Euro am Sonntag

Nachhaltige Fonds: Auf der Durststrecke

19.05.22 12:31 Uhr

Nachhaltige Fonds: Auf der Durststrecke | finanzen.net

Dass viele Portfolios mit ESG-Fokus gerade noch schlechter performen als der breite Markt, beunruhigt die Anleger. Die Gründe, die Ausnahmen und die wichtige Rolle von Nachhaltigkeitsstrategien beim langfristigen Vermögensaufbau.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Nach turbulenten Börsenwochen fällt das US-Finanzmagazin "Barron’s" ein hartes Urteil: "ESG-Investments haben den Test nicht bestanden", titelte das Blatt im April und rechnete detailliert vor, dass Fonds und ETFs, die einer Nachhaltigkeitsstrategie folgen, dem Markt zuletzt hinterherhinkten. Tatsächlich liegt, wenn man etwa die Performance der sehr breiten MSCI-Indizes für globale, europäische und Schwellenländer-Aktienmärkte betrachtet, die nachhaltige SRI-Indexvariante seit Jahresbeginn rund zwei Prozentpunkte darunter (siehe Tabelle unten).

Nun ist der Blick ins Depot aktuell für kaum einen Anleger besonders erfreulich und zwei Prozentpunkte Unterschied sind nicht die Welt, schon gar nicht auf einen Zeitraum von nur vier Monaten betrachtet. Trotzdem fühlen sich viele Investoren verunsichert, nachdem Nachhaltigkeitsstrategien in den vergangenen zwei bis drei Jahren stets als potenziell risikomindernd und langfristig mindestens genauso, wenn nicht sogar renditestärker als konventionelle Anlagen beworben wurden. Kritiker sehen sich bestätigt.

Unterschiedliche Gewichtungen

Erklärungen für die Underperformance gibt es einige: ESG-Fonds und -Indizes haben häufig einen höheren Anteil an Tech-Aktien und einen deutlich niedrigeren Anteil an Energiewerten im Portfolio als Produkte ohne ESG-Fokus. Tech-Riesen erhielten zuletzt an den Börsen einen Dämpfer, während Ölkonzerne neue Höchstkurse erklommen. Zudem setzen viele Nachhaltigkeitsfonds auf Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien. Obwohl diese Profiteure der Energiewende sind, verloren jüngst insbesondere die Kurse von Windkraft-Aktien an Wert, weil die Firmen mit Materialmangel und damit verbundenen Verzögerungen bei Projekten kämpfen.

Gibt es aktiv gemanagte Fonds, die sich dem negativen Trend widersetzen können? Um dies zu überprüfen, hat €uro am Sonntag die Performance von rund 200 Fonds aus der Verlags-Datenbank analysiert, die das beste Eco-Rating "A" tragen. Für das Eco-Rating bewertet die Redaktion zusammen mit dem Datendienst Mountain-View Portfolios von Aktienfonds nach zehn Kriterien, die besonders auf Umwelt- und Klimaschutz abzielen. Von den "A"-Fonds konnten nur die wenigsten den konventionellen MSCI-Index sowohl auf Zwölfmonatssicht als auch im laufenden Jahr schlagen (siehe Tabelle unten). Interessant an dem Ergebnis: Eine Outperformance ist mit ganz spezialisierten "grünen" Portfolios wie dem Solar & Sustainable Energy genauso möglich wie mit breit anlegenden Aktienfonds mit ESG-Integration (zum Beispiel beim DWS Qi Global Climate Action oder dem Bergos European Equities) oder auch einem Sektorfonds wie dem CS Infrastructure, der gar nicht für sich in Anspruch nimmt, besonders nachhaltig anzulegen.

Momentaufnahme wenig bedeutend

Dass die meisten anderen "A"-Fonds schlechter abschneiden als der Index, sollte Anleger jedoch nicht grundsätzlich daran zweifeln lassen, dass nachhaltige Portfolios eine gute Performance abliefern können - dafür ist der betrachtete Zeitraum zu kurz. "Das ist eine Momentaufnahme, die den exogenen Schock widerspiegelt", bestätigt Stephanie Feigt, CEO der Firma 3rd-eyes analytics, die nachhaltige Vermögensplanungs- und Anlageberatungslösungen anbietet. "Es gibt immer wieder Einbrüche an den Börsen. Der Trend für nachhaltige Investments ist langfristig positiv", sagt Feigt

Sie sieht die Rolle von nachhaltigen Anlagen vor allem in der Absicherung vor Vermögensrisiken, die durch den Klimawandel entstehen. Denn während viele Anleger aktuelle Ereignisse wie den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie aufmerksam verfolgen, vernachlässigen sie ihrer Meinung nach die unter Umständen viel einschneidenderen Konsequenzen der globalen Erwärmung auf ihre Finanzen. "Je mehr die Temperatur steigt, desto größer die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft", sagt Feigt, die als ehemalige Co-Chefin des Nachhaltigkeitspioniers RobecoSAM ihre Berechnungen auf wissenschaftliche Untersuchungen renommierter Forschungseinrichtungen stützt.

Demnach büßt ein heute 30-Jähriger, der monatlich 500 Euro zur Altersvorsorge anlegt, etwa 800 bis 1.000 Euro seiner monatlichen Zusatzrente ein, wenn die globale Temperatur um durchschnittlich vier Grad steigt. Das liegt am oberen Ende der aktuellen Erwartungen laut Weltklimabericht. Ein heute 50-Jähriger verliere immer noch 100 bis 200 Euro im Vergleich zur Portfolioentwicklung bei konstanter Temperatur.

Um solche klimabedingten Verluste abzufedern, empfiehlt Feigt beispielsweise einen höheren Aktienanteil im Depot, außerdem auch eine Beimischung von alternativen Investments von fünf bis zehn Prozent. Nachhaltige Infrastruktur und Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien seien besonders geeignet. Insofern mögen Fonds-Anleger mit Öko-Vorlieben aktuell eine Durststrecke erleiden - langfristig sichern sie sich gute Chancen, konventionelle Indizes zu schlagen.




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