Jan Ehrhardt: "Aktien ja, aber eher die defensiven"
Vor 13 Jahren startete der Sohn von Jens Ehrhardt seine Karriere als Fondsmanager. Längst hat er sich als Spezialist für Dividendentitel einen Namen gemacht. Wie er anlegt, was er 2016 von Aktien erwartet.
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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Helle Räume, viel Holz und große Glasflächen: Die neue Firmenzentrale in Pullach, in der DJE Kapital seit gut vier Jahren residiert, erinnert mehr an ein Start-up-Unternehmen als an den Sitz eines traditionsreichen Vermögensverwalters. Dazu passend erscheint Jan Ehrhardt mit einem Tablet-Computer zum Gespräch. In puncto Bekleidung sind bei ihm aber weniger Jeans und offenes Hemd als vielmehr dunkler Anzug und schmale Krawatte angesagt.
Mit dem Tablet, das der Fondsmanager und Sohn des Firmengründers Jens Ehrhardt vor sich auf den Tisch gelegt hat, kann er schnell und unkompliziert auf den "Schatz" des Unternehmens zugreifen: die digitale Datenbank, nach deren Indikatoren die Anlageentscheidungen gefällt werden. Hin und wieder im Gespräch untermauert Ehrhardt seine Einschätzungen mit Zahlen und Grafiken aus dieser Datenbank.
€uro am Sonntag: Herr Ehrhardt, eines Ihrer Hobbys ist Schach. Spielen Sie ab und zu gegen Ihren Vater?
Jan Ehrhardt: Früher habe ich das gemacht, ja. Aber das ist schon länger her.
Und wie ist es bei Anlageentscheidungen? Sitzen sich da die Strategen Jens Ehrhardt und Jan Ehrhardt an einem Brett gegenüber oder ziehen Sie an einem Strang?
Ganz klar Letzteres. Denn wir beziehen uns bei unseren Entscheidungen ja auf dieselben Informationsquellen: die Indikatoren unserer FMM-Methode. Das Kürzel beschreibt, dass wir auf drei Ebenen die Märkte analysieren - fundamental, monetär und markttechnisch. Dadurch, dass wir auf die gleichen Daten zugreifen, kommen wir in der Regel auch zu denselben Schlüssen.
Sie haben die Daten, wie es scheint, immer auf Knopfdruck bereit …
Ja, aber das war ein Projekt, das einige Jahre gedauert hat. Die FMM-Indikatoren verwenden wir als Unternehmen bereits seit den 1980er- Jahren. Seither hat sich unser Anlageansatz ständig weiterentwickelt und es kamen immer neue Daten dazu. Seit etwa eineinhalb Jahren haben wir nun alle Indikatoren digital in einer einzigen Datenbank verfügbar. Vieles hatten wir bis dahin in Papierform, in Ordnern, manches haben wir telefonisch abgefragt oder händisch aus mehreren Informationsmedien übertragen. Seitdem dieses Projekt beendet ist, und darauf sind wir stolz, unterstützt uns die Datenbank bei unseren Anlageentscheidungen.
Wie weit reichen die Daten zurück?
Wir haben für alle Wirtschaftssektoren Gewinndaten bis in die frühen 1970er-Jahre zurück.
Macht es das Fondsmanagement auch einfacher?
Einfacher insofern, weil man sich schneller einen Überblick verschaffen kann. So haben wir anhand unserer Indikatoren ziemlich früh die Gefahren am Ölmarkt erkannt und sind aus den jeweiligen Unternehmen ausgestiegen.
Wie groß schätzen Sie denn die Gefahr des niedrigen Ölpreises für die globale Wirtschaft ein?
Für einzelne Länder, die Netto-Exporteure von Öl sind, haben die niedrigen Preise natürlich einen negativen Effekt. Und auch auf die Industrie in manchen Regionen wirkt es sich deutlich aus, wenn weniger investiert wird. Schließlich wurden schätzungsweise rund 300 Milliarden US-Dollar an Ölinvestments zurückgenommen. Von daher ist es sinnvoll, in den betreffenden Ländern oder Sektoren nicht vertreten zu sein. Aber für viele Länder wirken die niedrigen Ölnotierungen durchaus unterstützend. Beispiele sind Indien oder Japan. Per saldo denken wir, dass der Effekt des niedrigen Ölpreises positiv ist.
Neben dem Ölpreis machen sich Anleger auch Sorgen um China. Wo sehen Sie dort die größten Gefahren?
Die Währung ist für mich das größte Risiko. Ansonsten gibt es in China viele Dinge, die sich verbessert haben. Über Jahre wurde zum Beispiel mehr Wohnraum geschaffen, als nachgefragt wurde - mit der Folge hoher Leerstandsraten. Vor allem in den großen Städten hat sich die Lage deutlich entspannt. Das lässt sich an der Zahl der Monate ablesen, die es dauert, bis eine neue Wohnung verkauft wird. Die ist in den großen Städten von 17 Monaten im Jahr 2014 auf knapp neun Monate zurückgegangen. Hier gab es zuletzt auch merkliche Preisanstiege. Die Situation ist zwar noch nicht gut, aber man sieht, dass die Regierung die großen Probleme angeht.
Gilt das auch für den Kreditmarkt?
Ja, das Schattenbankensystem spielt mittlerweile wieder eine geringere Rolle bei der Geldvergabe in China. Generell ist zu sagen: Der Rückgang wird relativ gut gesteuert, dafür dass man vorher so ein starkes Wachstum einschließlich vieler Fehlentwicklungen hatte. Trotzdem sind wir derzeit bei chinesischen Aktien zurückhaltend - auch weil die Preisunterschiede zwischen den im Inland und den in Hongkong gehandelten Aktien aktuell riesengroß sind. Die Inlandsaktien sind aufgrund von Stützungskäufen und anderen Maßnahmen viel teurer als die in Hongkong gehandelten Papiere.
Weshalb macht Ihnen die chinesische Währung Sorgen?
Weil derzeit immer noch eine Flucht aus dem Renminbi stattfindet, da viele eine schwächere Währung erwarten. Der Punkt ist: Wenn der Renminbi stärker abwertet, kann das dazu führen, dass auch andere südostasiatische Länder ihre Währung abwerten, um konkurrenzfähig gegenüber China zu bleiben. Das würde dann eine Deflationswelle auslösen, und davor haben viele Angst.
Teilen Sie die Bedenken?
Ich glaube, dass der Markt zu heftig reagiert hat und die Probleme zu stark einpreist. Denn die fundamentale Situation - das weiß ich auch von meinen eigenen Unternehmensbesuchen - ist nicht so schlecht, wie es scheint. Ich denke, dass die Aktienmärkte derzeit übertreiben. Es ist keineswegs sicher, dass die Realwirtschaft in die Rezession abrutscht - aber genau das preisen die Märkte seit Jahresbeginn zunehmend ein. Auf dem aktuellen Niveau gibt es durchaus Chancen am Aktienmarkt.
Erwarten Sie von den Zentralbanken 2016 noch eine größere Überraschung?
Ehrlich gesagt nein. Ich setze nicht sehr stark auf die Notenbanken. Mit den Zinsen sind wir ja schon auf einem sehr niedrigen Niveau. Und ich erwarte keine großen zusätzlichen Impulse. Ich schaue in diesem Jahr stärker auf Sektoren und Unternehmen und stelle mir die Frage: Welche können unabhängig von Währungen und Notenbankentscheiden wachsen und wo können sich die Gewinne besser entwickeln?
Was favorisieren Sie derzeit?
Zu den Sektoren, die wir momentan gut finden, zählen Nahrungsmittel und Getränke, Gesundheit, Gebrauchsgüter, Technologie, Telekom und die Bauindustrie. Das sind Bereiche, die eher in den entwickelten Märkten zu Hause sind und eher stabilere Branchen. Bei anderen Sektoren sind wir weiter vorsichtig. Aktien ja, aber eher im defensiveren Bereich.
Wie schätzen Sie die Bewertung von Aktien aktuell ein?
Ich halte Aktien weder für zu teuer noch für zu günstig. Die historische Dividendenrendite des DAX zum Beispiel liegt aktuell wieder bei rund 3,4 Prozent. Auf diesem Niveau waren wir zuletzt 2013. Damals bekam man für zehnjährige deutsche Staatsanleihen aber noch eine Rendite von 1,5 bis zwei Prozent. Davon sind wir heute mit rund 0,2 Prozent weit entfernt. Die Zinsen sind extrem niedrig, die Geldmengensteigerungen halten an und fundamental haben wir noch immer Rückenwind. Als Anleger sollte man zwar vorsichtig sein, aber in der Schwäche kann man durchaus mal zukaufen, wenn man einen etwas längeren Anlagehorizont hat.
Ist Gold jetzt wieder interessant?
Da bin ich vorerst noch vorsichtig. Der Goldpreis hatte seinen höchsten Punkt erreicht, als auch die Kurse an den Schwellenländerbörsen im Höhenflug waren. Auf Länderebene bleibt China der größte Konsument vor Indien. Im vergangenen Jahr ist die Goldnachfrage in beiden Ländern zwar gestiegen, liegt aber immer noch unter früheren Niveaus. Indien könnte als Nachfrager wieder wichtiger werden, da das Land sehr stark vom niedrigen Ölpreis profitiert. Insgesamt müsste sich die Gruppe der Schwellenländer aber erst wieder stärker stabilisieren, bevor ich Gold als klaren Kauf sehe. Positiv für Gold ist, dass sich das Angebot aus laufender Minenproduktion in den nächsten Jahren rückläufig entwickeln dürfte.
Sie sind jetzt 13 Jahre als Fondsmanager tätig. Wann war Ihnen klar, dass Sie wie Ihr Vater in der Finanzbranche arbeiten wollen?
Das war ein schleichender Prozess. Von meinem Vater hatte ich keine Vorgaben. Der sagte: "Mach, was dir Freude macht." Aber vielleicht war das sogar die größere Motivation, in diesen Beruf einzusteigen. Schon in meiner Facharbeit in der Schule ging es um Investmentfonds, dann während des Studiums in St. Gallen war meine erste Arbeit über die Asienkrise. Und so ging das fortlaufend bis zur Doktorarbeit, in der ich mich mit der Überrendite von Aktien gegenüber lang laufenden Staatsanleihen beschäftigte. All das hat mir Spaß gemacht.
Was waren besonders wichtige Stationen in Ihrem Werdegang?
Nach dem Studium habe ich bei der Credit Suisse in New York zu arbeiten angefangen. Dort war ich im Aktienresearch vor allem für Technologieaktien zuständig. Das war im Jahr 2002 und einige Zeit nach dem Dotcom-Crash - die Anschläge vom 11. September lagen auch noch nicht lange zurück. Zu dieser Zeit sind die Kurse von Techaktien noch mal deutlich gefallen. Die Marktstimmung war schlecht und man sah, wie weit eine schwache Entwicklung in einem Sektor gehen kann.
Und dann?
Kam der Schritt zurück von New York nach Pullach. Anfang 2003 haben wir die eigenen DJE-Fonds aufgelegt, darunter auch den DJE Dividende & Substanz. Value-Aktien waren zu dieser Zeit sehr günstig geworden und für Fondsmanager entsprechend interessant. Mir hat das Arbeiten in New York Spaß gemacht, aber einen eigenen Fonds zu managen - diese Chance fand ich dann doch zu verlockend. Seitdem ist der DJE Dividende & Substanz so etwas wie mein Baby.
Wie sicher waren Sie sich damals, dass dividenden- und substanzstarke Aktien wieder spannend werden könnten?
Ziemlich sicher, denn das Thema wurde einfach lange vernachlässigt. Vor 1950 war bei einer Aktie primär die Dividende interessant, erst in zweiter Linie die Kursgewinne. Ende der 90er-Jahre hat sich dann kaum noch jemand für Dividendentitel interessiert. Das änderte sich mit dem großen Börseneinbruch. Danach konnte man schon sehen, dass sich Anleger wieder rückbesinnen und Dividendenaktien eine größere Aufmerksamkeit schenken.
Was waren wichtige Entscheidungen für den Fonds?
Gute Entscheidungen waren, dass wir 2008 keine Bankaktien im Fonds hatten und 2015 keine Ölgesellschaften. Das hat auch mit einem unserer Anlageprinzipien zu tun: Wir achten darauf, dass Unternehmen die Dividende mindestens aus dem freien Cashflow bezahlen können. Sprich: Der Cashflow nach Investitionen muss höher sein als das, was die Firma ausschüttet oder an die Aktionäre zurückgibt.
Welcher Gedanke steckt dahinter?
Oftmals wird in einem Sektor so viel investiert, dass der Cashflow nach Investitionen sehr gering ist. Das führt zunächst dazu, dass in diesem Sektor aus dem operativen Geschäft die Dividende nicht mehr gezahlt werden kann - eben weil viel investiert wird, vielleicht zu viel. Zum Zweiten ist die Gefahr da, dass aufgrund dieser Investitionen Überkapazitäten entstehen. Das war bei den deutschen Energieversorgern der Fall oder eben bei Öl- und Gasunternehmen. Diese Sektoren sollte man nicht im Portfolio haben. 
Analytiker und Fondslenker
Jan Ehrhardt, Jahrgang 1975, studierte Betriebswirtschaft in St. Gallen sowie Wirtschaft und Politik an der London School of Economics. Später promovierte er an der Universität Würzburg. Bevor er ins Unternehmen seines Vaters Jens eintrat, arbeitete er als Analyst für die Credit Suisse in New York. Bei DJE Kapital in Pullach bei München ist Jan Ehrhardt stellvertretender Vorstandschef.FondsDividenden und mehr
Jan Ehrhardt managt seit 2003 den mit 1,2 Milliarden Euro größten Fonds bei DJE Kapital: den DJE Dividende & Substanz. Für dieses Portfolio sucht er weltweit nach dividenden- und substanzstarken Aktien, die er für unterbewertet hält. Daneben lenkt Ehrhardt die Geschicke beim DJE Asia High Dividend, dem Mischfonds DJE Zins & Dividende und beim Astra-Fonds.Ausgewählte Hebelprodukte auf UBS
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Bildquellen: Andreas Pohlmann/DJE
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