info).
Genaues Analysieren und eine breite Aufstellung — das hätte auch Descartes gefallen. Besser, als sich auf wahrscheinliche Kursgewinne zu verlassen. Denn, so schrieb er: „Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.“
Investor-Info
Agressor
Die Freiheitsliebenden
Liberté toujours heißt es beim Europa-Aktienfonds Agressor. Fondsmanager Lanternier genießt absolut freie Hand, was die Größe und den Anlagestil der ausgewählten Aktien betrifft. Er kann sich bei Bluechips und bei Nebenwerten bedienen, Value- neben Growth-Aktien versammeln. Mit 60 Prozent ist der Anteil französischer Firmen im Fonds zwar recht hoch. Gleichwohl ist der Inlandsmarkt nicht in diesem Maß repräsentiert: So machen die im Fonds enthaltenen Firmen nur 17 Prozent ihres Umsatzes in Frankreich, den Löwenanteil im Rest der Welt. Seit Auflage 1991 brachte der Fonds eine jährliche Wertentwicklung von im Schnitt 13,5 Prozent. 2008 und 2011 mussten Anleger aber auch Rückschläge von knapp 47 bzw. knapp 18 Prozent einstecken.
Comgest Magellan
Die Qualitätsbewussten
Qualität zahlt sich aus. Das beweist die hervorragende Fondspalette von Comgest. Egal ob Europa-Aktien- oder Schwellenländerfonds — es gilt stets die Anlagedevise: Quality Growth. Auch beim Emerging-Markets-Fonds Magellan suchen Vincent Strauss und seine Co-Fondsmanager Wojciech
Stanislawski sowie Jean-Louis Scandella stets nach Unternehmen, die fortlaufend höhere Gewinne erzielen. Firmen, deren Ergebnis zu stark von der Konjunkturentwicklung oder Rohstoffpreisen abhängt, meiden sie. Um die 40 Titel schaffen es meist ins Portfolio. Die Ausrichtung auf Qualitätsaktien sorgt dafür, dass der Magellan bei stark steigenden Märkten zwar meist etwas weniger zulegt, bei schlechten Börsenphasen aber auch nicht so viel verliert.
DNCA Invest Eurose
Die Aufpasser
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Nach diesem Motto agieren die Fondsmanager von DNCA. Das Haus hat sich einem vermögensverwaltenden Ansatz verschrieben. Umgesetzt wird dieser etwa im defensiven Mischfonds Invest Eurose. Dieser investiert in die vier Anlagekategorien Anleihen, Wandelanleihen, Aktien und Geldmarkt. Für die Aktienseite ist Jean-Charles Mériaux zuständig, der nach dividendenstarken Value-Titeln sucht. Um den Anleiheteil kümmert sich Philippe Champigneulle. Er legt überwiegend in Unternehmensanleihen an und streut dabei über 70 bis 80 Titel. Das Ergebnis: ein schwankungsarmer Fonds mit ordentlicher Rendite.