Euro am Sonntag-Spezial

Bill Gross: Ende Legende

23.02.19 01:00 Uhr

Bill Gross: Ende Legende | finanzen.net

Der als Bond-König bekannte Anleihe-Manager verabschiedet sich in den Ruhestand - nach einer fulminanten Karriere und einem unrühmlichen Nachspiel.

von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag



Eine Ära ist zu Ende gegangen. Bei vielen Zeitgenossen mag diese Aussage journalistisch überspitzt klingen. Im Fall von Bill Gross ist sie frei von jeder Übertreibung. Denn der Abschied des 74-Jährigen von der internationalen Investment­bühne bedeutet das Ende einer Karriere, die fast fünf Jahrzehnte umspannt und von außergewöhnlichen Erfolgen gekrönt war. Dass es zuletzt für Gross nicht mehr rund lief, ist vor diesem Hintergrund wenig mehr als eine Fußnote.

Der "Bond-König" von der Wall Street hat abgedankt. Anfang der Woche verkündete er seinen Abschied von Janus Henderson Investors, wo er zuletzt einen flexiblen Anleihefonds managte. Aus dem zogen Investoren in den vergangenen Monaten immer mehr Kapital ab, sodass das Portfolio zuletzt unter die Grenze von einer Milliarde Dollar Anlagevermögen rutschte. In den Dimensionen des erfolgsverwöhnten Gross, der nur sechs Jahre zuvor ein Fondsvermögen von 300 Milliarden Dollar betreute, muss das eine Schmach sein. Künftig wolle er sich auf die Verwaltung seines eigenen Vermögens sowie auf seine wohltätige Stiftung konzentrieren, teilte der Investor mit.


Das größte Verdienst von William H. Gross ist zweifelsohne, Anleiheinvestments in einer Zeit populär gemacht zu haben, als die meisten Anleger vor allem auf die Aktienmärkte blickten. Investoren wie Warren Buffett oder Peter Lynch waren damals die bestimmenden Figuren in der Szene. Gross’ Konzept hingegen war es, Zinstitel aktiv zu managen - also durch strategische Käufe und Verkäufe eine höhere Rendite zu erzielen. Damit revolutionierte er ab den 1970er-Jahren das Verständnis von Bond-Investments und sorgte dafür, dass diese Anlageform Eingang in unzählige Privatanlegerdepots und Vorsorgepläne fand.

Von null auf zwei Billionen

1971 war Gross einer der Mitgründer des Anleihehauses Pimco im kalifornischen Newport Beach. In den folgenden vier Jahrzehnten formte er aus der Firma einen Vermögensverwalter, der in der Spitze zwei Billionen Dollar an Anlegergeldern betreute. Seinen Ruf als Anleihekönig erwarb sich Gross vor allem als Manager des Pimco Total Return Fund, mit dem er 1987 an den Start ging.



Mit diesem Portfolio gelang es ihm regelmäßig, den breiten Anleihemarkt zu schlagen. Seit Gründung des Fonds bis zu Gross’ Weggang glänzte der Total Return Fund mit einer jährlichen Rendite von knapp acht Prozent im Schnitt.

2013 war das Anlagevermögen auf fast 300 Milliarden Dollar gestiegen. Bereits seit vielen Jahren galt das Portfolio als weltgrößter Anleihefonds.

Gross selbst war zu dieser Zeit längst ein gemachter Mann. Denn zur Jahrtausendwende hatte der deutsche Versicherungsriese Allianz die kalifornische Pimco übernommen. Spätestens nach diesem Verkauf war Gross Milliardär. Bei seinem neuen Arbeitgeber strich er ein jährliches Salär von 200 Millionen Dollar ein - exklusive Boni in dreistelliger Millionenhöhe. Es lief gut für den Liebhaber edler Hermès-Krawatten, bis es 2014 zum Zerwürfnis kam. Gross hatte sich mehrfach mit US-Staatsanleihen verspekuliert, ab 2013 zogen Anleger große Summen aus dem Total Return Fund ab. Berichten zufolge sei Gross immer exzentrischer und unberechenbarer geworden. Schließlich verließ er Pimco im Streit, um seiner Kündigung zuvorzukommen.

Zu diesem Zeitpunkt hätte er aufhören können. Doch Gross heuerte lieber als Fondsmanager bei der mittelgroßen US-Gesellschaft Janus Capital (heute Janus Henderson Investors) an. Deren Chef Richard Weil hatte früher ebenfalls bei Pimco gearbeitet und empfing Gross mit offenen Armen. Der prominente Neuzugang sollte mit dem Global Unconstrained Fund eine Anleihestrategie managen, die ihm größtmögliche Freiheit einräumte, um an die Erfolge seines alten Portfolios anzuknüpfen.

Doch den hohen Erwartungen konnte Gross nicht gerecht werden. Sein Fonds entwickelte sich mehr schlecht als recht. Und 2018 verspekulierte er sich mit der Annahme, dass sich der Renditeabstand zwischen deutschen und US- Staatsanleihen deutlich verringern würde. Zum Schluss verblieben von den einst 2,3 Milliarden Dollar Anlagevermögen nicht mal mehr eine Milliarde im Fonds. Gross selbst dürfte am Ende der größte Anteilseigner gewesen sein.

Reichtum und tote Fische

So viel dem Anleihestar in seiner Karriere gelungen ist, den rechtzeitigen Absprung hat er nicht geschafft. Ihm bleibt freilich ein stattliches Privatvermögen, das vom US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzt wird. Dass es nicht noch weit höher ausfällt, liegt an Gross’ kostspieliger Scheidung im Jahr 2017. Damals musste er seiner Ex-Ehefrau Sue nach US-Medienberichten mehr als eine Milliarde Dollar abtreten. Und ähnlich wie bei der Trennung von Pimco lief das Ganze wenig freundschaftlich ab. So soll Gross in den Luftschächten einer Villa, die er seiner Ex-Frau übergeben musste, tote Fische verstreut haben. Er wiederum warf ihr den Versuch einer körperlichen Attacke vor und umgab sich daraufhin mit Personenschützern.

Eines ist klar: Einfach gestrickt ist Bill Gross nicht - und sein Leben verlief nie geradlinig. Ursprünglich studierte er Psychologie, diente dann während des Vietnamkriegs in der Marine. Nach einem Autounfall nutzte er die Rekonvaleszenzzeit als Berufsspieler (Black Jack) in einem Casino in Las Vegas. Damit verdiente er sich das Geld, um ein Studium der Betriebswirtschaftslehre zu finanzieren. Später erzählte er oft, dass ihm die Erfahrungen als Spieler sehr bei seinen Investment­entscheidungen geholfen hätten.

Nun hat sich Gross entschieden, das große Spiel an den Finanzmärkten zu verlassen. Am 1. März tritt er offiziell in den Ruhestand. Mit ihm geht ein Protagonist von der Bühne, der über sehr lange Zeit das Versprechen aktiver Fondsmanager erfüllte, den Markt zu schlagen. Investoren von diesem Schlage werden rar in einer Zeit, in der immer häufiger Algorithmen und Computerprogramme über die Verteilung von Anlagegeldern entscheiden.

Vita:
König der Anleihen
William "Bill" Hunt Gross wurde 1944 in Middletown, Ohio, geboren. Er studierte Psychologie und sattelte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre drauf, wofür er sich das Geld als professioneller Kartenspieler verdiente. Gross war 1971 ­einer der Gründer des Anleihehauses ­Pacific Investment Management Co. (Pimco) und ­managte lange den weltgrößten Anleihefonds.


Investor-Info

Pimco Total Return E $ Acc
Bill Gross’ Erbe

Nach dem Abgang von Bill Gross teilen sich drei Fondslenker die Verantwortung für das Anleiheportfolio: Scott Mather, Mark Kiesel und Mihir Worah. Sie haben es mit ordentlicher Performance geschafft, wieder Anlegervertrauen zu gewinnen. Das aktuelle Volumen des Fonds ist mit 65 Milliarden US-Dollar dennoch weit entfernt von der Spitzenmarke bei knapp 300 Milliarden. Die Fondsdaten unten beziehen sich auf die europäische, thesaurierende Version des Portfolios.

Pimco Income Fund E $ acc
Pimcos neues Flaggschiff

Der neue Stern am Himmel des Anleihehauses Pimco ist der Income Fund. Er investiert im Vergleich zum Total Return Fund, der ein breit diversifiziertes USD-Anleiheportfolio mit mittleren Laufzeiten darstellt, in ausschüttungsstärkere Segmente des Bondmarkts. Für den Fonds verantwortlich ist Dan Ivascyn, der Bill Gross als Chefanlagestratege bei Pimco beerbt hat. Das Portfolio wurde 2017 nahezu mit Geld überschüttet, 2018 gab es wieder einige Abflüsse. Aktuell ist der originale US-Fonds 112 Milliarden Dollar schwer.

Janus H. Glob. Unconstrained
Verpatzter Abgang

Mit dem Fonds sollte Bill Gross größtmögliche Freiheit bei seinen Bond-Investments eingeräumt werden. Solche Strategien sind in der Branche beliebt geworden, bergen aber auch ein hohes Risiko des Scheiterns - wie im Fall von Gross. Nach dessen Abschied übernimmt der stellvertretende Leiter für globale Anleihen bei Janus Henderson, Nick Maroutsos, den Fonds. Die Gesellschaft teilt mit, dass das Portfolio in Absolute Return Income Opportunities umbenannt werden soll. Beobachten.







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Bildquellen: Figge Photography/Janus Capital Group, Janus Capital Group